Daseinsvorsorge – Ordnung & Sicherheit
Die Dampf-Feuerspritze
Illustrirte Welt • März 1863
Die Dampfkraft wird seit ungefähr einem Jahrhundert in England zur Entwässerung der Bergwerke mittelst Pumpen und seit ungefähr 60 Jahren zur Bewegung der Lokomotiven auf Eisenbahnen angewendet; auch hat man schon seit längerer Zeit auf Dampfschiffen und in mit Dampfkraft arbeitenden Fabriken Einrichtungen getroffen, um bei entstehendem Brand mittelst Pumpen und Schläuchen, die von der Dampfmaschine bedient werden, das Feuer zu löschen. Damit war der Gedanke nahe gelegt, auch bei der Feuerspritze, bei welcher seither die Kraft der Menschen und Pferde zu arbeiten hatte, die Dampfkraft in Anwendung zu bringen, und auf solche Weise das Feuer, wo es als Feind des Menschen auftritt, mit Feuer zu bekämpfen. Vorurteil gegen das Neue überhaupt und die Besorgnis der Fabrikanten, durch solche neue Maschinen in ihrer Fabrikation beeinträchtigt zu werden, hat die fragliche Verwendung der Dampfkraft lange Zeit verzögert, und den Amerikanern, welche überhaupt für das Feuerlöschwesen viel getan haben, war es vorbehalten, auch im Bau der Dampf-Feuerspritzen den anderen Völkern voranzugehen.
Im Jahr 1840 setzte das mechanische Institut in New York eine goldene Medaille als Preis für das beste Projekt einer Dampf-Feuerspritze aus. Es meldeten sich nur zwei Bewerber, von denen der Ingenieur Kapitän Erikson (ein Schwede von Geburt, Erfinder der nach seinem Namen genannten Luftmaschine und Erbauer des ersten Panzerschiffs) den Preis erhielt, und sofort die erste Dampf-Feuerspritze erbaute, welche übrigens von Pferden gezogen wurde.
Die erste lokomobile Dampf-Feuerspritze, welcher auch noch zur Nachhilfe an schwierigeren Stellen zwei Pferde beigegeben waren, baute beinahe um dieselbe Zeit Mr. P. Hodge; die erste ohne Beihilfe von Pferden sich bewegende Maschine wurde 1850 von Mr. Latta konstruiert. Das System von Latta fand in kurzer Zeit große Verbreitung, und in wenigen Jahren wurden in den größeren Städten der Vereinigten Staaten Dampf-Feuerspritzen angeschafft. Philadelphia z. B. besitzt nicht weniger als 23 solcher Maschinen. Berühmt in dieser Fabrikation sind die Etablissements von Neaffie & Levy in Philadelphia und von Lee & Lamed in New York.
Die erste Dampf-Feuerspritze in Europa besaß schon vor 1853 die Feuerwehr in Berlin; sie erforderte acht Pferde Bespannung und wurde, da die Reparaturen zu kostspielig waren, später wieder verkauft.
Die erste Dampf-Feuerspritze in England fertigte Shand & Mason im Jahr 1858 für die russische Regierung; weitere sehr gerühmte Maschinen gingen aus dieser Fabrik, sowie aus der von Merryweather & Son hervor.
Eine Dampf-Feuerspitze hat im Allgemeinen Ähnlichkeit mit einer Eisenbahn-Lokomotive. Auf dem Wagen befindet sich ein aufrechtstehender Dampfkessel mit Schornstein, die Dampfmaschine mit zwei Dampfzylindern, welche mittelst Kurbeln die Wasserpumpe und, wenn die Spritze fortbewegt werden soll, auch die Wagenräder in Bewegung setzen.
Die Dampf-Feuerspritze von Merryweather. Die Pumpe ist meist doppeltwirkend und arbeitet zugleich als Saug- und Druckpumpe, zu welchem Zweck sie mit Saug- und Druckschläuchen verbunden ist. Häufig werden auch rotierende Pumpen angewendet. Ein Windkessel dient, wie bei anderen Spritzen, zur Ausgleichung des Wasserstrahls. Das Hauptproblem für eine Dampf-Feuerspritze besteht darin, in der kürzesten Zeit das erforderliche Quantum Dampfes von verlangter Spannung zu erzeugen und gleichförmig zu unterhalten, einesteils um bei entstehendem Feuerlärm die Maschine rasch zur Brandstätte zu bringen, andernteils um sie unausgesetzt als Pumpe in Tätigkeit zu erhalten. Für diesen Zweck bedient man sich der sogenannten Röhren-Dampfkessel und erzeugt eine rasche, kräftige Feuerung mittelst Teertonnen. Noch rascher wird diese Wirkung in neuester Zeit dadurch erzielt, dass man das Wasser im Dampfkessel bis nahezu zum Kochen erhitzt, und dann durch eine in den Feuerraum eingeführte kleine Gasflamme bei verschlossenem Abzugsrohr fortwährend am Sieden erhält, auch den Kessel durch sorgfältige Einhüllung gegen die Ausstrahlung der Wärme gut verwahrt. Bricht dann Feuer aus, so werden die im Feuerraum im Vorrat angehäuften leichten Brennmaterialien entzündet, wodurch die Maschine in kurzer Zeit arbeiten kann. Als die neueste Verbesserung wird die von Roberts Millwall gerühmt, sie besteht in einem Regulator, mittelst dessen man im Stande sein soll, die Wassermenge genau zu regulieren, und auch engere Schläuche und Mundstücke in Anwendung zu bringen.
