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Drahtseil-Bahn in Amerika

Deutsche Bauzeitung • 20.7.1871

Seit dem 1. September 1868 ist im Gebiet Colorado, in Clear Creek County, eine von Mr. G. W. Cypher zu Cambertsville für die Brown Silver Mining Company erbaute Drahtseilbahn mit gutem Erfolg in Betrieb. Dieselbe besteht aus zwei Hauptseilen von 28 mm Durchmesser, welche am oberen Ende in 2,1 m Abstand voneinander im Fels verankert, dann über einen 4,6 m hohen Turm hinweg in stark geneigter Lage in das Tal hinabgeführt sind, wobei sie in je 76 m bis 112 m Abstand an solchen Stellen, die verhältnismäßig sicher vor Lawinen sind, auf Stützen ruhen. Diese Stützen tragen gusseiserne Sättel, auf welchen die Drahtseile in solcher Weise aufliegen, dass die Rollen oder Räder der kleinen Förderwagen, welche auf den Seilen laufen, beim Passieren nicht behindert werden. Am unteren Ende der Bahn sind beide Hauptseile mit Keilen befestigt an starken Bolzen von 90 cm Länge, welche mit 60 cm langen Keillöchern versehen sind, damit man durch Nachtreiben der Keile die Spannung der Drahtseile gehörig regulieren kann. Die Seile sind dort an einem eisernen Querträger, der auf einem 9,1 m hohen Turm ruht, verankert und dieser Turm ist durch zwei Spannseile, welche nach einem großen, mit Steinen gefüllten Holzgerüst abwärtsführen, vor Umsturz gesichert.

Die Förderwagen hängen an Rollen, welche auf den Drahtseilen laufen, und zwar hängt jeder Wagen nur an je einem Seil, so dass die Bahn als eine zweigleisige zu betrachten ist. Die Wagenkästen sind ganz aus Eisenblech hergestellt und hängen an je zwei Rollen von 33 cm Durchmesser, deren Abstand von Mitte zu Mitte 2,7 m beträgt. Die Hängeeisen, woran die Wagenkasten hängen, sind von ungleicher Länge, so dass der Boden des Wagenkastens bei der Bewegung auf der geneigten Bahn stets annähernd horizontal bleibt. Zur Versteifung der Konstruktion sind zwischen den Hängeeisen Kreuze aus schmiedeeisernen Gasröhren angebracht. Auf jedem Hauptseil läuft ein Wagen, und zwar sind beide Wagen durch ein 16 mm dickes Zugseil, welches über eine Seilrolle von 2,1 m Durchmesser am oberen Ende der Bahn geführt ist, miteinander verbunden, so dass der hinabgehende beladene Wagen stets durch sein Übergewicht den hinaufgehenden leeren Wagen hinaufzieht. Jene Seilrolle liegt horizontal in dem oberen Turm, das Zugseil ist vor derselben gekreuzt, natürlich mit Hilfe einiger Leitrollen. Die Seilrolle steht mit einer Handbremse in Verbindung, um die Geschwindigkeit der Bewegung zu mäßigen.

Jeder Wagen fasst 750 – 1000 kg Erze. Wenn der beladene Wagen den Fuß der geneigten Ebene erreicht hat, so lässt man durch Öffnen des beweglichen Wagenbodens die Erze herausstürzen. Um die Wagen vor Schwankungen zu sichern, sind beide Wagen auch noch durch ein sogenanntes Schwanzseil von 9 mm Durchmesser miteinander verbunden. Dieses Schwanzseil ist an den unteren Enden der beiden Wagenkästen befestigt und über eine Seilrolle geführt, welche mit ihren Lagern in einem Gleitrahmen im unteren Turm, so dass sich dieselbe etwas auf- oder abwärts verschieben kann, aufgehängt ist. Zur Unterstützung des Zugseiles und des Schwanzseiles sind bei jedem Stützpfeiler längs der Bahn Rollen angebracht.

Es sollen dem Vernehmen nach noch mehre andere, nach demselben zweckmäßigen System erbaute Drahtseilbahnen in den Gebirgen von Colorado sich befinden.

Engineering

Entnommen aus dem Buch:
Während Seilbahnen im ostasiatischen Raum schon recht früh zum Einsatz kamen, wurden in Europa erst ab dem späten Mittelalter vereinzelte Anlagen erbaut. Ausgehend von der Entwicklung von Seileriesen für den Holz-Transport begann dann um 1870 die systematische Konstruktion von Seilbahnen. Gustav Dieterich schildert die Geschichte der Seilbahnen von den Anfängen bis zum ›System Bleichert‹, und so bietet diese erweiterte und reichhaltig illustrierte Neuausgabe einen umfassenden Überblick über die Erfindung der Drahtseilbahnen.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 172 Seiten | ISBN: 978-3-7693-4011-2

• Auf epilog.de am 19. Juni 2025 veröffentlicht

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