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Ein kleiner Dampfmotor

Das Neue Universum • 1880

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.
Tysons MotorAbb. 1. Tysons Motor, eine Nähmaschine treibend.

In der Kleinindustrie und im Handwerk tritt das Bedürfnis nach schwächeren und folgeweise auch billigen Kraftquellen zur Bewegung von Maschinen und Maschinenteilen immer mehr hervor. Vielfach hat man die Kraft einer größeren Dampfmaschine geteilt und in verschiedene Werkstätten geleitet; andererseits ging aber auch das Streben vielfach dahin, durch Vereinfachung der Maschine und der Feuerung eine billige Kraft zu erzeugen, die aber noch hinreichend stark sein muss, um eine bestimmte Arbeit ausführen zu können. Die Gasmotoren waren in dieser Beziehung ein ungemeiner Fortschritt und wird derselbe immer weiter verfolgt. Aber auch für die Heißluft- und die Dampfmotoren sind Konstruktionen erfunden worden, die ohne Spielwerk zu sein, fast wie ein Spielwerk aussehen und vielfach nützliche Verwendung finden.

In Amerika findet neuerlich der Dampfmotor von Tyson nicht nur in der Kleinindustrie, sondern auch im Handwerk und in der Familie größere Anwendung. Diese Dampfmaschine ist allerdings ungemein zierlich, kann überall aufgestellt werden, bedarf keines besonderen Kamins und ist nicht explosionsfähig.

Tysons MotorAbb. 2. Ventilator, durch Tysons Motor bewegt.

Um es richtig zu sagen, gibt es eigentlich keinen Dampfmotor, der überhaupt nicht explodieren könnte. In der Praxis aber bezeichnet man als nicht explosionsfähig diejenigen Dampfmotoren, bei welchen das heiße Wasser und der Dampf unter dem angewendeten Druck nur einen sehr kleinen Raum einnehmen. Entsteht dann an einer nicht hinreichend widerstandsfähigen Stelle eine Öffnung irgendwelcher Art, so wird der Dampf wie durch einen Hahn ausströmen; der Druck wird sofort nachlassen und eine Explosion kann nicht erfolgen. Ist dagegen die Masse des gespannten Dampfes sehr groß, so wird durch eine erste Verletzung seiner Umhüllung, z. B. der Kesselwand das Gleichgewicht in derselben aufgehoben, der Dampfdruck behält nahezu dieselbe Stärke, und immer neuer Dampf wird erzeugt und so muss ein Zerreißen der Kesselwand folgen und ein Umherschleudern nicht nur der Kesselstücke, sondern auch des Dampfes und des überhitzten Wassers. Bei den kleinen sogenannten nicht explodierbaren Motoren ist dies aber nicht möglich.

Tysons Motor gehört hierher. Er ist so zierlich, dass er als Zimmerschmuck aufgestellt werden kann (Abb. 1 u. 2). Die Vase, auf welcher er ruht, und die entweder an der Wand oder irgendwo frei aufgestellt wird, ist der Brunnen, aus welchem das Wasser durch die Maschine selbst emporgepumpt und dem Verdampfungsraum zugeführt wird; nur in längeren Zwischenräumen wird der Wasserbehälter neu gefüllt. Das Maschinchen kann im Familienzimmer zum Treiben der Nähmaschinen verwendet werden oder zur Bewegung von Ventilatoren, wie sie in heißeren Gegenden beliebt sind. Es kann aber auch in der Werkstatt usw. verwendet werden. Tysons Motor im DurchschnittAbb. 3. Tysons Motor im Durchschnitt. Der Durchschnitt (Abb. 3) zeigt deutlich die einzelnen Teile und ihre Aufgabe. Durch Abb. 4 wird die kleine Skizze vollständig erläutert. Die hier abgebildete kleine Maschine erzeugt rund 24 Watt, also eine genügende Kraft für die Bewegung einer großen Anzahl von Werkzeugen und Maschinen, die oft noch eine geringere Kraft für den Betrieb erfordern.

Heizapparat des DampfmotorsAbb. 4. Heizapparat des Dampfmotors.

Die Heizung geschieht durch Gas, Petroleum oder bei größeren durch Kohlen. Der Dampf wird erzeugt in einem Spiralrohr, das in doppelter Wandung innerhalb eines Zylinders liegt.

An diesem strömt oben die Verbrennungsluft ein (Abb. 4), geht an der Außenseite herab zum Feuer, steigt wieder in der Mitte empor und die Verbrennungsgase entweichen durch ein Rohr in die Luft. Dadurch, dass ähnlich wie bei der Lokomotive etwas Dampf durch ein Seitenrohr in den Schornstein strömt, wird der Zug und damit auch die Verbrennung beschleunigt. Nur so viel Wasser kann hier erhitzt werden, als in dem Schlangenrohr Platz findet. In diesem ist auch der Dampf, der dann nach dem destillierenden Zylinder abfließt und den Kolben in Bewegung setzt. Diese wird übergetragen auf die Pumpe (Abb. 3 links), durch welche das Wasser in einen teilweise mit Luft gefüllten Behälter getrieben wird und dann von da aus in das Spiralwasser. Wird die Maschine angehalten, so drückt der Dampf das Wasser aus dem Schlangenrohr in die Luftkammer, es fließt kein Dampf mehr nach dem Schornstein ab, der Luftzug vermindert sich und das Feuer wird so schwach, dass nur noch das Dampfrohr warmgehalten wird. Setzt man die Maschine wieder in Bewegung, so findet das Umgekehrte statt. Und dabei bedarf man weder Manometer, noch Wasserstandsrohr, noch Sicherheitsventil. Es fragt sich daher noch sehr, ob trotz aller gewünschten Sicherheit der Motor von Tyson bei den strengen Gesetzesbestimmungen über Konstruktion, Aufstellung und Betrieb von Dampfmotoren Aufnahme finden wird.

• Auf epilog.de am 10. Oktober 2024 veröffentlicht

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