Was die Wirkung der Dampf-Feuerspritze betrifft, so kann eine solche das 8 – 10-fache einer gewöhnlichen Spritze leisten. Eine Maschine von Lee & Lamed soll mit einem Mundstück von 4 cm die ungeheure Höhe von 81 m erreichen und in der Minute 5000 l Wasser ausgießen. Die größte Maschine jedoch ist die von Shand & Mason im Jahr 1855 für die Londoner Spritzenkompanie erbaute Fluss-Dampf-Feuerspritze von 80 PS, welche in der Minute über 18 000 Liter Wasser ergießt. Seit ihrer Erbauung hat diese gewaltige Maschine bei 15 großen Bränden Dienste geleistet; bei dem Brand in der Fowleystreet war sie während 384 Stunden in Tätigkeit.
Auf der letzten Londoner Industrieausstellung konkurrierten drei Dampf-Feuerspritzen um den Preis, eine von Merryweather, eine größere und eine kleinere von Shand & Mason. Nach einem uns von einem deutschen Feuerwehrmann zugesendeten Bericht fiel die Probe nicht sehr günstig aus. Alle drei Maschinen wurden zu gleicher Zeit angeheizt; Merryweather hatte in 12 Minuten, die größere von Shand in 18 Minuten hinlänglichen Dampf. Die kleinere von Shand hatte über eine Stunde keinen Dampf, und es fand sich, dass der Schornstein mit Holz und Hobelspänen verstopft war. Der großen Spritze von Shand platzte dreimal das Wasserstandglas mit lautem Knall und das Saugrohr verstopfte sich mit Hobelspänen. Der kleineren Spritze platzte zweimal der Schlauch. Am unglücklichsten war Merryweather. Während der Arbeit löste sich die Schraubenmutter, welche den Dampfkolben mit der Stange verband, und nachdem dieser Schaden repariert war, platzte das Ausgussrohr für den Druckschlauch, so dass man das Spritzen aufgeben musste. Wenn aber solche Störungen bei einer Konkurrenzprobe vorkommen, so liegt die Vermutung nahe, dass eine solche jedenfalls sehr komplizierte Maschine bei einem Brand noch häufiger versagen werde.
Dass Dampf-Feuerspritzen nur an solchen Orten anwendbar sind, in denen ein enormes Wasserquantum zu Gebote steht, versteht sich von selbst. Immerhin aber ist alsdann zu befürchten, dass durch die Wasserströme, welche diese Maschinen ergießen, eine Masse Material verdorben wird. Nimmt man hinzu, dass für den Kostenpreis einer Dampf-Feuerspritze wohl zehn andere gute Spritzen angeschafft werden können, dass man bei der nach Kommando arbeitenden Mannschaft den Wasserstrahl weit mehr in der Gewalt hat und durch Aufstellung der Spritzen an verschiedenen Stellen die benachbarten, vom Feuer bedrohten Gebäude weit wirksamer beschützen kann, als wenn man nur auf einen oder zwei Wasserstrahlen beschränkt ist, so dürfte vor der Hand den mit Menschenhänden bedienten Maschinen noch der Vorzug zu geben sein. Dagegen möchte, wo die gehörige Wassermenge zu Gebot steht und die Kosten für die Anschaffung und Unterhaltung kein Hindernis bilden, eine Dampf-Feuerspritze als Wasserzubringer sehr gute Dienste leisten, da mittelst derselben gegen zehn andere Spritzen mit Wasser gespeist werden, ohne dass, wie bei der Pumpmannschaft, eine Ermüdung eintritt. Auch zum Ablöschen größerer Brandstätten dürfte eine solche Maschine sehr vorteilhaft sein.
• Dr. Kapff.