Verkehr – Eisenbahn
Die Eisenbahn von Dublin nach Kingstown
Pfennig Magazin • 20.8.1836
Unter den auf den britischen Inseln ausgeführten und begonnenen Eisenbahnen ist die seit 1833 zwischen Dublin und dem Hafenort Kingstown angelegte, hinsichtlich der Anlage und der Ausführung eine der vorzüglichsten und in Beziehung auf Irland, als der Anfang neuer Verbindungswege zur Beförderung des inneren Verkehrs, von großer Wichtigkeit. Der Boden der Insel ist reich und fruchtbar. Das Land hat viele Quellen des Reichtums, aber Armut wohnt in den Hütten der Landleute, die den Boden anbauen oder das Rindvieh auf den grasreichen üppigen Triften hüten. Oft herrscht Hungersnot in Gegenden, die sich durch Fruchtbarkeit und natürliche Hilfsmittel auszeichnen. Die nächste Ursache dieser unglücklichen Verhältnisse, außer den politischen und moralischen Ursachen, welchen nur verbesserte Staatseinrichtungen und höhere Volksbildung entgegenwirken können, ist der Mangel an richtig geleiteter Industrie unter der zahlreichen Volksmenge. Es fehlt an Manufakturen und Fabriken, oder sie sind nur auf einzelnen Punkten, wie im nördlichen Irland die Leinwandmanufakturen, zerstreut. Der Ackerbau steht, gegen England und Schottland, noch auf einer tiefen Stufe, und hat sich erst in neueren Zeiten in einigen Gegenden gehoben.
Diesen Übeln abzuhelfen, kann nichts wirksamer sein, als die Herstellung bequemer, wohlfeiler und schneller Verbindungswege zwischen den einzelnen Teilen des Landes und zwischen dem Binnenland und den trefflichen Häfen der Insel. Wird die Insel mit Eisenbahnen durchschnitten, welche die fruchtbarsten Bezirke berühren und in den bedeutendsten Seehäfen endigen, werden von diesen Hauptlinien Seitenbahnen zu den benachbarten Städten, zu Bergwerken, Kohlengruben und anderen durch natürliche Hilfsmittel wichtigen Punkten geführt, so muss die Kraft des Volkes einen neuen Aufschwung nehmen. In verschiedenen Gegenden werden Warenniederlagen entstehen, Märkte angelegt werden und der Ackerbauer und der Viehzüchter finden erleichterte Gelegenheit, ihre Erzeugnisse zu verkaufen und ihre Bedürfnisse zu beziehen. Irland ist bei seiner zahlreichen Bevölkerung und bei der Wohlfeilheit der Arbeit ganz zu Manufakturen geeignet und ihre Entstehung wartet nur auf die Beförderung des binnenländischen Verkehrs.
Steinkohlen und andere Bedürfnisse sind wohlfeil herbeizuschaffen, und bei wohlfeiler Feuerung werden bald Maschinen die Tätigkeit der Menschenhände unterstützen und die Arbeitskräfte unendlich vermehren. Ein großer Teil der Insel, jetzt abgeschnitten oder unzugänglich, wird aufgeschlossen werden, der Wert des Landeigentums steigen und bequeme Häuser werden sich erheben statt der elenden Hütten, wo jetzt der dürftige Landbauer und seine Familie mit seinen Haustieren einen engen schmutzigen Raum teilt, und mit belohnter Arbeitslust und steigender Wohlhabenheit wird ihr nie fehlendes Gefolge, Gesittung und höhere Bildung, über Irlands grüne Gefilde sich verbreiten. Geldmittel, Einsicht und Unternehmungsgeist sind vorhanden, aber jetzt gebunden, und es fehlt nichts, die Insel zu dem blühendsten Teil des britischen Reichs zu machen, als, neben den bessern Staatseinrichtungen, die vorbereitet werden, Selbstvertrauen und Verbreitung von Kenntnissen, die grade von den neuen Verbindungsmitteln, auf welche jetzt die Aufmerksamkeit gerichtet ist, erwartet werden dürfen. Wird vollends der großartige Entwurf, die Verbindung zwischen Europa und Amerika über Irland anzuknüpfen, wovon wir hier gesprochen haben, auf irgendeine Art ausgeführt, so lassen sich die Vorteile, die daraus für Irlands Gedeihen hervorgehen werden, kaum ermessen.
