Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Die Brotfabrik

Die Gartenlaube • 1858

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Eine große Anzahl von Handwerken hat es sich gefallen lassen müssen, dass die Fabrik ihnen einen bedeutenden Teil Beschäftigung früherer Zeit aus der Hand nahm. Sollte das ehrbare Gewerk der Bäcker allein einer Ausnahme von diesem Schicksal sich erfreuen? Viele glauben es, nicht allein weil die Bäcker in den meisten Städten eine mit vielen alten Rechten ausgestattete Innung haben, die sich gegen Angriffe zu wehren weiß, sondern viel mehr noch, weil die Bäcker nur für das örtliche Bedürfnis arbeiten, mit ihren Kunden zum Teil in sehr innigen Borg­verhält­nissen stehen, allerlei wichtige Gewerbs­vorteile von alters her besitzen und niemand gern altbacken Brot isst. Trotz dieser Gründe oder vielleicht auch gerade wegen derselben sind die armen Bäcker von jeher manchen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, was sich daraus erklärt, dass es sich bei den Leuten um das tägliche Brot handelt. In Paris musste der Kaiser die Bäcker dadurch schützen, dass er der Stadt befahl, ihnen Geldzuschüsse zu geben, damit sie das Brot wohlfeiler verkaufen konnten, als sie es sonst vermocht hätten. In Konstantinopel nagelte man sie gelegentlich mit den Ohren auf die Brotbank.

Die deutsche Backgerechtigkeit ist freilich ganz anderer Art! Gegen diese zieht die Wissenschaft und die neuere Technik zu Felde, indem sie das alte Teig­bereitungs- und Backverfahren einer Kritik unterwerfen. Es war unter anderem gesagt, dass die Bäcker sich Knetmaschinen und bessere Öfen anschaffen sollten, welche letzteren gerade noch so geartet seien, als zur Zeit, da Pompeji vor 2000 Jahren blühte. Weil es aber klar auf der Hand liegt, dass sich der einzelne kleine Bäcker weder schwer zu bewegende Knetmaschinen, noch teure, viel liefernde Backöfen anzuschaffen vermag, so wird vorgeschlagen, Gemeindebäckereien anzulegen. Dieser Vorschlag lässt sich hören. Man hat ihn auch schon an manchen Orten vernommen und hier und da, namentlich in Dörfern, befinden sich zum Mindesten doch Gemeindebacköfen, worin man viel Heizmaterial spart. Aber in Städten sind die Bäckerinnungen noch nirgends auf den Gedanken gekommen, eine genaue und gewissenhafte Prüfung der Frage anzustellen: Ob es ausführbar sei, sich genossenschaftlich zu vereinigen und gemeinschaftliche Backhäuser zu erbauen, um ihren Teig in Knetmaschinen zu bearbeiten – wie früher die Tuchmacher ihre Tuche in genossenschaftlichen Walkmühlen bereiteten – und ihr Brot in Tag und Nacht beheizten Öfen zu backen?

Weiterlesen mit
epilog.de

Werde epilog.plus-Mitglied und Du bekommst

  • Zugriff auf exklusive Beiträge wie diesen
  • PDF-Versionen und/oder eBooks von ausgewählten Artikeln
  • weniger Werbung und dafür mehr historische Bilder und alte Reklame

und Du hilfst uns, noch mehr interessante Beiträge zur Kultur- und Technikgeschichte zu veröffentlichen.

Ich bin bereits Mitglied und möchte mich anmelden.

• Auf epilog.de am 13. Mai 2025 veröffentlicht

Reklame