Verkehr – Transport
Der elektrische Aufzug
Elektrotechnische Zeitschrift • November 1880
Die Kraftübertragung durch dynamoelektrische Maschinen hat in dem von der Firma Siemens & Halske in Mannheim ausgestellten Aufzug (Lift) für Personen eine neue Anwendung gefunden, die von großer Bedeutung zu werden verspricht. Aufzüge von Personen, wie sie in großen Hotels und Geschäftslokalen häufig eingerichtet werden, um den Gästen die Mühe und den Zeitaufwand des Treppensteigens zu ersparen, werden bisher fast ausnahmslos hydraulisch eingerichtet. Seilaufzüge, wie sie zur Hebung von Waren usw. allgemein benutzt werden, erachtet man als nicht sicher genug für die Personenbeförderung. Der hydraulische Aufzug ist aber sehr kostspielig in der Anlage und häufig kaum ausführbar, da er die Einsenkung eines Druckrohres von gleicher Tiefe wie die größte Höhe der beabsichtigten Hebung bedingt. Auch der Betrieb solcher hydraulischen Aufzüge ist gewöhnlich sehr kostspielig, da jede einzelne Hebung die Füllung des Druckrohres mit unter hohem Druck stehendem Leitungswasser erfordert.

Der elektrische Aufzug soll nun diese Mängel des hydraulischen Aufzuges beseitigen, ohne eine geringere Sicherheit wie dieser darzubieten. Er beruht auf der Kraftübertragung durch dynamoelektrische Maschinen. Das geringe Gewicht einer solchen Maschine im Vergleich mit ihrer Arbeitsleistung gestattet, die Maschine auf den durch sie zu bewegenden Fahrstuhl zu setzen und ihr durch Drahtleitungen den bewegenden elektrischen Strom zuzuführen. Die Einrichtung kann also in der Weise getroffen werden, dass die Maschine an einer festliegenden Leiter oder Zahnstange gleichsam hinaufklettert und den an ihr befestigten Fahrstuhl mitnimmt. Dieser feststehenden Leiter oder Zahnstange kann man jede gewünschte Festigkeit geben, so dass eine Gefahr ihres Bruches ganz ausgeschlossen ist. Bei sehr hohen Aufzügen kann man die Zahnstange auch an den Wandungen des Gebäudes oder Schachtes beliebig oft befestigen, so dass sie sich nicht in der ganzen Länge selbst zu tragen braucht.
Der erste derartige Aufzug, der von Siemens & Halske in der Mannheimer Industrieausstellung ausgestellt wurde, und der dazu diente, das Publikum auf einen Aussichtsturm von ungefähr 20 m Höhe emporzuheben, ist nach diesen Grundsätzen gebaut. Die Zahnstange L ist, wie die vier zugehörigen Abbildungen erkennen lassen, hier eine aus Stahl bestehende Leiter, deren Wangen aus dreifachen Stahlblechen von etwa 5 mm Dicke und 60 mm Breite bestehen, die derartig miteinander vernietet sind, dass immer mindestens die volle Tragfähigkeit zweier Bleche in jeder der beiden Wangen zur Geltung kommt. Die beiden Wangen sind durch vernietete Sprossen aus Rundstahl von 15 mm Dicke miteinander zu einer leiterartigen Zahnstange verbunden. Die Sprossen haben einen Abstand von 35 mm, von Mitte zu Mitte gemessen. Diese Leiter L reicht in senkrechter Lage von der Höhe des Aussichtsturmes zum Boden und ist oben und unten an starken Balken sicher befestigt. Die Leiter geht durch die Mitte des Fahrstuhls, unter welchem sich, von einem sie rings umschließenden Holzkasten H umgeben, die Dynamo-Maschine befindet.
