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Das Dampfross auf der Straße

Daheim • 15.12.1866

Über die Häuser hinweg und unter den Häusern geht es bereits mit Dampf, wenigstens in England, und die größten Berge bieten auch keine Schwierigkeiten dem Eisenweg mehr dar. Aber auf den Straßen – Landstraßen und Straßen der Städte – sollten wir eigentlich doch auch schon in einer Dampfdroschke umherkutschieren können!

Der Gedanke ist nicht neu – Sir Isaac Newton hat ihn bereits vor etwa 200 Jahren gehabt – auch ist seine Ausführung nicht unversucht geblieben. Die verschiedenen Versuche, die seit 100 Jahren, wo ein Herr Cugnot dem Due de Choiseul einen Dampfwagen schenkte, namentlich in England, gemacht worden sind, haben sich jedoch alle als mehr oder minder unpraktisch erwiesen. Allerdings ging im Jahr 1830 bereits eine Dampfpostkutsche zwischen Gloncester und Cheltenham, und eine andere von Oxford nach Birmingham, die 16 – 22 km in der Stunde zurücklegte. In Folge der sich dagegen erhebenden Opposition kam die Sache damals vor das Haus der Gemeinen, und die zur Untersuchung bestimmte Kommission erstattete einen höchst günstigen Bericht. Dennoch scheiterte dieser Versuch, wie eine Masse ähnlicher Unternehmungen, die ihren Urhebern gewaltig viel Geld kosteten. So groß auch der Wunsch der vom Eisenbahnnetze entfernt wohnenden Ortschaften, ja ganzer Distrikte war, Dampfrosse ohne Schienen auf den Landstraßen benutzen zu können – die Schwierigkeiten erwiesen sich stets zu groß. Bald wurden Pferde scheu gemacht, bald gelang es der Konkurrenz, eine unerschwingliche Steigerung der Chausseegelder zu erzielen, bald waren die Maschinen zu schwer, oder es war unmöglich, das nötige Wasser zu beschaffen. Und trotz alledem ist noch in jüngst verflossener Zeit eine Dampfkutschenreise gemacht worden.

Vor fünf Jahren sahen die Bewohner der schottischen Hochlande, zu ihrem Entsetzen, den Grafen von Cairhueß auf einer Dampfequipage in ihrer Mitte anlangen. Eines schönen Morgens war derselbe mit seiner Gemahlin, einem Geistlichen und dem Erfinder seines Fahrzeuges, Ricket, von Inverness abgefahren und hatte die ersten 22½ km in 1 Stunde und 20 Minuten, inkl. einiger kleinen Aufenthalte, zurückgelegt. Aufs neue begann die Fahrt. Vor dem Grafen streckt sich ein langer, gerader Weg aus – das benutzt er, die Schnelligkeit auf 29 km/h zu steigern – Hügel auf, Hügel ab geht es tapfer vorwärts, dass die Funken stieben. Nach einer Nachtruhe ging es früh Morgens weiter, die jähe Steigung von Golspie nach Dunrobin Castle hinauf, und von da über Holmsdale auf den Ord von Caithness, einen so steilen Bergpfad, dass Jedermann ein Unglück vorhersagte. Doch nichts davon geschah – die Maschine keuchte und pustete gewaltig, aber löste ihre Aufgabe vortrefflich und erreichte den Gipfel ohne irgend welchen Aufenthalt. Bergab fuhr das seltsame Gefährt mit eben solcher Leichtigkeit, und von da an auf ebenen Wegen rasch vorwärts bis nach Ballogell Castle, des Grafen Residenz, wo sie vor dem Einbruch der Nacht eintrafen. Das war die längste in einer Dampfkutsche auf einer gewöhnlichen Straße zurückgelegte Reise: eine Reise von 240 Kilometern. Die Maschine glich einer Art bedeckter Chaise, mit einer kleinen Lokomotive dahinter, und nahm etwa so viel Raum ein, als ein Wagen, bespannt mit einem Pferde. Der Graf nahm den Kutschersitz ein, auf dem Vordersitze saßen die Gräfin und der Geistliche, Ricket befand sich auf einem kleinen Platze bei der Maschine, um sie mit Kohlen und Wasser zu versorgen; von ersteren trug sie genug für 50 km, dagegen Wasser nur für 25 km. Die ganze Fahrt verlief höchst glücklich und ohne Gefahr.

So schien die Sache denn ganz gut ausführbar, und vor vier Jahren rechnete man in England mit solcher Sicherheit auf die Befahrung der öffentlichen Straßen durch Dampffuhrwerke, dass eine Parlamentsakte eine gesetzliche Regulierung derselben proklamierte. Obgleich dieselbe schon streng genug war, ruhten doch einige ängstliche Gemüter nicht, bis noch mehr Einschränkungen über diesen bedenklichen Straßenverkehr vom Parlament verhängt wurden. Dieselben sind indes so streng, dass wohl sobald niemand mehr an Dampfomnibusse denken wird; denn abgesehen von allen anderen hemmenden Bestimmungen, wird ihnen auferlegt, auf Chausseen nicht rascher zu fahren als 6½ km/h, in Städten aber nur 3¼ km/h. Eine solche Geschwindigkeit macht man natürlich lieber zu Fuß – also fürs erste keine Landdampfer auf den Straßen, selbst in England nicht!

• Ch. D.

• Auf epilog.de am 4. August 2024 veröffentlicht

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