Handel & IndustrieFabrikation

Die Erzeugung der Holzwolle

Der Stein der Weisen • 1894

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

In großen Sägewerken, dann in Holzbearbeitungswerkstätten, wie umfangreichen Tischlereien usw. gibt es eine große Menge Holzabfälle, für welche sich nicht sobald eine zweckentsprechende Verwendung finden lässt und welche in vielen Fällen einfach verbrannt werden. Alle diese Holzabfälle, welche keine größeren Dimensionen als höchstens 420 × 145 Millimeter haben, lassen sich besonders vorteilhaft zu Holzwolle verarbeiten. Holzwolle stellt außerordentlich feine und dem entsprechend elastische und weiche Späne dar, welche in der kurzen Zeit ihrer Existenz sich schon ein ziemliches Verbrauchsterrain erobert haben.

HolzwollemaschineAbb. 1. Holzwollemaschine. Ansicht (oben) und Draufsicht.

Die Konstruktion der zu der Erzeugung dieses Materials benützten Maschinen ist eine äußerst einfache und geht aus Abb. 1 so deutlich hervor, dass dieselbe keiner weiteren Erklärung bedarf. Die Länge der Maschine beträgt ungefähr 320 cm, ihre Breite 160 cm; der Durchmesser der Riemenscheibe ist 50 cm Millimeter, die Breite der letzteren 15 cm und das Gewicht der ganzen Maschine beläuft sich auf circa 600 kg. Bei einer Tourenanzahl von 150 U/min bedarf sie zum Betrieb 1 – 2 PS, und liefert bei einer zehnstündigen Arbeitszeit 250 – 450 kg Holzwolle. Derartige Maschinen, welche sich sehr bewährt haben, liefern Schwarz & Richter in Breslau, die Werkzeugmaschinenfabrik Dortmund, Ernst Kirchner und Comp. in Leipzig und Andere.

Anthon & Söhne in Flensburg bauen doppeltwirkende Holzwollemaschinen mit zwei feststehenden Messern; im Schlitten ist jeder bewegliche Teil vermieden. Diese doppeltwirkenden Holzwollemaschinen werden überall da mit Vorteil Anwendung finden, wo es sich mehr um große Quantitäten als um große Genauigkeit der Wolle handelt; dies kommt aber daher, dass kein Holzstück sich in beiden Richtungen gleich gut hobeln lässt, eine Erfahrung, die jeder mit einem gewöhnlichen Hobel machen kann, indem die eine Schnittrichtung sich immer gegen die Faser des Holzes richtet und dann etwas weniger schöne Späne liefert; doch kommt dies bei grober Holzwolle nicht in Betracht. Wenn es sich dagegen darum handelt, extra schöne und feine Wolle, wie dies zu verschiedenen Zwecken verlangt wird, und wie sie sich mittelst des Patentschlittens der Maschine erzeugen lässt, herzustellen, so ist es erforderlich, dass die Maschine einfach schneide; es lässt sich dann jedes Holzstück stets in der am besten zu verarbeitenden Faserrichtung zwischen die Walzen klemmen und verarbeiten. Ein charakteristischer Vorzug dieser Maschine ist, dass verschieden breite Holzfasern auf ihr erzeugt werden können, ohne dass es nötig ist, die dabei zur Verwendung kommenden Ritzmesser für jeden einzelnen Grad von Feinheit auswechseln und durch dickere oder dünnere Messer ersetzen zu müssen.

Doppeltwirkende HolzwollemaschineAbb. 2. Doppeltwirkende Holzwollemaschine.

Die ganze Maschine (Abb. 2) ruht auf einem festen Eisenrahmen, der in der Regel horizontal montiert wird, zu welchem Zwecke derselbe, wie in der Abbildung ersichtlich, mit eisernen Füßen versehen wird. Derselbe kann jedoch auch, wenn es die Räumlichkeit oder die Betriebsanordnung verlangt, in geneigter Stellung montiert werden. Auf diesem Rahmen lagert die Antriebswelle mit loser und fester Riemenscheibe und einer zugleich als Schwungrad dienenden Kurbelscheibe. Mittelst einer Lenkstange wird durch die Kurbel ein eiserner Schlitten hin- und herbewegt, dieser letztere enthält die sehr einfachen Schneidewerkzeuge: ein, respektive zwei breite Hobelmesser und eine Partie spitzer Messerchen, die der Breite der Faser entsprechend auseinanderstehen und das zu verarbeitende Holz einritzen, während die dicht dahinter sitzenden Hobelmesser die so schon eingeritzten breiten Späne abnehmen, die als Holzwolle unter die Maschine fallen. Zwei quer über den Schlitten liegende gezackte Walzen, die sich bei jeder Bewegung des Schlittens ruckweise um ein Gewisses drehen, halten das zu verarbeitende Holz und wird die der Kurbel zunächst liegende Walze durch das über eine Schnurrolle hängende Gewicht, mittelst Rad- und Zahnstangenbetriebes stets gegen das Holz gepresst, so dass letzteres festgehalten und bei jeder Bewegung dem Tisch um ein Bestimmtes genähert wird. Ein an der eben erwähnten Schnurrolle angebrachter Hebel ermöglicht noch eine schnellere Rück- oder Vorwärtsbewegung dieses Rades, mithin auch eine schnelle Hin- und Herbewegung der vorderen Walze, um bei ungleich langen Holzstücken ohne Aufenthalt eins nach dem anderen zwischen die Walzen bringen zu können. Die Maschine kann leicht von einem Arbeiter bedient werden, derselbe hat nur, wenn die Maschine durch Aufbringen des Riemens auf die feste Scheibe in Gang gesetzt ist, ein Stück nach dem anderen zwischen die Walzen zu stecken; dies geschieht mit der linken Hand, während mit der rechten bei ungleich langen Stücken mittelst des Hebels die vordere Walze, den Stücken entsprechend, der hinteren Walze genähert oder entfernt wird. Haben die Walzen das Holz gefasst, ist es nicht nötig, dasselbe mit der Hand zu halten, die Walzen schieben es von selbst vor, so dass während dieser Zeit und bei nicht allzu kleinen Holzstücken ein Arbeiter leicht zwei Maschinen bedienen kann. Die Maschine ist in der Riemenrichtung 320 cm lang bei einer Breite von 106 cm. Die Antriebsscheibe hat 50 cm Durchmesser und 15 cm Breite und soll circa 150 U/min machen. Die Leistung einer doppeltwirkenden Maschine beträgt in zehn Arbeitsstunden von der gröbsten Holzwolle je nach der Holzart 300 – 600 kg; bei feinerer Wolle verringert sich dieselbe entsprechend. Die Maschine arbeitet die Stärke der Holzfaser stets gleich; auf besonderen Wunsch und gegen eine Extravergütung werden verschiedene Schneckenräder beigegeben, durch welche es ermöglicht ist, je nach Belieben die Faserstärke in verschiedenen Sorten herzustellen, die gewöhnlichsten sind in Stärke von je 3, 5, 10, 15 und 20 Spänen auf 1 mm gerechnet. Die Breite einer jeden Holzfaser kann beliebig gewählt werden, je nachdem man die Ritzelmesser dicht zusammen oder zwischen je zwei Ritzelmesser beliebig dicke Zwischenlagen spannt. Der Kraftbedarf für eine Holzwollmaschine ist nach den Leistungen 1 – 2 PS.