Diese Hindeutungen auf den gegenwärtigen Zustand und auf die Bedürfnisse des Landes werden dazu dienen, zu zeigen, wie wichtig das Unternehmen sei, mit welchem wir unsere Leser näher bekanntmachen wollen, wenn es auch nur der Anfang größerer Entwürfe ist. Die neue Eisenbahn verbindet Dublin längs der Küste mit dem Hafenort Kingstown, früher ein Dorf, das seinen alten Namen Dún Laoghaire mit jenem (Königsstadt) vertauscht hat, zum Andenken der Landung Georg IV. 1821, die ein Granitobelisk an der Küste verewigt. [1921 wurde die Stadt wieder in Dún Laoghaire zurück benannt] Der Hafen wurde 1817 begonnen und ist so tief, dass eine Fregatte von 36 Kanonen oder ein Indienfahrer von 100 Tonnen Schutz findet, und bei zweistündiger Flut das Wasser tief genug für ein Schiff von 74 Kanonen ist. Der Ausgangspunkt der Bahn ist Dublin mit seiner prächtigen Bucht, die nördlich von der Halbinsel Howth, gegen 10 km von der Stadt entfernt, und südlich von der kleinen Felseninsel Dalky, die ein schiffbarer Kanal vom Festland trennt, begrenzt ist. Die Breite der Bucht zwischen beiden Punkten ist 10 km. Die Küste ist auf der Nordseite meist niedrig, aber mit Häusern besät, einzeln oder in Gruppen am Ufer, von welchem ein reizendes Gelände mit Wald und Landhäusern ansteigt.
Die Bahn, bei welcher seit dem Anfang der Arbeiten täglich gegen 2000 Menschen beschäftigt waren, hat 1 200 000 Taler gekostet, ist in allen Teilen vortrefflich ausgeführt, durch den Verein der Unternehmer mit anderen Anlagen verbunden, welche die Annehmlichkeit der Fahrt erhöhen und dadurch den Personenverkehr vermehren werden. Die Entfernung zwischen beiden Punkten beträgt ungefähr 15 km, die in 40 Minuten zurückgelegt werden. Die Eingangsstation ist im Stadtteil Westland-Row, mit bequemen Einrichtungen für die Aufnahme der Reisenden, die ein zierliches eisernes Obdach schützt. Aus verschiedenen Teilen der Stadt gehen Omnibusse, um die Reisenden zum Stationshaus zu bringen, und zwar jede eine halbe oder Viertelstunde, und ebenso auf anderen Teilen der Bahn. Vom Ausgangspunkt an liegt die Bahn, um den Straßenverkehr der Stadt nicht zu stören, gegen 6 m über der Oberfläche und geht in flachen elliptischen Bögen über mehre Straßen. Die Bahn ist hier zwischen den Brustwehren gegen 18 m breit und für vier Bahnlinien eingerichtet, von welchen die beiden mittleren für Reisende hin und zurück und die äußern für Güterwagen bestimmt sind, welche auf- und abladen können, ohne den Personenverkehr zu stören. Die Bahn führt dann über die Kais und einen Teil der Docks auf einer Granitbrücke von drei Bögen eigentümlicher Bauart. Einer dieser Bögen ist für eine künftige, den Docks parallel laufende Straße bestimmt. Eisenbahn von Dublin nach Kingstown. Weiterhin nimmt die Bahn bis auf 9 m ab und hat nur zwei Bahnlinien, die jedoch 2½ m voneinander liegen. Jenseits einer schönen Brücke über den Fluss Dodder kommt die Bahn in das offene Land, und alles Mauerwerk hört nun auf; eine Rasenböschung bezeichnet ihre Grenzen auf jeder Seite, von einer doppelten Hecke eingefasst. Von Old Merrion bis Black Rock läuft die erhöhte Bahn über den Strand und erscheint bei hohem Wasser wie ein langer in das Meer gehender Hafendamm. Das durch die Bahnanlage dem sandigen Strand abgewonnene Land wird von dem Grundbesitzer zu Anpflanzungen benutzt. Bei Williamstown kommt die Bahn dicht an das Ufer des Meeres. Bei Black Rock lässt der Verein der Unternehmer schöne Bäder auf der äußeren Seite des Bahndammes anlegen. Von Black Rock bis Kingstown verändert sich die Ansicht der Bahn immer; Mauern auf der Landseite, offene Aussicht gegen das Meer. Unweit Black Rock geht sie zwischen zwei Granitpavillons auf dem Landsitz des Lords Cloncurry durch einen Tunnel, dann durch einen 12 m tiefen Felsendurchschnitt unter einer Brücke, welche die Anlagen eines Landsitzes verbindet. Sie läuft bei Sea Point längs der Seebadanstalt, weiter durch einen tiefen Felseneinschnitt, dann unter hohen Klippen nach Salthill, wo ein prächtiger Gasthof eingerichtet wurde. Von hier zieht sich die Bahn über einen Teil des alten Hafens von Dún Laoghaire, der aufgefüllt wurde, zu dem neu erbauten prächtigen Kai und Landungsplatze für die Dampfboote, so dass die Reisenden beim Aussteigen aus dem Dampfwagen sogleich in die Boote gehen können.
Sechs Dampfwagen mit trefflicher Maschinerie gehen auf der Bahn. Die Wagen für die Reisenden sind von dreierlei Art, und selbst die geringeren der dritten Klasse besser als in England. Alle sind bedeckt. Man hat die Absicht, die Bahn zunächst nach Bray zu führen, wohin von Kingstown der Weg meist durch ein reizendes Tal geht.