Verkehr – Straßenverkehr
Droschken mit Fahrpreisanzeiger
Der Stein der Weisen • 1893
Solange öffentliches Fuhrwerk besteht, ist der Wunsch nach einer mechanischen Vorrichtung, welche den zu entrichtenden Betrag für die Fahrt selbsttätig anzeigt, und jeder Streitigkeit mit dem Kutscher ein Ende macht, nicht von der Tagesordnung gewichen. Weiter fehlte es aber an einer befriedigenden Lösung des Problems. Die Rosslenker stellten den Versuchen zur Einführung derartiger Vorrichtungen einen verzweifelten Widerstand entgegen, und es fanden anderwärts die Vorrichtungen bei den Fahrgästen nur geringen Anklang, hauptsächlich wohl, weil sie zu umständlich waren. Sie verschwanden daher sehr bald von der Bildfläche.
Ein besseres Schicksal ist hoffentlich dem Fahrpreisanzeiger der Taxameter-Fabrik von Westendorp und Piper in Hamburg-St. Georg beschieden. Diese Hoffnung gründet sich in erster Linie darauf, dass der Anzeiger offenbar allen Ansprüchen genügt, sodann aber, dass er bereits seit einiger Zeit in mehreren Großstädten, unter anderen in Hamburg und Berlin, im Gebrauche, und sich dort die Gunst des Publikums sehr bald erobert hat. Dies veranlasst uns, der Vorrichtung einige Zeilen zu widmen.
Der Fahrpreisanzeiger der genannten Fabrik verfolgt einen doppelten Zweck. Es wird dem Fahrgast der Fahrpreis in einem Geldbetrag angezeigt und er weiß daher sofort und ohne Mühe, wie viel er zu zahlen hat, was bei den gedruckten Tarifen, zumal wenn der Benutzer des Fuhrwerkes fremd ist, bisweilen nicht so leicht zu ermitteln ist. Anderseits wird dem Fuhrwerksbesitzer nach vollendetem Tagwerk in einer Geldsumme angezeigt, welche Einnahme der Kutscher an dem betreffenden Tag erzielt hat.
Diese Bedingungen waren, wie man sich denken kann, um so schwerer zu erfüllen, als die Verhältnisse, unter denen öffentliche Fuhrwerke fahren, sehr mannigfaltig sind. Der Fahrpreisanzeiger muss sich jedem Münzsystem und jedem Fahrtarif anpassen. Der Apparat muss sich ferner für jede Taxe einstellen lassen. Bald befördert der Fiaker ein bis zwei Personen, bald eine größere Anzahl; bald außerdem Gepäck. Die Fahrpreise sind meist in der Nacht oder auf dem Landgebiet höher. Endlich ist der Fall des Wartens des Fuhrwerkes und des Schrittfahrens, z. B. bei Festlichkeiten, zu berücksichtigen. Nur ein Wunder der Mechanik, wie das Hamburger Taxameter, konnte diesen verschiedenen Ansprüchen gerecht werden.
Wir wollen nun den Fahrpreisanzeiger an der Hand der beifolgenden Abbildungen kurz zu beschreiben suchen.
Fahrpreisanzeiger-Apparat.Der Fahrgast hat wie ersichtlich, ein Zifferblatt vor sich, welches, statt der Stunden und Minuten, den Fahrpreis in Gulden und Kreuzern, Mark und Pfennigen etc. anzeigt. Die schwarzen Zahlen bedeuten die Kreuzer, die roten dagegen die Gulden. Die Zahl in dem Ausschnitt unten rechts aber weist auf den für die Fahrt gültigen Tarif: 1 bedeutet ein bis zwei Personen bei Tag, 3 eine Nachtfahrt, und es ist die Einrichtung getroffen, dass die Zeiger um so schneller vorrücken, als die Zahl im Ausschnitt sich erhöht, also einen um so teureren Preis anzeigt. Der Zeiger zeigt alles an, was der Fahrgast zu zahlen hat, die Einnahmekontrolle aber, was im Lauf des Tages eingenommen wurde; ein zweites Zählwerk endlich verzeichnet die Zahl der Fahrten. Der gesamte Apparat ist mit einem 17 cm hohen, 7 cm tiefen Metallgehäuse gegen Feuchtigkeit und Staub geschützt, eingeschlossen, und es ist die Einrichtung getroffen, dass der Mechanismus dem Kutscher, dem Fahrgast und sogar dem Fuhrwerksbesitzer unzugänglich bleibt.
