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Der Dampfhammer und seine Bedeutung für die Eisenindustrie

Das Buch für Alle • 1869

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Wir haben schon jüngst, gelegentlich der  Schilderung des Auswalzens der Eisenbahnschienen, die Behauptung aufgestellt, dass der riesenhafte Fortschritt der angewandten Naturwissenschaften und die gewaltigen Errungenschaften des menschlichen Scharfsinns und Erfindungsgeistes sich wohl nirgends augenfälliger offenbaren, als in einem unserer gegenwärtigen großen Hüttenwerke, wo Schmelz- und Puddelöfen und Frischfeuer mit Dampfhämmern, Streck- und Walzwerken verbunden sind. Den kolossalsten Aufschwung hat das Eisenhütten-Gewerbe aber erst genommen seit etwa sechsundzwanzig Jahren, seit der Dampfhammer erfunden und eingeführt worden ist. Um die Erfindung desselben streiten sich zwei Ingenieure, der Franzose Bourdon und der Engländer Nasmyth, von denen der erstere sein Erfindungspatent im April, der letztere das seinige im Monat Juni 1842 genommen.

Die Arbeit des riesigen Dampfhammers allein ermöglicht die Verarbeitung großer Eisen- und Stahlmassen, und leistet auch beim Ausschmieden der Luppen – große Blöcke frisch ausgeschmolzenen Roheisens, wie sie aus dem Ofen kommen – ausgezeichnete Dienste. Ein Hauptvorteil desselben ist, dass seine Schläge senkrecht fallen, während die gewöhnlichen Hämmer in einem Kreisbogen gehen, und dass man jeden einzelnen Schlag hinsichtlich seiner Stärke genau regeln kann, d. h. dass man mittelst einer sehr einfachen und leichten Steuerung den Hammer von der vollen Sturzhöhe oder jeder beliebigen anderen herabfallen lassen kann; man hat ihn daher beim Schmieden ebenso in seiner Gewalt, wie den eigenen Menschenarm, und dies ist ein unendlicher Gewinn. Ferner kann man den Dampfhammer in jeder beliebigen Größe herstellen, von einem leichtern Hammerblock von 10 bis 20 Zentnern und desto schnellerem Arbeitsgange bis zu einem Hammer von 1000 Zentnern und mehr.

DampfhammerEin Dampfhammer in einem Eisenwerk.

Auf unserm Bild sehen wir rechts im Mittelgrunde einen der gewaltigsten Dampfhämmer, die je erbaut worden sind, und neben ihm auf der kleinen Galerie den Mann, welcher durch die richtige Handhabung eines kleinen Hebels den Gang des furchtbaren Hammerblocks mit der größten Leichtigkeit steuert. Auf der linken Seite des Bildes sehen wir zunächst einen der Puddelöfen, wo die Luppe bis zur Weißglühhitze, also einer Temperatur von 1800 – 2000° C erhitzt wird. Wir sehen, wie eine ungeheure Luppe soeben aus dem Ofen genommen und in dem am Kran hängenden Gezänge gedreht wird, um unter den Dampfhammer gebracht zu werden. Sobald die Luppe auf dem Amboss liegt, beginnt der Hammer zu arbeiten, dessen Prinzip ein überraschend einfaches ist. Das Oberstück des Dampfhammers ist nämlich ein gewöhnlicher Dampfzylinder mit Kolben; die Kolbenstange geht dampfdicht durch den unteren Boden des Zylinders, und an ihr ist der in einer Führung gleitende Hammerblock angebracht, welcher aus einer Gusseisenmasse mit stählerner Beschuhung besteht. Wenn man nun den Dampf in den Zylinder unterhalb des Kolbens treten lässt, so hebt sich dieser samt dem Hammer bis zu dem Augenblick, wo man den Zutritt des Dampfes unterbricht; lässt man nun zugleich den Dampf ganz aus dem Zylinder austreten, so fällt der Hammerblock mit der ganzen Wucht seiner Schwere und Fallkraft herab; wird aber der Ausströmungskanal nur teilweise geöffnet, so fällt der Hammer mit verminderter Geschwindigkeit, und man kann durch gänzliches Schließen ihn in jedem Moment des Falls gänzlich aufhalten. Man hat die Steuerung dieser gewaltigen Maschine so sehr in seiner Gewalt, dass man mit einem Hammerblock von 50 Zentnern Schwere Nüsse, die auf dem Amboss liegen, aufknacken kann, ohne dass die Kerne zerquetscht werden. Von der richtigen und verständigen Steuerung hängt daher alles ab.

Der Hammerblock fällt nun, erst mit voller Wucht und allmählich mit leichteren Schlägen, auf die weißglühende Luppe herab, die nach jedem Schlag mittelst der Handspeichen am Gezänge leicht gedreht wird. Durch diese Schläge erhält die Luppe zunächst eine regelmäßigere Form; sodann läuft die Schlacke an dem glühenden Metall herab und nimmt alle Unreinlichkeiten mit, und endlich lösen sich auch glühende Lamellen, Blättchen, ab, welche als sprühende Funken auf den Boden fallen und die verschiedenen Teile von Oxidul, Kieselstoff usw. entfernen. Das durch den Puddlingsprozess erzeugte Stabeisen ist zwar nicht so rein und geschmeidig, wie das durch Frischen gewonnene, aber das Puddeln in Verbindung mit dem Dampfhammer ist so vorteilhaft, einfach, wohlfeil und durchgreifend, dass man damit selbst aus dem unreinsten Roheisen noch ein ganz brauchbares Schmiedeeisen erzeugt. Ohne den Dampfhammer wäre das Auswalzen der Eisenbahnschienen und anderer großer Stücke von Stabeisen unmöglich, und die Herstellung schmiedeeiserner Brücken, Balken, Dächer und anderer großen Konstruktionen ist erst seit der Anwendung des Dampfhammers möglich geworden.

• Dr. E. Hartwig.

• Auf epilog.de am 15. Januar 2025 veröffentlicht

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