Verkehr – Eisenbahn
Eisenbahn-Fahrraddraisine
Illustrirte Welt • Februar 1896
Die neue Fahrrad-Draisine, die in der letzten Zeit bei dem Chef der Eisenbahngendarmerie auf dem baltischen Bahnhof in St. Petersburg in Anwendung ist, wurde nach dem Plan des Chefs vom Ingenieur Rennkuhl konstruiert. Der Apparat eignet sich ausgezeichnet für verschiedene Extraausfahrten auf der Eisenbahnlinie, indem er keine Nebenhilfe braucht, um in Bewegung gesetzt zu werden. Der letzte Umstand spielt eine sehr wichtige Rolle im Gendarmeriewesen überhaupt, besonders aber auf der baltischen Bahn, wo gewöhnlich viele kaiserliche und fürstliche Personen zu fahren pflegen. Das Gewicht der Draisine beträgt 62 kg. In nötigen Fällen kann sie der Fahrende unmittelbar selbst leicht von dem Geleise abnehmen. In Bewegung wird dieses Fahrrad mittelst zweier Hand- und Fußhebel gesetzt, das Anhalten geschieht aber mit großer Schnelligkeit durch einfache Biegung des in der Mitte befindlichen Sperrgriffes. Veloziped-Draisine der russischen Eisenbahn-Gendarmerie. Die Fahrrad-Draisine bewegt sich mit Schnelligkeit von 15 km/h, auf gesenkten Flächen aber noch schneller. Am hinteren Teil des Fahrrades befindet sich ein Kasten für verschiedene Instrumente, für Schmier- und Schreibmaterial; an ihm kann auch der Paletot des Cyclisten befestigt werden. Das Sitzen auf diesem Fahrrad ist sehr bequem, verlangt aber unbedingt eine gewisse Festigkeit, den Körper stets entsprechend dem Schwerpunkt zu halten. Die Weichen kann bis jetzt die Fahrrad-Draisine, wegen zweier Spurkränze auf den großen Rädern, leider nicht passieren. Die ganze Bahnstrecke, die ein kaiserlicher Zug zu passieren hat, wird bereits mehrere Tage vor dessen Abgang durch daselbst aufgestellte Soldaten untersucht und darauf streng bewacht. Um besser beobachten zu können und eventuell jede Gefahr von außen her rechtzeitig zu beseitigen, stehen die Soldaten, auch beim Passieren der kaiserlichen Züge, mit dem Rücken gegen die Schienen gewendet. Von Zeit zu Zeit kontrolliert ein jeder Offizier die Mannschaften und die ihm zugeteilte Bahnstrecke und erfolgt die letzte Revision stets eine halbe Stunde vor Passieren des Zuges.
Auf unserem Bild sehen wir den Chef der Peterhofschen Eisenbahngendarmerieabteilung, den Rittmeister J. W. v. Gorlenko, und einige Gendarmerieunteroffiziere, die auf Wunsch der auf dem Eisenbahnkongress zu St. Petersburg anwesenden Stellvertreter Frankreichs fotografiert wurden.
Augenblicklich ist Gorlenko mit der Fahrradfabrik Götz in Verbindung eingetreten, um möglichst alle nötigen Vervollkommnungen in der Fahrrad-Draisine zu befördern. Vor allem will man sich bestreben, das Gewicht des Fahrrades zu verringern, die Möglichkeit, die Weichen zu passieren und die Schnelligkeit von 30 km/h zu erreichen. Die Firma Götz hat schon die nötigen Wege zu diesem Ziele gefunden und bemüht sich zurzeit, auf ihre neu konstruierte Draisine ein Patent zu erhalten. Der Preis für diese neue Draisine verspricht ziemlich mäßig zu werden.
• A. F. M.