Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Ein deutsches Fischgut

Die Gartenlaube • 1892

Voraussichtliche Lesezeit rund 13 Minuten.

Es ist nun ungefähr ein Jahr her, dass ich gelegentlich einer Reise von Frankfurt nach Würzburg ein paar Bekannten meine Absicht äußerte, einen ›Schritt vom Wege‹ zu tun, um irgendwo interessante Eindrücke in mich aufzunehmen. Daraufhin empfahl mir der eine, in Gemünden auszusteigen und dort ›Bratwürstel aufzunehmen‹. Die seien einzig in ihrer Art, namentlich in Verbindung mit Frankenbier. Wir lachten, dann aber sagte ein anderer, der ein teilnehmender Freund meiner Naturstudien ist: »Auch ich würde Ihnen zu Gemünden raten. Ein paar Wandertage in der wenig besuchten Rhön werden Ihnen manche Beute bringen, und dann sollen sich in der Gegend große Fischzuchtanlagen befinden, wie man sie ja nur selten zu sehen bekommt. Das aber ist sicher etwas für Sie: den kleinen Fischlein zuzugucken, wie sie aus ihren Eiern herausschlüpfen.« Diese Mitteilung genügte natürlich vollständig, um mich für Gemünden zu begeistern, und so nachhaltig war die Begeisterung, dass ich jetzt, nach einem Jahre, den Seitensprung, zu dem es damals nicht kommen sollte, doch noch unternahm.

Gemünden liegt in Unterfranken, an den Abhängen des Spessart und der Rhön. Saale und Sinn fließen hier in den Main, und zwei der meist befahrenen Bahnlinien – von Süd nach Nord und von West nach Ost – kreuzen sich in der Nähe des Städtchens. Dieses selbst zeichnet sich wirklich durch seine Bratwürste und sein Bier in hervorragender Weise aus. Aber auch sonst ist es gar nicht übel, und wenn man die lange, etwas holperige Hauptstraße hinauf schreitet, sieht man die schönsten alten Häuser und auf den Stufen davor, arbeitend oder neugierig lächelnd, noch viel schönere junge Mädchen. Dazu das Gebirge, das hinter dem malerischen Gemäuer ziemlich jäh aufsteigt, die halbzerstörten Schlossmauern, die über den Dachgiebeln emporragen, und der liebliche Blick in grüne Täler und nach sanft geschwungenen, bewaldeten Höhen – das gibt ein gar trauliches Zusammenspiel, an dem man nicht gern flüchtigen Fußes vorübergeht. Aber wir wollen ja tiefer hinein in die Berge, und so wandern wir zurück nach dem Bahnhof und besteigen einen Zug der Sekundärbahn, die von Gemünden nach Hammelburg führt. Das ist so eine Art Dampfschnecke, die behaglich von Ort zu Ort schleicht – man merkt kaum, dass man weiter kommt, aber man kommt doch weiter und könnte dabei all die anmutigen Landschaftsbildchen des Saaletals mit Gemütsruhe in sein Skizzenbuch zeichnen. Endlich, nach einer guten halben Stunde, hält die Schnecke zum dritten Male. Wir sind an unserem Reiseziel, dem ›Fischgut Seewiese‹.

Aber … »was hat es denn eigentlich mit solch einem Fischgut für eine Bewandtnis?« haben nun wohl schon die meisten der Leser gefragt. »Warum züchtet man überhaupt Fische?« »Reichen die Bewohner unserer Gewässer nicht aus, um das vorhandene Bedürfnis zu befriedigen?«

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• Auf epilog.de am 2. August 2024 veröffentlicht

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