Die Maschine verarbeitet Hölzer rund, vierkantig und flach, von folgenden größten Dimensionen: ca. 50 cm lang, 14,5 cm breit und selbstredend in beiden Maßen kleiner. Die Höhe ist nicht maßgebend, doch ist es nicht vorteilhaft, dieselbe über 50 cm zu nehmen. Das Material kann ganz aufgearbeitet werden, bis auf ein Quadratstück von 3 cm, also der Abfall ist sehr gering.

Die Maschine kann mit Wind, Wasser, Dampf und jeder anderen Kraft gleich gut betrieben werden und besitzt auch die Eigenschaft, spanisches Rohr zu Wolle zu verarbeiten. Inwieweit es aber ein Vorteil ist, dieses Rohr zu Wolle zu verarbeiten, ist nicht ganz klar, denn neues Rohr wird zu teuer, kurze dünne Abfälle werden sich als nicht lohnend herausstellen, weil nichts dabei fertig und die Wolle sehr unegal wird; auch hat sich bei Proben herausgestellt, dass spanisches Rohr in Stäben wohl elastisch ist, dahingegen in Wolle nicht mehr Elastizität besitzt, wie Buchen, Eschen und andere zähe Hölzer.

Die Holzwolle wird mit Vorteil zu Polsterungen verwendet und hat gegenüber dem Seegras und den Haaren den gewiss nicht zu unterschätzenden Vorzug, dass sie ihre Elastizität viel besser und länger bewahrt, als die genannten Polstermaterialien. Der Harzgehalt der wohl fast ausschließlich zur Verwendung gelangenden Tannen-, Fichten- und Föhrenholzabfälle schützt die damit hergestellten Polsterungen vor dem lästigen Ungeziefer, namentlich Motten, außerdem übt die Feuchtigkeit nur einen sehr geringen Einfluss auf das Füllmaterial aus. Die vom königlich preußischen Kriegsministerium angestellten Versuche behufs Erprobung und Brauchbarkeit der Holzwolle haben nachgewiesen, dass die Fichtenholzfasern als Matratzeninhalt in Spitälern und Kasernen ein sehr angenehmes, weiches und reines, von den Kranken sehr gelobtes Mittel bieten und alle bisher unvermeidlichen Unzukömmlichkeiten ausschließen.

Auch als Verbandsmaterial werden außerordentlich feine Holzspäne seit neuester Zeit benützt und leisten hier gute Dienste. Mit den vorgenannten Maschinen hergestellte Späne dienen auch als Klär-, Essig- und Zündspäne: Klärspäne aus Haselnuss-Rundhölzern dienen für Bierbrauer; gerollte Klärspäne aus Buchenholz für Essigfabriken; Zündspäne werden aus Nadelhölzern erzeugt. Ganz besonders ist die Holzwolle als billiges und außerordentlich sauberes Packmaterial anzuempfehlen; sie füllt gut, ist leicht und verbilligt infolgedessen den Transport. Die Maschinen gestatten, die Holzwolle in gröberem oder in feinerem Zustande zu liefern; das Produkt selbst lässt sich sehr einfach, schnell und billig in allen Farben färben, indem man dasselbe in die färbenden Flüssigkeiten einlegt, auf Siebe zum Abtropfen bringt und dann gut trocknet.

Entnommen aus dem Buch:
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ersetzten Dampfmaschinen zunehmend die Muskelkraft und ermöglichten eine zunehmende Mechanisierung der bis dahin handwerklich geprägten Güterproduktion. Der Abbau von Handelshemmnissen und neue Verkehrswege eröffneten überregionale Märkte, immer mehr Produkte mussten immer schneller und billiger produziert werden. Arbeitsteilung und Spezialisierung veränderten ganze Wirtschaftszweige. Die historischen Originalbeiträge und Abbildungen in diesem Buch geben einen unverfälschten Einblick in die Wirtschaft des 19. Jahrhunderts.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 104 Seiten | ISBN: 978-3-7578-2490-7

• Auf epilog.de am 28. August 2024 veröffentlicht

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