Wichtig ist es auch, dass der Kutscher sich nach beendeter Fahrt beeilt, den Anzeiger außer Betrieb zu stellen, weil er sonst für eine Einnahme einzustehen hat, die nicht vorhanden ist. Diese Abstellung ist aber erst möglich, nachdem der Kutscher den Apparat auf der Leitschiene nach rechts geführt hat, und eine weiß-rote Freifahne aufgerichtet worden, welche anzeigt, dass das Fuhrwerk unbesetzt ist. Solange aber die Fahne steht und der Apparat nach rechts gerückt ist, kann der Kutscher mit besetztem Wagen nicht fahren, das Publikum und die Polizei würden den Betrug sofort merken. Bei Nacht ersetzt eine rote Laterne die Fahne.
Wagen mit Fahrpreisanzeiger-Apparat.Es kommt aber auch vor, dass das Fuhrwerk auf Bestellung nach einer Stelle fährt, wo es bestiegen werden soll. Selbstverständlich kann dem Kutscher die Bezahlung für eine solche Fahrt nicht zugemutet werden. In diesem Fall steckt er über die Fahne ein Schild mit der Aufschrift ›Bestellt‹.
Sobald ein Fahrgast den Fiaker besteigt, rückt der Kutscher den Anzeiger wieder in die Mitte des Vordersitzes und senkt die Fahne. Beides ist aber unmöglich, ohne die Verriegelung der Fahne auszulösen. Sobald dies geschehen, tritt der Fahrpreisanzeiger automatisch in Tätigkeit; der Zeiger springt auf die Anfangstaxe und es weist der Fahrtenzähler eine Fahrt mehr auf.
Die oben genannte Fabrik stellt zwei Arten von Apparaten her:
Erstens den Columbus-Apparat, welcher au dem Prinzip des Zeittarifes beruht und seinen Antrieb von einem Zeituhrwerk erhält. Zweitens das eigentliche Taxameter, dessen Berechnungen der zurückgelegte Weg zu Grunde liegt. Dasselbe wird während des Fahrens vom Hinterrad des Wagens, während des Wartens von einem Zeituhrwerke betätigt. Der Betrieb durch das Hinterrad erfolgt durch eine kleine Luftpumpe. Bei jeder Umdrehung wird etwas Luft zusammengepresst, welche durch einen Schlauch zum Apparat geleitet wird. Diese Luft aber betätigt ein Sperrrad und dieses wiederum durch verschiedene Zwischenräder und Hebel den Zeiger auf der Fahrpreisscheibe. Sobald der Wagen hält, tritt das Uhrwerk an Stelle der Druckluft in Tätigkeit.
Somit bemisst das Taxameter den Preis für die Fahrt nach der Strecke, den Preis für das Warten aber nach der Zeit, und vereinigt automatisch Zeit und Wegmessung derart, dass der Preis für beide zusammengefasst an der Preisscheibe angezeigt wird. Selbstverständlich ist die etwa erhöhte Fahrgebühr nur für die Zeit des Fahrens, nicht aber während des Wartens zu entrichten.
Unter dem Zifferblatt befindet sich der Kilometerzähler, welcher dem Besitzer des Fuhrwerkes anzeigt, wie viel Kilometer der Fiaker mit oder ohne Fahrgast zurückgelegt hat.
Beim Fahren im Schritt würde der Fahrpreis zu gering werden, weil das Hinterrad sich nur langsam dreht; in solchem Fall überholt jedoch das Rad des Zeituhrwerkes das Wagenrad und hält den Preis auf einer angemessenen Höhe.
Wie aus Obigem ersichtlich, haben wir es bei dem Fahrpreisanzeiger mit sehr sinnreichen Mechanismen zu tun, deren Bau einen ungemeinen Aufwand an Scharfsinn erfordert hat. Hoffentlich wird der Lohn dafür nicht ausbleiben und das Taxameter bald überall eingeführt sein.
• G. van Muyden.