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Drahtseilbahnen

Prometheus • 18.3.1891

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

In allen Fabriken und gewerblichen Etablissements spielt in Bezug auf die Kalkulation des erzeugten Produktes oder Handelsartikels der Transport der Rohmaterialien, des Feuerungsmaterials, der Abfallstoffe, wie Schlacke, Asche etc., der Hilfsprodukte und des fertigen Gutes eine nicht unbedeutende Rolle.

Es war schon ein großer Fortschritt, als vor Jahren die kleinen Schmalspurbahnen hierfür angelegt wurden, die noch vielfach in Fabriken kreuz und quer von Werkstätte zu Werkstätte die Höfe durchziehen. Aber auch diese sind im Betrieb sehr teuer, da ja, mit wenig Ausnahmen, jeder Wagen von einem Menschen geschoben werden muss, und sind, namentlich auf weitere Entfernungen, keine Anlagen billiger, praktischer in Bezug auf Rentabilität und leistungsfähiger, als die sogenannten Luftbahnen oder Drahtseilbahnen. Dieselben sind in der Anlage meistens teurer, als eine Schmalspurbahn, namentlich, wenn diese über eigenes Terrain geht und keinen Kauf nötig macht. Aber eine Drahtseilbahn macht sich rascher bezahlt und belastet durch den Transport die Kalkulation so wenig, wie keine andere Anlage dieser Art.

Eine Luftbahn besteht aus einer Reihe Stützen, die zwischen den beiden Endpunkten, der Belade- und Entladestation, in gerader Linie – wo es nicht anders möglich ist, mit einem Brechpunkt – aufgestellt werden. Diese, am besten aus Eisen konstruiert, haben an ihrem oberen Ende einen Querbalken, auf dessen rechtem und linkem Endpunkt ein Stahldrahtseil, seltener eine Rundeisenstange, liegt. Diese zwei Seile nennt man die Trag- oder Lastseile, weil auf ihnen die kleinen Transportwagen mittelst zweier Rollen, auf der einen Seite hin, auf der anderen zurücklaufen.

Unter diesen Seilen läuft ein drittes Seil, das sogenannte Zugseil, welches beide Endpunkte verbindet, auf jedem um eine große Seilscheibe läuft, und sich kontinuierlich als Seil ohne Ende dreht. Dasselbe läuft also auf der einen Seite der Bahn unter dem Lastseil hin und kommt auf der anderen Seite derselben unter dem anderen Lastseil zurück.

An dieses nun werden die Transportgefäße, die Wagen, mittelst eines Kuppelungsapparates angekuppelt, und werden so von diesem rotierenden Zugseil auf der einen Seite nach der Entladestation hin und auf der anderen Seite von dieser zurück wieder nach der Beladestation gezogen, um von neuem gefüllt zu werden. Dieses Zugseil, resp. die Wagen, laufen mit einer Geschwindigkeit von ca. 1,3 m/s. Die Wagen folgen sich in Entfernungen von 40 und mehr Meter, je nach Bedarf, und es ist auf diese Weise leicht möglich, eine Leistung von 500 – 600 Tonnen in 10 Stunden zu erzielen. Diese ganze Arbeit führt ein Mann, zum Füllen der Wagen, aus (wenn nicht mit Schaufeln eingeworfen werden muss) und einer zum Ankuppeln der Wagen. Auf der Entladestation, wo sich die Wagen selbsttätig vom Zugseil entkuppeln, von Menschenhand durch die Weiche nach dem Ort der Entladung gefahren werden und von hier wieder zurück an die andere Seite zum Festkuppeln und Zurückfahren gelangen, genügen auch zwei Mann meistenteils, einer zum Entleeren, einer zum Ankuppeln. Es sind somit für den Transport vier Mann, der Sicherheit wegen wollen wir fünf sagen, nötig, welche höchstens 15 Mark Lohn direkte Ausgaben täglich verursachen. Rechnet man nun hierzu eine gute Verzinsung des Anlagekapitals, eine Amortisation desselben, die Kosten für eine vielleicht 6 PS-Maschine mit Kessel, Ausgaben für Putz- und Schmiermaterial, so kostet danach der Transport des einzelnen Zentners immer nur Bruchteile eines Pfennigs. Zu solch billigem Preise kann auf keiner anderen derartigen Anlage, und namentlich nicht in solchen Massen, transportiert werden, wenigstens dürfte dies für die meisten gegebenen Verhältnisse zutreffen.

Wenn man aber bedenkt, dass eine Drahtseilbahn unabhängig von jedem Terrain ist, dass bei Überschreitungen von Tälern und Seen schon Spannweiten von Stütze zu Stütze von 300 – 400 m ausgeführt sind, dass es sehr selten nötig ist, Terrain für eine solche Anlage zu kaufen, sondern meist nur eine geringe Miete für Überschreitung desselben zu zahlen, so wird man zugeben müssen, dass es in der Tat keine praktischere Transportanlage gibt, wie eine derartige Drahtseilbahn.

In Deutschland sind nur vier Firmen, in Österreich eine, die nicht nur in ihrer Heimat, sondern im weitesten Ausland Drahtseilbahnen aufstellen, und häufig gibt es auch Anlagen beim Material-Transport vom Berg nach dem tiefer liegenden Werk, bei denen kein Motor nötig ist, sondern die automatisch gehen, und bei denen vielfach noch viele Pferdekräfte gebremst werden müssen, resp. die anderweitig, zum Betrieb von Schleifsteinen oder anderen Hilfsmaschinen, verwandt werden können.

Eine der großartigsten Drahtseilbahn-Anlagen verbindet das ärarische Eisenwerk zu Hunyád in Siebenbürgen mit den dazu gehörigen Eisenerzminen von Gyalár und den hoch oben im Gebirge gelegenen Produktionsorten der in Hunyád benutzten Holzkohlen. Diese Drahtseilbahn ist 32 km lang und wird zum Teil durch ihr eigenes Gefälle, zum Teil durch besondere Dampfmaschinen betrieben. Sie schafft das ganze Material – ca. 100 t pro Tag – für den Betrieb zweier großer Hochöfen heran. Das Eisenwerk steht mit den Beladestationen durch Telefonleitungen in Verbindung.

Die Drahtseilbahnen sind zu den neueren Erfindungen zu rechnen und existieren erst seit etwa fünfzehn Jahren, aber immer mehr werden sie bekannt und angelegt, und immer mehr sieht man ein, dass bei den heutigen sozialen und Preisverhältnissen nur verdient werden kann, wenn man billiger produziert, und hierbei spielt der erwähnte Transport eine große Rolle.

• Auf epilog.de am 7. September 2024 veröffentlicht

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