Handel & IndustrieFabrikation

Ein Blick auf die Porzellanindustrie

Das Neue Universum • 1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 18 Minuten.

Obgleich der Unterschied zwischen weißem Steingut und weißem Porzellan außerordentlich groß ist, so wird im gewöhnlichen Leben beides doch sehr häufig verwechselt und gar mancher hat auf seiner Mittagstafel nichts als Stein­gut­gerät und glaubt von Porzellan zu speisen. Im Grunde ist es freilich einerlei, wenn nur die Speisen gut schmecken und gut bekommen, aber das Gefäß spielt in gewisser Art doch auch eine nicht unwesentliche Rolle.

Porzellan und Steingut sind Tonwaren, die im nassen Zustande in irgendeiner Weise geformt und nach dem Trocknen gebrannt werden. Beide haben meist eine glänzende Glasur und können in der mannigfachsten Weise verziert werden, trotzdem aber sind die Unterschiede außerordentlich groß. Steingut ist vollkommen undurchsichtig und hat eine weiche undurchsichtige Glasur, welche die nicht geschmolzene erdige Grundmasse zudeckt, leicht Risse bekommt, auch leicht durch Messer und Gabeln verletzt wird. Die Glasur wird durch Zinnoxid undurchsichtig gemacht, enthält aber nicht selten auch Bleioxid und kann dadurch giftig werden. Durch die verletzten Stellen der Glasur dringen die gefärbten Stoffe der Speise in die Grundmasse, welche begierig Flüssigkeiten einsaugt; so entstehen dann auf alten Tellern die dunkeln Hieroglyphen, aus welchen ein Sachverständiger die Küchenzettel von Jahrzehnten herauslesen kann.

Anders das Porzellan. Da die Grundmasse ganz weiß ist, so ist keine weiße undurchsichtige Glasur nötig; diese ist vielmehr glashell durchsichtig und härter als Stahl. Beim Brennen schmilzt die Grundmasse und wird durchscheinend, die Glasur schmilzt vollständig mit derselben zusammen, und beim Abkühlen entstehen keine Haarrisse in derselben.

Der Ton, welcher zu Porzellan verarbeitet wird, heißt Kaolin und ist ein wasserhaltiges Tonerdesilikat, das durch Verwitterung von Orthoklas entstanden ist. Kaolin ist sehr weich, mild und zerreib­lich, weiß, gelblich, rötlich oder grünlich, matt und undurchsichtig, und findet sich an vielen Stellen auch Deutschlands. Außerdem aber ist zu Porzellan noch Feldspat nötig, ein in der Natur häufig auftretendes Kali-Tonerdesilikat, das in sehr hoher Temperatur zu einem farblosen durchsichtigen Glas schmilzt. Wird Kaolin mit einer kleinen Menge Feld­spat­pulver gemischt und dann stark erhitzt, so wird durch die geschmolzene Feld­spat­masse auch der Kaolin durchscheinend; dies ist dann Porzellan, das noch mit einer geschmolzenen Feldspatglasur überzogen werden kann.

Man könnte glauben, das durchscheinend werden des undurchsichtigen Kaolin durch den geschmolzenen Feldspat sei ein rein physikalischer Vorgang, wie weißes, undurchsichtiges Glaspulver durch Öl durchsichtig gemacht wird. Betrachtet man aber einen sehr dünnen Porzellansplitter unter dem Mikroskop, so erkennt man darin kleine Kristalle, die sich erst bei der chemischen Einwirkung des geschmolzenen Feldspats auf Kaolin gebildet haben.

Es ist in der Tat erstaunlich, dass eine Industrie, die noch jetzt bei fortgeschrittenen wissenschaftlichen Kenntnissen so viele Schwierigkeiten darbietet, doch schon ein Alter von ungefähr 1000 Jahren hat. Es muss uns mit Bewunderung erfüllen, zu sehen, dass asiatische Erfinder ohne chemische und mineralogische Kenntnisse nur durch zähe Ausdauer, Mut und Geduld, ein Ziel erreicht haben, das dem hochzivilisierten Westen trotz aller seiner Hilfsmittel bis in die Neuzeit unerreichbar war. Schon vor 1000 Jahren haben die Chinesen das Porzellan erfunden; manche behaupten selbst schon vor 1500 oder 1800 Jahren, doch sind die beiden letzten Angaben wenig wahrscheinlich.

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• Auf epilog.de am 21. Februar 2025 veröffentlicht

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