VerkehrEisenbahn

Compound-Lokomotiven für Schnellzuglinien mit starker Steigung

Das Neue Universum • 1898

Wir haben im vorigen Jahrgang der  Einführung der Compound- oder Verbunddampfmaschinen im Lokomotivbau eine ausführliche Schilderung gewidmet. Heute mag nun ein neuer Fortschritt im Bau dieser für große Geschwindigkeiten sowohl als für starke Steigungen und schwere Züge sehr vorteilhaften Lokomotiv­gattung kurz behandelt werden.

Compound-LokomotiveLängs- und Querschnitt der Compound-Loko­motive der französischen Südbahngesellschaft.

Die Maschine, welche unsere begleitende Abbildung im Längsschnitt und in einem Teil des horizontalen Durchschnittes zeigt, wurde in den Werkstätten der Elsässischen Maschinenfabrik zu Belfort für eine französische Eisenbahngesellschaft, die Compagnie du Midi, gebaut, um die Schnellzüge derselben über die mit vielen und starken Steigungen versehene Strecke Paris – Cerbère zu befördern.

Die fünfachsige Maschine arbeitet mit sechs untereinander verkuppelten Schwungrädern und vier kleineren Laufrädern. Von den vier Dampfzylindern liegen die kleineren mit dem Kesseldruck betriebenen außerhalb des Lokomotiv­rahmens und betätigen die mittlere Triebachse der Maschine, die größeren Niederdruckzylinder, welche den Abdampf der kleineren verarbeiten, liegen unter dem Kessel im Inneren des Rahmens und wirken auf die vordere Triebachse ein; andererseits aber sind wieder sämtliche Achsen durch Triebstangen miteinander verkuppelt. Die Kurbeln rechts und links von der Maschine sind wie gewöhnlich um einen rechten Winkel gegeneinander verstellt. Um aber den Zylindern in jedem Augenblick vollen Dampf zuführen zu können und damit das sichere Angehen der Maschine auch bei starken Steigungen zu bewirken, sind die Kurbeln der Niederdruckzylinder gegen diejenigen der Hochdruckzylinder nicht um 180°, sondern um 162° verstellt, welcher Winkel sich in der Praxis als der günstigste für die gegenseitige Unterstützung der Kolbenwirkung erwiesen hat. Es bleibt noch zu erwähnen, dass der Kolbendurchmesser der Hochdruckzylinder 350 mm, derjenige der Niederdruckzylinder 650 mm beträgt, während der Kolbenhub in beiden Fällen sich auf 640 mm beläuft. Die sonstigen Einrichtungen der Lokomotive sind genau denen gleich, die wir bei der früher erwähnten Schilderung von Compound-Loko­motiven beschrieben haben.

Den Schwungraddurchmesser hat man in Rücksicht auf die starken von der Lokomotive zu nehmenden Steigungen auf 1,6 m beschränkt, während er sonst bei Schnellzuglokomotiven häufig 2 m und darüber beträgt.

Für die Compound-Loko­motiven der Linie Toulouse – Bayonne, welche nicht so starke Steigungen aufweist wie die früher genannte, benutzt die Midi-Gesell­schaft einen Raddurchmesser von 1,75 m.

• Auf epilog.de am 2. Dezember 2024 veröffentlicht

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