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Eine neue Stufenbahn

Das Neue Universum • 1900

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
StufenbahnAbb. 1.

Das System der Stufen- oder Platt­form­bahn, das heißt die Idee, mehrere bewegliche Plattformen nebeneinander mit steigender Geschwindigkeit zu befördern, so dass man von einer auf die andere treten und diese eigentümliche Eisenbahn an jedem Punkt besteigen und wieder verlassen kann, hat bisher nur auf einigen Ausstellungen seine Verwirklichung in beschränktem Maßstab gefunden. Auf der Pariser Weltausstellung von 1889, in Chicago im Jahr 1893, auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 konnte man sich von den Vorzügen und Nachteilen dieser Stufenbahnen überzeugen.

Auf der Ausstellung zu Berlin, wo die endlose Bahn auf einem hohen Pfeiler­gerüst in verschiedenen Schleifen den sogenannten Vergnügungspark mit ›Alt-Berlin‹ verband und sogar eine öffentliche Chaussee überschritt, bestand sie aus zwei endlosen und in sich selbst zurückkehrenden hölzernen Plattformen, von denen die erste etwa die Geschwindigkeit eines Fußgängers besaß und am Rande mit Pfosten besetzt war, die das Aufsteigen erleichterten. Die zweite eine Stufe höher liegende Plattform bewegte sich mit der doppelten Geschwindigkeit, war indessen von der ersten aus ebenso leicht zu ersteigen. Beide Plattformen liefen auf gesonderten Schienensträngen und wurden elektrisch angetrieben. Bewegliche PlattformenAbb. 2. Die beweglichen Plattformen der Pariser Stufenbahn. Zur Bewegung der ganzen 400 m langen Bahn gebrauchte man 150 PS. Durch eine solche Stufenbahn wurde nun auch auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung wieder ein Teil des Verkehrs auf dem Ausstellungsplatz bewältigt. Wie unsere Abbildungen und besonders Abb. 1 zeigen, handelt es sich auch hier wieder um eine Bahn mit einer festen und zwei beweglichen Plattformen, die auf einen eisernen Unterbau von 2 – 2½ m Höhe verlegt sind. Die Gesamtausdehnung ist ein wenig größer als die der Berliner Stufenbahn, vor allem aber ist die Einrichtung zum Antrieb eine bedeutend einfachere als bei allen früheren Versuchen. Auch hier bewegt sich die untere von den beiden beweglichen Plattformen mit einer Geschwindigkeit von 4 km/h, und mit Hilfe der alle 6 m darauf befestigten sich mit­bewegenden Pfosten ist es leicht, sie von der ruhenden unteren Plattform, die wir uns in Abb. 2 entfernt denken, zu besteigen. Ebenso leicht ist es aber dann, von der 4 km/h-Stufe auf die höchste mit 8 km/h fortgleitende Plattform zu treten, da die Differenz zwischen der Geschwindigkeit beider wiederum nur 4 km/h oder ein mäßiges Fuß­gänger­tempo beträgt.

Abb. 3 lässt uns den Bewegungsmechanismus deutlich erkennen. Die ruhende Plattform auf der rechten Seite ist mit dem Unterbau durch zwei feste Gitterträger verbunden, die mittlere langsam bewegte Stufe stützt sich durch kleine Laufräder auf ein Schmalspurgleis. AntriebsvorrichtungAbb. 3. Antriebsvorrichtung der Pariser Stufenbahn. Die breitere, links sichtbare und am schnellsten bewegbare Stufe ruht auf einem breiteren Schienenweg. Diese kleinen Lauf- und Stützräder dienen indessen nicht dem Antrieb, vielmehr stützen sich beide Plattformen noch auf je eine dritte, fest mit ihnen verbundene Schiene E D, und diese Schienen liegen auf den Rollen C B. Die gemeinsame Achse dieser Rollen wird durch einen Elektromotor in Rotation gesetzt, und zwar so, dass der Umfang der kleineren Rolle C einen Weg von 1,1 m/sec, derjenige der doppelt so großen Rolle B also auch den doppelten Weg zurücklegt. Das entspricht einer stündlichen Bewegung von 4 km bzw. 8 km. Ein solches System von Motor und Antriebswelle liegt nun je in 25 m Entfernung unter den Tragschienen der Stufenbahn, so dass in Wirklichkeit 20 Motoren genügen, um die beiden 500 m langen Plattformen in unausgesetzter Bewegung zu halten. Dass die Reibung zwischen den Antriebsrollen und den Stützen oder Trägern E und D wirklich genügt, um die Plattformen mitzunehmen, dafür sorgt die eigene Schwere der letzteren, welche durch die Belastung mit Menschen während des Betriebs noch vermehrt wird. Es ist vorauszusehen, dass Stufenbahnen dieses Systems bedeutend weniger Antriebskraft und Betriebskosten verursachen werden als die älteren Systeme, bei denen jeder kurze Abschnitt der Plattformen einen für sich ausgebildeten und angetriebenen Wagen bedeutete.

Entnommen aus dem Buch:
Die Aufbruchstimmung und der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert führten zu immer neuen Erfindungen, die den Verkehr beschleunigen und die Antriebe optimieren sollten. Dabei wurde oft das System von mit Dampflokomotiven bespannten Zügen auf zwei Schienen grundlegend in Frage gestellt. Manche dieser Ideen sind heute wieder aktuell, und so lohnt sich ein unverfälschter Blick auf dieses interessante Kapitel der Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 148 Seiten | ISBN: 9-783-7583-7184-4

• Auf epilog.de am 3. März 2025 veröffentlicht

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