Bau & Architektur – Brücken
Brückenpfeiler aus Baumwollenballen
Prometheus • 13.6.1894
Not macht erfinderisch. Als im Jahr 1882 für die Vigogne-Spinnerei Ulrich & Wendler in Zwickau ein neuer Dampfkessel von 11 m Länge, 2½ m Durchmesser, im Gewicht von 112 t vom Bahnhof nach der jenseits der Mulde gelegenen Fabrik geschafft werden sollte, erwies sich die einzige im Weichbild der Stadt befindliche Brücke als nicht stark genug, um die kolossale Last zu tragen. Eine Holzbrücke für den einmaligen Transport zu schlagen, hätte sehr bedeutende Kosten gemacht und sehr lange Zeit erfordert.
Die Fabrikbesitzer kamen daher auf den Gedanken, die Pfeiler der zu errichtenden Notbrücke aus den festgepackten, mit dicht bei einander liegenden Eisenreifen versehenen Baumwollenballen, deren ihnen eine bedeutende Anzahl in der Nähe zur Hand war, zu konstruieren. Die Ballen wurden, wie aus unserer Abbildung ersichtlich, übereinandergelegt und durch 1200 Eisenklammern untereinander und mit den quergelegten Holzbalken, die die Brückenbahn bildeten, verbunden. Für 2000 Mark Holzbalken wurden für die Versteifung und die eigentliche Brücke verwandt. Schwierig war der Bau infolge des einen steilen Ufers, während der ausnehmend niedrige Wasserstand die Arbeiten sehr erleichterte. Auf Holzwalzen wurde der Eisenriese dann über dies sonderbare Bauwerk, für welches das bekannte »Es ist alles schon einmal da gewesen« doch versagen dürfte, hinüber geschoben.