Handel & Industrie – Druck & Papier
Drehwerkstätte der Reichsdruckerei
Zentralblatt der Bauverwaltung • 6.10.1888

Bei der fotografischen Aufnahme von Gemälden, Kupferstichen, Holzschnitten und Zeichnungen ist es notwendig, dass dieselben von der Sonne beleuchtet werden. Um die schädlichen Schlagschatten zu vermeiden, welche in geschlossenen Werkstätten durch die Eisensprossen der Glasdächer entstehen, müssen die Aufnahmen im Freien stattfinden. Hierbei werden die aufzunehmenden Gegenstände dem Sonnenstand gemäß so eingestellt, dass die Lichtstrahlen unmittelbar und bei Ölbildern annähernd so auffallen, wie es beim Malen des Bildes der Fall war, was insbesondere bei stark aufgetragenen Farben erforderlich ist. Die sehr beschwerliche Arbeit, Gemälde und Aufnahmekammer im Freien dem wechselnden Sonnenstand entsprechend zu erhalten, führte darauf, den aufzunehmenden Gegenstand mit dem fotografischen Apparat auf eine Drehscheibe zu setzen und beide gleichzeitig einzustellen.
Die ersten derartigen Einrichtungen in der früheren preußischen Staatsdruckerei und in der Anstalt von Franz Hanfstängl in München waren in Holz und mehr oder minder gebrechlich ausgeführt und nur auf kurze Dauer berechnet. Zur Erledigung der schwierigen Aufgaben, welche der Reichsdruckerei bei der fotomechanischen Wiedergabe der in unseren Museen aufbewahrten Kunstschätze gestellt wurden, bedurfte dieselbe einer möglichst vollkommenen Aufnahme-Werkstätte. Eine solche wurde auf der Museums-Insel errichtet, jedoch so konstruiert, dass sie ohne Schwierigkeit abgebrochen und an jedem anderen Ort aufgestellt werden konnte. Sie besteht aus einer Drehscheibe mit einer Plattform von 13 m Länge und 3 m Breite und zwei Gebäuden auf derselben: dem Objekthaus zur Unterbringung des Bildes und dem Apparathaus, welches den Apparat aufnimmt und den Arbeitsplatz des Fotografen bildet.
Das Objekthaus schützt das Bild gegen Wind und Regen; es ist durch einen wasserdichten Vorhang und ein Glasdach sowie durch einen seitlichen Glasschirm genügend verschließbar. Dieser letztere ist drehbar und dient auch zur Regelung der Beleuchtung. Das Glasdach lässt sich, wenn hohe Bilder aufzunehmen sind, nach oben aufklappen. Das Objekthaus, neben dem sich auch das Vorgelege zum Antrieb des Laufrades befindet, trägt noch ein Blendsegel zum Abblenden zurückgeworfener Lichtstrahlen, die von Gebäuden herrühren, welche sich hinter dem Bild befinden.

Das Apparathaus muss als Arbeitsplatz des Fotografen vollständig dunkel und, der veränderlichen Länge der Apparate entsprechend, fernrohrartig verschiebbar sein. Zu diesem Zweck ist dasselbe aus zwei Teilen hergestellt, einem feststehenden hinteren Teil und einem Rollhaus, welches sich über das niedrigere Haus hinweg schiebt und in den beiden hier gegebenen Abbildungen der Werkstätte von dem feststehenden Haus etwas mehr als zwei Felder verdeckt. Das Rollhaus läuft mittels Rollen auf einem Gleis, welches auf den Längsträgern der Drehscheibe liegt, und trägt unter den beiden Längswänden je eine Zahnstange, in die eine Zahnradwelle mit Vorgelegen eingreift. Die Vorderseite des Rollhauses ist durch einen zweiflügeligen Torweg geschlossen, dessen Flügel in geöffnetem Zustand gegen bogenförmige Konsolen schlagen und mit dem darüber ausgespannten, 6 m breiten Sonnensegel schädliche Reflexe abhalten sollen. Zum Zweck der Lüftung sind die oberen Teile der Füllungen im Apparathaus vergittert und mit Klappen verschließbar eingerichtet. Die Dächer bestehen aus gebogenem Wellblech, welches in der bei Eisenbahnwagen üblichen Weise mit einer Abdeckung aus Holz und wasserdichter Leinwand versehen ist. Um Schwankungen der Werkstätte möglichst zu vermeiden, ist die Schienenbahn der Kammer von den Riffelplatten isoliert und auf gute Gründung des Rundgleises Bedacht genommen worden. Die Drehwerkstätte der Reichsdruckerei ist von dem Regierungs-Baumeister Schröder entworfen und von der Firma Hermann Prollius in Görlitz ausgeführt worden.