Abb. 2. Die Achse dieser Dynamo-Maschine endet in einer Schraube ohne Ende S, die zwei Zahnräder R₁ und R₂ dreht, welche von beiden Seiten in die Sprossen der Leiter eingreifen. Ein auf dem Fahrstuhl befindlicher Hebel h ist mit einem Stromschalter derartig verbunden, dass bei der mittleren Stellung des Hebels die Stromleitung unterbrochen ist, während die Hebelstellungen nach rechts oder links bewirken, dass die Dynamo Maschine und mit ihr die treibende Schraube ohne Ende in dem einen oder anderen Sinne rotieren, den Fahrstuhl mithin auf- oder abwärts bewegen. Durch passende Einrichtungen wird bewirkt, dass sich diese Umschaltung selbsttätig an jedem Endpunkte der Hebung bzw. Senkung vollzieht.
Die Ganghöhe der treibenden Schraube ist so klein, dass ein Hinabschnellen des Fahrstuhles bei Unterbrechung des Stromes nicht eintreten kann. Um jedoch die Arbeit der Hebung der Last des Fahrstuhls und der Dynamo-Maschine zu ersparen und die Arbeitsleistung der Dynamo-Maschine beim Auf- und Niedergang des Fahrstuhls annähernd gleichzumachen, ist der Fahrstuhl und seine mittlere Belastung durch ein Gegengewicht, welches an zwei Drahtbandseilen D hängt, ausgeglichen. Das andere Ende der beiden, über zwei Rollen am oberen Ende des Aussichtsturmes laufende Drahtseile ist an dem Fahrstuhl befestigt. Diese Drahtseile und die Zahnstange selbst finden gleichzeitig Verwendung als Leiter der Elektrizität, indem sie die primäre und sekundäre Dynamo-Maschine miteinander leitend verbinden.
Abb. 1 zeigt den Fahrstuhl in seiner höchsten Stellung auf der Höhe des Aussichtsturms, Abb. 2 gibt ihn in seiner tiefsten Stellung, im Begriff seine Bewegung nach oben anzutreten;
Abb. 3. Abb. 3 erläutern die Anordnung der unter dem Fahrstuhl angebrachten dynamoelektrischen Maschine M, der von ihr getriebenen Schraube ohne Ende S, sowie der beiden in die Leiter L eingreifenden Zahnräder R₁ und R₂. Die Leiter L wird von zwei Paar, oberhalb und unterhalb des Fahrstuhls angebrachten Rollen berührt, welche den Strom aus der Leiter L der Maschine M zuführen.
Durch den beschriebenen elektrischen Aufzug sind in den wenigen Wochen seiner Tätigkeit in der Mannheimer Ausstellung etwa 8000 Personen ohne jede Störung auf den Aussichtsturm gehoben und wieder hinab befördert worden. Die Geschwindigkeit betrug etwa 0,5 m/s.
Als Vorzüge dieses Systems vor dem hydraulischen lassen sich namentlich die verhältnismäßig billige Herstellung und leichte Aufstellung sowie der billige Betrieb anführen: Dies gilt namentlich dann, wenn ein Motor zum Treiben der primären Dynamo-Maschine bereits vorhanden ist, oder wenn sich mehrere benachbarte Auszugsbesitzer zur Einrichtung einer gemeinsamen Maschinenanlage zum Betrieb derselben vereinigen.
Zur Hebung von Gütern, Baumaterialien usw., bei welcher absolute Sicherheit nicht, wie bei der Personenbeförderung, erste Bedingung ist, wird man sich der oben beschriebenen Hebungseinrichtung außer etwa bei Hebungen auf sehr bedeutende Höhen, wohl nicht bedienen und statt derselben die Hebung durch Drahtseile verwenden. Es wird aber in vielen Fällen sehr zweckmäßig sein, elektrische Transmission zur Drehung der Seiltrommeln zu verwenden. Namentlich bei Bauten und anderen Hebeeinrichtungen für vorübergehenden Gebrauch wird die elektrische Krafttransmission der Einfachheit und Leichtigkeit der Einrichtung und Aufstellung wegen sich häufig als sehr vorteilhaft erweisen.
• Dr. Siemens