VerkehrSchifffahrt

Eine schwimmende Brücke

Prometheus • 24.10.1894

Der auf verhältnismäßig beschränktem Raume sich abwickelnde ungeheure Verkehr der großen englischen Handelsmetropolen hat für seine Bewältigung den schaffenden Geist des Ingenieurs die verschiedenartigsten Lösungen finden lassen. Im Inneren der Erde und hoch über den Wohnungen der Menschen nimmt das Dampfross seinen Weg, die breitesten Flüsse und Meeresarme überspannen kühn geschwungene Brücken, überall wo der Strom des Verkehrs sich hingewendet, sind die ihm entgegenstehenden natürlichen Hindernisse beseitigt. SeitenansichtSeitenansicht. Aber die sich stetig ändernden Verkehrsverhältnisse machen neue Wege erforderlich, und da wo eng bebaute Städte, unüberbrückbare Ströme scheinbar unüberwindliche Hindernisse entgegensetzen, gilt es, ganz neue Verbindungen mit ganz neuen Mitteln zu schaffen.

Ein aus solchen eigentümlichen Verkehrsverhältnissen entstandenes Verkehrsmittel führen wir unseren Lesern in den Abbildungen vor, das in seiner originellen Ausführung wohl einzig dasteht.

Die engen Verhältnisse, die im Hafen von Glasgow herrschen, ließen die Erbauung einer Brücke, die der mächtig entwickelte Verkehr dringend erheischte, nicht zu. Die Ufer des Clyde sind an beiden Seiten bis an den Strom mit Warenhäusern und Speichern besetzt, die Zufahrtsstraßen zum Ufer eng, so dass die Erbauung einer Brücke in so großer Höhe, um die Masten der Seeschiffe passieren zu lassen, unmöglich wurde.

Dazu kommt, dass die ungleich hohen Ufer des Clyde und der außerordentlich starke Unterschied des Ebbe- und des Flutstandes auch die Anlage von Fähren, die zum Transport großer Frachtwagen und Eisenbahnfahrzeuge hätten dienen können, unmöglich machten, weil die Neigung der schiefen Ebenen, die zur Verbindung der Fähren mit den Ufern notwendig gewesen wären, bei dem stark wechselnden Wasserstand des Clyde zu groß hätte werden müssen, um von schweren Lastwagen benutzt zu werden. Aus diesen lokalen Schwierigkeiten, zu deren Überwindung jedes bis dahin benutzte Hilfsmittel nicht anwendbar erschien, ging die eigentümliche Konstruktion der schwimmenden Brücke hervor, die seit zwei Jahren im Betrieb ist.

Die Brückenplattform, auf welcher zu gleicher Zeit zehn beladene Frachtwagen mit Bespannung sowie 300 Passagiere Platz finden, befindet sich auf einem Fahrzeug von 28 m Länge und 14 m Breite. QuerschnittQuerschnitt. Die Plattform, die sich über die ganze Schiffslänge erstreckt, lässt sich durch sechs Stahlschrauben um eine Höhe von 5 m heben und senken, so dass sie für jeden Wasserstand in die Höhe des Ufers gebracht werden kann; die Hebung und Senkung lässt sich mit Leichtigkeit selbst bei voller Belastung bewerkstelligen. Bei Ebbe wird die Plattform gehoben, bei Flut gesenkt.

Die Fortbewegung geschieht durch zwei Drei­fach-Expan­sions­maschi­nen, von denen jede zwei Schrauben treibt, so dass im Ganzen vier Schrauben vorhanden sind und ein Drehen des Fahrzeugs nicht erforderlich ist.

Der Aufenthalt der Passagiere befindet sich an beiden Seiten der Plattform, während die Lastwagen in der Mitte stehen.

Außer der Schnelligkeit und Billigkeit im Transport von Menschen, Gütern und Wagen wird vor allem der Einbau von Brückenpfeilern vermieden, die stets hemmend auf den Wasserverkehr wirken, besonders bei nicht breitem Fahrwasser, und außerdem ist der nicht zu unterschätzende Vorteil vorhanden, dass ja die schwimmende Brücke nicht an eine bestimmte Stelle zur Verkehrsvermittelung gebunden ist, sondern dort in Tätigkeit treten kann, wo der Verkehr ihrer bedarf. Zum Betrieb dieses Fahrzeugs wollen wir noch bemerken, dass es den ganzen Tag ununterbrochen mit fünf Minuten Liegezeit an jedem Ufer in Tätigkeit ist, und dass Überfahrtsgeld nicht erhoben wird.

• Auf epilog.de am 17. Oktober 2024 veröffentlicht

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