Verkehr – Luftfahrt
Eine Ballonfahrt
Illustrirte Zeitung • 18.4.1874
Die Luftschifffahrt ist in eine neue Phase getreten. Die Wissenschaft hat sich des Ballons bemächtigt, um Beobachtungen zu machen und Untersuchungen anzustellen, für welche die Oberfläche der Erde nicht so günstig ist wie das Luftmeer in bedeutenden Höhen. Hatten schon Biot und Gay-Lussac im Jahr 1804 eine erste Anregung hierzu gegeben, so wurden regelmäßige Luftfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken doch nicht früher veranstaltet, als bis die englische Naturforscherversammlung in Leeds 1858 einen Plan aufstellte, nach dem vorgegangen werden sollte. Man hat dabei interessante Beobachtungen gemacht, unter anderem die Existenz eines warmen Luftstroms ermittelt, der in einer Höhe von mehr als 6000 m und in einer senkrechten Ausdehnung von etwa 600 m aus Südwesten kommt und mithin dieselbe Richtung wie der Golfstrom des Meeres hat.
Die Franzosen sind in der Luftschifffahrt bisher voran gewesen. Dass sie vom Ballon auch einen recht praktischen Gebrauch zu machen verstehen, haben sie bei der Belagerung von Paris gezeigt. Im vollen Ernst wird von französischen Zeitungen jetzt der Vorschlag gemacht, dem Luftschiffer die Arbeit des Feldmessers zu übertragen. Es ist notwendig, durch ganz Frankreich eine Revision der Flurbücher vorzunehmen, und da soll nun der Luftschiffer von jeder Gemarkung eine Fotografie aufnehmen, die, nachdem sie vergrößert worden ist, die genausten Nachweise geben wird. Siebentausend Meter über der Erde. Praktisch ausführbar ist die Sache, denn fotografische Aufnahmen vom Luftballon aus versteht man zu machen, aber die Kosten der Ausführung des Plans sind so groß, dass der Feldmesser doch wohlfeiler arbeitet.
Am 22. März 1874 haben Croce-Spinelli und Sivel auf Kosten der Gesellschaft für Luftschifffahrt eine Aufsteigung ausgeführt, die in mehrfacher Beziehung Interesse hat. Es wurde für diese Fahrt eine beträchtliche Quantität Sauerstoff mitgenommen, der in gutverschlossenen Gefäßen aufbewahrt und mittels einer Röhre eingeatmet wird, so dass der Mensch in Höhen ausdauern kann, wo er die für seine Lunge erforderliche Luft nicht mehr findet. Bekanntlich war die dünne Luft bisher das Haupthindernis, zu sehr bedeutenden Höhen aufzusteigen, und dieses Hindernis ist jetzt gehoben. Man vermag jetzt in Höhen von 10 000 m so lange zu verweilen, als der mitgenommene Vorrat von Luft ausreicht.
Von den Beobachtungen, welche die beiden Luftschiffer in Höhen bis zu 7000 m gemacht haben, wollen wir zwei mitteilen. 4500 m über der Erde kamen sie in eine Schicht schwebender Eiskristalle, die in der Sonne funkelten, aber so vollständig durchsichtig waren, dass sie die Klarheit des Panoramas unter dem Ballon nicht in der kleinsten Einzelheit verminderten. Ihre zweite Wahrnehmung bezieht sich auf das Sonnenspektrum. Man nimmt an demselben Streifen wahr, die auf verschiedene Art erklärt werden. Pater Secchi findet die Ursache ihrer Entstehung in wässerigen Ausdünstungen der Sonne, nach anderen entstehen die Streifen durch die Wasserdünste unserer Atmosphäre. Die letztere Ansicht ist die richtige, denn oben in der trockenen Luft war das Sonnenspektrum von allen Streifen frei.