FeuilletonReisen

Expeditionen ins Südpolarmeer

Von Friedrich Körner

Die Gartenlaube • 1856

Voraussichtliche Lesezeit rund 15 Minuten.

Obschon das Südpolarmeer grauenhaft ist wegen seiner Einöde und der wilden Erhabenheit seiner Naturschauspiele, obschon das feste Eis in der Regel bis zum 60. und 62. Grad reicht, während das Nordpolarmeer an 10 Grad weiter noch schiffbar ist, so haben sich nicht nur gewinnsüchtige Walfischfänger in dasselbe gewagt, sondern der Drang nach Erforschung des Erdkörpers hat wissenschaftlich gebildete Seefahrer in günstigen Sommern tief in die Eiswüsten des Südpolarmeeres geführt, wo sie Gefahren zu bestehen hatten, bei deren Erzählung den Zuhörer kaltes Grausen überfällt. Wenn wir den Mut der Krieger bewundern, die sich mit Todesverachtung dem Kartätschenhagel entgegenwerfen, so verdienen die Polarfahrer die höchste Bewunderung, da sie viel größere Gefahren zu bestehen haben. Der Soldat kämpft in Gemeinschaft mit seinen Genossen, und fällt er, so endet ein kurzer Tod sein Leben, und lohnt ihn ein ehrenvolles Gedächtnis. Einsam dagegen und tausend Meilen von menschlicher Wohnung und Hilfe entfernt, ringt der Polarfahrer täglich mit dem Tod, Hunger und Kälte peinigen ihn, wenn sein Schiff, vom Winter überrascht, einfriert, und wenn die Wogen es verschlingen, die Eisberge es zermalmen, wenn er, auf eine Eisscholle sich rettend, hilflos von Sturm und Wellen umhergetrieben wird, da ahnt niemand daheim seine Qualen, seine Todesangst – er ist verschollen und wird vergessen. Erneuern wir daher das Gedächtnis an die mutigsten Südpolarfahrer, um uns alle die Grauen und Entsetzen zu vergegenwärtigen, welche diese Entdecker und Erforscher zu ertragen hatten!

Am Weitesten gegen den Südpol ragt die Spitze Südamerikas, von wo ab die Süd-Orkneys und Süd-Shetlandsinseln nach Süden weisen, wo man einige Küstenstriche entdeckt hat, ohne zu wissen, ob sie einem Festland oder einer Inselgruppe angehören. Ähnliche Küstenstreifen liegen dem Süden Neuhollands gegenüber; doch kennt man auch hier nur einzelne Küstenlinien, die sich auf dem 70. Grad hinziehen, dann plötzlich an der Ostseite nach Süden umwenden, wo die Eisküste, Victorialand genannt, bis zum 78. Grad gegen den Pol hin verfolgt ist. Dort hemmte der Eiswall jedes weitere Vordringen, da er sich unabsehbar nach Osten ausdehnte und einen großen Meerbusen zu umschließen schien, denn südlich von Afrika zieht sich die Eisküste vom 65. Grad südwestlich gegen den Eiswall.

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Auch heute, wo man die Antarktis von Fotos und Filmen kennt, gehört sie zu den bizarrsten und zugleich faszinierendsten Orten der Erde. Zu einer Zeit vor Erfindung der Fotografie schildert Friedrich Körner das Südpolarmeer in bildgewaltigen Worten, die den Lesern wie der Bericht von einem fernen Planeten erscheinen mussten.
eBook € 1,99 | eISBN: 978-3-7412-6299-9

• Auf epilog.de am 25. Juni 2024 veröffentlicht

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