VerkehrSchifffahrt

Ein amphibisches Boot

Prometheus • 20.11.1895

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Das abgebildete Boot ist recht bezeichnend ein ›amphibisches‹ genannt worden, da es sich mit eigener Kraft sowohl im Wasser, als auf dem Land fortbewegt; im Wasser mittels gewöhnlicher Schiffsschraube, auf dem Land wie eine Lokomotive mittels Eisenbahnrädern auf einem Schienengleis.

Es handelte sich darum, auf den beiden nördlich von Kopenhagen liegenden Seen, dem Fure- und dem Farum-See, welche durch eine etwa 340 m breite Landenge getrennt sind, eine gemeinsame Personenschifffahrt herzustellen, die von dem einen auf den anderen See hinübergeht, ohne dass ein beide Seen verbindender Kanal gebaut werden oder ein Bootswechsel stattfinden sollte.

Amphibisches BootAbb. 1. Das amphibische Boot Svaner. Quer- und Längsschnitt.

Diese Aufgabe wurde nach den Vorschlägen des Schweden C. J. Magrell durch ein ›amphibisches Boot‹ gelöst, welches, in der Fabrik von Ljunggreen in Christian­stad erbaut, von dem Justizrat Garde in Kopenhagen und dem Ingenieur Verschow, der den beide Seen verbindenden Überlandweg für die Bootfahrt hergestellt hat, erworben worden ist. Das Boot ist 14 m lang, 3 m breit und hat etwa 1 m Tiefgang. Seine eigentümliche Verwendungsweise machte es nötig, den Rumpf stärker und fester zu bauen, als es sonst bei Booten dieser Größe üblich ist. Sein Gewicht beträgt daher 11,5 t, bei voller Ladung etwa 15 t. Amphibisches BootAbb. 2. Das amphibische Boot Svaner das Wasser verlassend. Es kann 70 Personen befördern. Seine Maschine von 27 PS treibt im Wasser eine Schraube und, sobald sich das Boot dem in das Wasser hinabreichenden Eisenbahngleis nähert, die nun eingeschaltete Vorrichtung, welche die vordere Achse mit Rädern mittelst Kettenübertragung in Umdrehung versetzt. Nur diese beiden Räder sind Triebräder, die an der Hinterachse sitzenden nur Laufräder. Die Gleisbreite beträgt 1,27 m. Die Räder sind, um leichter auf die Schienen zu kommen, sehr breit und haben doppelte Flansche. Das Schienengleis reicht noch etwa 38 m weit und so tief in das Wasser, dass bei der größten Belastung des Bootes seine Räder auf die Schienen hinaufkommen. Hier beträgt die Steigung des Gleises 1 : 25, sie vermindert sich aber bis da, wo die Schraube aus dem Wasser heraustritt und nicht mehr mitwirken kann, auf 1 : 50, eine Steigung, welche bis zum Scheitel der Landenge die gleiche bleibt und durch die Adhäsion der vorderen Triebräder allein überwunden werden kann. Das Heraustreten des Bootes aus dem Wasser wird in Abb. 2 dargestellt; man sieht, wie die schon zum Teil aus dem Wasser herausgetretene Schraube das Wasser zerstäubend aufwirft. Das Auffinden des Gleises durch die Vorderräder wird durch seitlich eingeschlagene Pfahlreihen, zwischen welche das Boot hineinfährt, erleichtert. Das Boot geht mit einer Geschwindigkeit von 60 – 75 m in der Minute die Steigung hinauf, wobei es leicht erzittert; sobald es nach dem Überschreiten der Höhe bergab geht, werden die Räder gebremst, und mit einem Aufspritzen des Wassers taucht es in den anderen See, um seinen Weg im Wasser fortzusetzen.

Das Boot wurde am 15. Juli 1895 in Dienst gestellt und hat bei täglich sechs Überlandfahrten bis Anfang Oktober gegen 20 000 Personen befördert, ohne dass ihm jemals ein ernstes Unglück zustieß, obgleich die Witterungsverhältnisse nicht günstig waren. Der bisherige Betrieb hat keinen Zweifel darüber gelassen, dass mit diesem Boote das Überlandfahren von Schiffen, mit dem schon viele Köpfe seit Jahrzehnten sich abgemüht haben, in einfacher Weise gelöst ist. Die beteiligten Techniker sind jedoch nach den gewonnenen Erfahrungen der Überzeugung, dass sich die maschinellen Einrichtungen noch wesentlich verbessern lassen. An Gelegenheit, diese Ideen zu verwirklichen, wird es nicht fehlen, da eine Erweiterung der jetzt im Betrieb befindlichen Verkehrslinie bereits in Aussicht genommen sein soll und seenreiche Länder diesem Beispiel der Überlandschifffahrt sicher bald folgen werden. An Bedeutung wird dieses neue Verkehrsmittel gewinnen, wenn es gelingt, dasselbe dem großen Frachtverkehr dienstbar zu machen.

• C. Stainer

• Auf epilog.de am 10. April 2025 veröffentlicht

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