U-Bahn in Berlin

Fertigstellung des Spreetunnels

Zentralblatt der Bauverwaltung • 8.3.1899

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Der Spreetunnel zwischen Stralau und Treptow bei Berlin ist nunmehr vollständig fertiggestellt und wird im Frühjahr 1900 mit der durch denselben zu führenden Straßenbahn von Berlin (Schlesischer Bahnhof) nach Treptow dem Betrieb übergeben werden. Die Bauweise dieses bedeutsamen Werkes ist bereits, so weit die Wahrung des geistigen Eigentums der ausführenden Gesellschaft ein Eingehen auf Einzelheiten zulässig erscheinen ließ,  hier beschrieben worden, und es ist nur folgendes nachzutragen.

Nach Vollendung des ersten Drittels des Tunnels wurde der Bau im Herbst 1896 vorläufig eingestellt, um eine Einigung über die Straßenbahn herbeizuführen, die den Tunnel zur Kreuzung der Spree benutzen sollte. Erst im September 1897 entschloss man sich zur Fortsetzung der Arbeiten, die dann seitdem ununterbrochen bis zu ihrem nunmehr erfolgten glücklichen Abschluss betrieben worden sind.

Der Bau der unter dem Spreefluss gelegenen Tunnelstrecke erfolgte in der früher beschriebenen Weise und wurde im Januar 1898 beendet. Hierbei wurde ein täglicher Fortschritt von durchschnittlich 1½ m Länge erzielt. Den unter dem freien Wasser besonders gefährlichen Wirkungen des Auftriebs wurde in sicherer Weise durch angemessene äußere und innere Belastung des Tunnelrohres und des Brustschildes begegnet; größere Hindernisse, wie Steine, Baumstämme usw. sind nicht angetroffen worden. Die Dichtung der Tunnelwandung ist gelungen.

Mit besonderen Schwierigkeiten war die Herstellung der unter dem Stralauer Ufer liegenden, 80 m langen, scharf gekrümmten Tunnelstrecke verbunden. Man hatte sich zur Erzielung einer genauen Richtung entschlossen, von dem bergmännischen Vortrieb für diese Strecke abzusehen, und hatte stattdessen den Einbau derselben in eine offene, mit Spundwänden eingeschlossene und in der Sohle durch Betonschüttung gedichtete Baugrube gewählt. Die einzurammende Länge der Spundwände wechselte von 6,5 – 11 m, die nasse Baggerung war auf Tiefen von 4,5 – 9 m zu bewirken. Dieses Verfahren ist für den höher liegenden Teil der fraglichen Strecke ohne Anstand durchgeführt worden; innerhalb des tieferen, dem Spreefluss benachbarten Teiles von 30 m Länge aber waren die 9,5 – 11 m langen Spundwände zu undicht geraten, und war der Auftrieb des auszubaggernden Bodens zu groß, um die Umfassung der Baugrube in sicherer Weise abdichten zu können. Man teilte daher diese Strecke nach einem zur Patentierung angemeldeten Verfahren durch Querwände in drei etwa 10 m lange Kästen, versah diese mit luftdichten Deckeln und konnte sie nun mit Pressluft füllen, mit deren Hilfe die trockene Förderung des Bodens und die Betonierung der Sohlen gelang. Eine eigentümliche Aufgabe war noch die Verbindung der in verschiedener Bauweise hergestellten Tunnelstrecken, zu welchem Zweck der Brustschild in den dem Spreefluss zunächst liegenden der drei erwähnten Kasten vorgetrieben werden musste, nachdem vorher in der Kopfwand des letzteren eine entsprechende Öffnung hergestellt war. Der auf solche Weise in den Kasten vorgetriebene Schild wurde sodann zerlegt und nach Entfernung des Kastendeckels beseitigt, worauf der Einbau des durchgehenden Tunnelrohres erfolgen konnte. Der in eigener Verwaltung bewirkte Bau des Tunnels und der anschließenden offenen Rampen ist ohne nennenswerten Unfall verlaufen und hat, abgesehen von der zeitweisen Unterbrechung der Arbeiten, 2½ Jahre gedauert.

Der Spreetunnel ist der erste in Deutschland mit dem Brustschilde vorgetriebene Tunnel. Meines Wissens ist er auch der erste Tunnel auf der Welt, der in ganzer Länge in schwimmendem Gebirge unter einem Flusslauf erbaut ist: und zugleich auf einem wesentlichen Teil seiner Länge in einer scharfen Krümmung liegt.

• Schnebel

Buchtipp:
Mit der Eröffnung der Berliner Hoch- und Untergrundbahn am 18. Februar 1902 fanden zehn Jahre Planung und Bau der ersten deutschen U-Bahn ihren vorläufigen Abschluss. Die damaligen Redakteure der ›Deutschen Bauzeitung‹ Fritz Eiselen und Albert Hofmann schildern die Arbeiten aus Sicht der Ingenieure und Architekten. Dabei gehen sie nicht nur auf die technischen Aspekte ein, sondern widmen sich auch der künstlerischen Ausgestaltung der Strecke und der Bahnhöfe. Zahlreiche Fotos und Zeichnungen illustrieren dieses Zeitdokument der Berliner Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 114 Seiten | ISBN: 978-3-7528-9695-4

• Auf epilog.de am 5. Juli 2025 veröffentlicht

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