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Die erste elektrische Droschke in Berlin

Der Motorwagen • August 1899

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Vor kurzem brachten die Tageszeitungen die Notiz, dass die erste elektrische Droschke von der Verkehrspolizei für Berlin zugelassen, und dass dieses Elektromobil dem allgemeinen Verkehr übergeben worden sei. Es braucht wohl nicht darauf hingewiesen zu werden, von welcher Bedeutung dieser neue Erfolg der elektrotechnischen Industrie ist, Elektrische DroschkeElektrische Droschke für Berlin. und es wäre nur zu, wünschen, dass dieser ersten elektrischen Droschke recht bald weitere folgen möchten, so dass wir in absehbarer Zeit in dem öffentlichen Drosch­ken­wesen nur noch, oder doch zum großen Teil, automobilen Gefährten begegnen.

Da die erste elektrische Droschke Berlins zweifellos auch für weitere Kreise Interesse hat, so möchten wir in Folgendem einiges über die Konstruktion dieses Elektromobils bringen.

Die Verkehrspolizei von Berlin schreibt für die öffentlichen Droschken ganz bestimmte Maße für die einzelnen Teile des Wagens vor. Der Konstrukteur einer für das öffentliche Fuhrwesen Berlins bestimmten automobilen Droschke hat sich vollständig an diese vorgeschriebenen Maße zu halten und ist daher in der Unterbringung des mechanischen Teiles des Wagens sehr beschränkt. Um diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, wär es das Naheliegendste, vorhandene Droschken für Pferdebespannung in solche für elektrischen Betrieb umzuwandeln. Selbstverständlich hat auch die Ausführung dieser Idee ihre Schwierigkeiten, und es haben die nach dieser Richtung hin angestellten Versuche, so weit sie die Umwandlung von Fahrzeugen in elektrische Automobile betreffen, unseres Wissens nur in dem jetzt für Berlin angewandten System praktische Resultate gezeitigt.

Dieses System beruht auf dem Patent des Direktors Hellmann von der Berliner Maschinenfabrik Henschel & Co. in Charlottenburg, welche letztere die Ausführung dieses neuen Systems übernommen hat. Dasselbe unterscheidet sich wesentlich von den bisher bekannten Konstruktionen. Sein Hauptvorzug besteht vor allem darin, dass die Antriebsmotoren an beliebiger Stelle des Wagens angebracht werden können, ein Vorzug, welcher hauptsächlich eine das Auge nicht verletzende äußere Ausstattung des in ein Automobil umgebauten Gefährts ermöglicht. Man kann auf diese Weise den Motor im Wagenkasten oder sonst irgendwo platzieren, wo er auf das Auge nicht störend wirkt. Bei der vorliegenden Taxa­meter­droschke liegen die beiden Elektromotoren unter dem Kutschersitz in der dort befindlichen halbrunden Aussparung. Die beiden Motoren treiben von hieraus mit je einer biegsamen Welle, welche nach ganz neuem patentierten Verfahren hergestellt wird und für sehr große Kraftbeanspruchungen geeignet ist, je ein Hinterrad mittelst Kette und Kettenrad an. Auf diese Weise wird zunächst das Differentialgetriebe vermieden, dann aber auch die Möglichkeit einer Reserve gegeben. Die Schaltung der Motoren im Kon­trol­ler ist derartig eingerichtet, dass jeder Motor für sich den Wagen antreiben kann, wenn der eine oder andere defekt werden sollte, natürlich mit entsprechend reduzierter Fahrtgeschwindigkeit. Die biegsamen Wellen sind in Rollenlagern gelagert, und der Nutzeffekt dieser Übertragung ist bedeutend höher als die Übertragung mit Zahnrädern.

Die Motoren sind vollständig eingekapselt, also staub­sicher, und haben bei einer Spannung von etwa 85 V eine Tourenzahl von 1100 U/min. Sehr wesentlich ist die eigenartige Lagerung des Zapfens für das kleine Kettentriebrad, da diese ein vollständig stoß­freies Anfahren des Wagens gestattet, und die Antriebselemente hierdurch möglichst geschont werden. Elektrische Droschke Durch das Zwischenglied, die biegsame Welle W ist es möglich gemacht, die Motoren M fest mit dem federnden Wagenkasten zu verbinden, da die biegsame Welle den Schwingungen des Wagens folgt. Um die alte Federung des Wagens benützen zu können, hat man in die Ekliptik­federn Spiralfedern, aus 15 mm starken Stahl gewunden, hineingesetzt. Die Akkumulatorenbatterie B, welche von der Hagener Akku­mula­toren­fabrik AG geliefert wurde, ist in einem besonderen Kasten unter der Droschke aufgehängt, und kann in 2 – 3 Minuten abgehängt, und gegen einen. neuen Kasten mit frisch­gefüllter Batterie umgetauscht werden. Diese schnelle Auswechselung der Batterien ist natürlich sehr wesentlich und es wurde bei der Konstruktion des Kastens hierauf besonderes Gewicht gelegt. Die Lenkung des Wagens erfolgt mittelst Handrad, welches den Zahnkranz des Drehschemels betätigt. Der Drehschemel läuft in Kugellagern, wodurch die Lenkung eine leichte und sichere wird. Der Wagenlenker betätigt das Steuerrad mit der rechten Hand, so dass er die linke Hand für den Hebel des Kon­trol­lers, welch letzterer sich vorn auf dem Kutschersitz befindet, frei hat. Die Bremsung des Wagens muss naturgemäß bei einem derartigen Gefährt eine sehr sichere sein, und es kann der Wagen sowohl elektrisch wie mechanisch gebremst werden. Die mechanische Bremse wird durch einen Fußtritt betätigt. Es geschieht die mechanische Bremsung hierdurch gleichzeitig am Motor sowohl, wie auch an dem Radkranz der Hinterräder. Von den Motoren leistet jeder 2 PS bei ca. 1100 U/min und es haben dieselben ein Gewicht von zusammen 100 kg. Die Akkumulatorenbatterie hat eine Kapazität von ca. 60 – 70 Ah und reicht für eine Fahrt von 30 – 40 km aus. Da die Auswechselung der Akkumulatoren schnell vor sich geht, so dürfte diese Kilometerzahl für Berliner Verhältnisse genügen.

Die Batterie besteht aus 44 Zellen, so dass die Motoren mit einer Spannung von 80 – 90 V arbeiten. Die erforderlichen Widerstände sind in dem Kasten unter dem Kutschersitz angebracht, ferner befindet sich vorne an dem Wagen, mit dem Fuß erreichbar, der Kontakt zur Betätigung des elektrischen Warnsignals. Das Gewicht des Wagens ist unbesetzt 1250 kg; der Wagen fasst exkl. Führer 5 Personen. Die Räder tragen Vollgummi von 70 mm Breite, und es bewähren sich diese für die genannte Last anscheinend sehr gut. Die maximale Geschwindigkeit des Wagens ist etwa 18 km/h und ist dem Berliner Drosch­ken­verkehr angepasst. Die durchschnittliche Geschwindigkeit, welche in Berlin mit derartigen Droschken erreicht wird, dürfte zwischen 12 km/h und 14 km/h liegen.

• Auf epilog.de am 27. April 2025 veröffentlicht

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