Bau & Architektur – Öffentliche Bauten
Die Bibliothek der Schulverwaltung zu Köln
von Stadtbaurat J. Raschdorff
Deutsche Bauzeitung • 17.11.1870
Das Gebäude ist von der städtischen Schulverwaltung im Jahr 1869 aus den Mitteln des sogenannten Studien- und Stiftungsfonds errichtet und im Anfang dieses Jahres in Benutzung genommen worden. Bei dem Zusammensturz der alten kirchlichen und klösterlichen Verhältnisse Kölns im Anfang des 19. Jahrhunderts und bei der durch die französische Herrschaft erfolgten Aufhebung der geistlichen Genossenschaften ging die Verpflichtung zu dem bisher von dort aus erteilten Jugendunterricht an die Stadt über, welche gleichzeitig hiermit auch die Erbschaft der zu diesem Zweck an Klöstern und Stiftungen vorhandenen Geld- und Unterrichtsmittel antrat.
Bibliothek der Schulverwaltung in Köln. Die Geldmittel wurden zu dem erwähnten Studien- und Stiftungsfonds geschlagen, an Unterrichtsmitteln fielen namentlich die Bibliotheken, so weit sie überhaupt jene Stürme überdauert hatten und nicht anderweit verschleppt wurden, der Schulverwaltung anheim. Die Bibliothek der Jesuiten bildete den Grundstock dieser Sammlung, die, bisher in ungeeigneten Räumen notdürftig untergebracht, einer allgemeinen Benutzung wenig zugänglich war. Das in Rede stehende Gebäude soll diesem Mangel abhelfen und für die Bibliothek einen würdigen und angemessenen Aufstellungsort bieten.
Die Baustelle liegt in einer Nebenstraße, welche auf den die Gereonskirche umgebenden Platz mündet, und ist von demselben nur durch ein Gartengrundstück getrennt, so dass der Bau schon von weitem her sichtbar, nicht nur eine günstigere Lage besitzt, als dies in dem engen Köln in der Regel ermöglicht werden kann, sondern auch noch wesentlich zum Schmuck des Platzes beiträgt, an welchem auch Raschdorffs eigenes Haus, ein höchst anziehender Renaissancebau liegt. Leider gelang es nicht, die Verwaltung für den Plan zu gewinnen, das Gebäude auf dem genannten Gartengrundstück an dem Platz selbst zu errichten. Es wendet gegen denselben vielmehr nur seine Seitenfront, während die Vorderfassade der engen Straße zugekehrt ist.
Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.Der Unterbau des Gebäudes besteht aus einem Erdgeschoss und einem Mezzaningeschoss darüber von 3,7 m bzw. 3,2 m Höhe, in denen zwei Lehrerwohnungen untergebracht sind; die Wohnräume derselben befinden sich im Erdgeschoss, die Schlafzimmer im Mezzaningeschoss. Ein Zentralvestibül geht durch beide Geschosse und ist von Außen durch ein hohes Portal mit tiefer Nische zugänglich, in welcher die zur Ersteigung des Kellergeschosses erforderliche Freitreppe liegt. Die halbkreisförmige Haupttreppe führt vom Vestibül zum Mezzaningeschoss, mit welcher sie durch Galerien in Verbindung steht und zum oberen Stockwerk, in welchem sich der Hauptbibliothekssaal, 8,8 × 8,2 m groß und 7,2 m hoch, befindet.
Querdurchschnitt. Die Wände desselben, welche die Bücherregale enthalten, sind durch vortretende Galerien in drei Geschosse von je 2,35 m Höhe geteilt, zwischen denen zwei eiserne Wendeltreppen die Verbindung vermitteln. Der Saal selbst ist frei und enthält nur große Schranktische. Zwei Nebenräume zu beiden Seiten des Hauptsaales sind, jenen Galerien entsprechend, ebenfalls in drei Stockwerke von je 2,35 m Höhe geteilt. An der Hinterfront neben der Treppe befindet sich das Lesezimmer und ein feuerfest überwölbter Archivraum. Sie reichen der Höhe nach durch zwei der erwähnten Zwischengeschosse, während das dritte noch über ihnen und dem Treppenraum durchgeht. Die Bibliothekszimmer enthalten eine Wandfläche von zusammen 840 m², bieten somit hinreichenden Raum für die Aufstellung von etwa 35 000 Bänden. Zur Erweiterung in späterer Zeit kann das Dachgeschoss ausgebaut werden und würde noch 10 000 Bände. aufnehmen. Da der Kostenersparnis halber die Bibliotheksräume keine feuerfeste, sondern nur Holzdecken erhalten haben, so sind dieselben auch mit Ausnahme des Lesezimmers nicht heizbar.
Der ganze Bau, nur 20,7 × 13,2 m groß, ist zwar durchaus nur in einer bescheidenen, den vorhandenen Mitteln sorgfältig angepassten Weise ausgebildet, ohne dass jedoch die künstlerische Rücksicht hierüber irgendwie vernachlässigt wäre. Jener, sämtlichen Werke Raschdorffs eigene Charakter einer völligen künstlerischen Durchbildung, die indessen ohne Prätension auftritt und auch in den engsten Verhältnissen, wie sie einer sparsamen Stadtverwaltung gegenüber häufiger vorkommen, doch stets noch Anziehendes zu schaffen vermag, dokumentiert sich auch hier. Wenn das Innere des Gebäudes zufolge seiner Bestimmung nur geringe Gelegenheit zu höherer Ausbildung bietet und nur in dem Bibliothekssaal einen etwas ausgezeichneten Raum besitzt, so konnte dagegen an der Fassade etwas mehr geschehen.
Grundriss von Erd- und Hauptgeschoss.A. Großer Bibliothekssaal. | B. Feuerfest überwölbtes Archiv. | C. Sitz des Bibliothekars. | D. Treppenflur. | E. Wendeltreppe zu den oberen Galerien. | F. Treppe zum Dachboden. | G. Haupttreppe. | H. Schranktische. | I. Spind. | K. Portal. | L. Zentral-Vestibül. | M. Ausgänge zum Hof.
Raschdorffs ist mit seiner eigenartige Stilrichtung bestrebt, die Formen der deutschen Renaissance fortzubilden und durch dieselbe seinen Bauten einen Charakter zu verleihen, welcher sie einerseits in Übereinstimmung bringt mit der scharf ausgeprägten Physiognomie der alten Stadt und andrerseits gestattet, ihnen eine modern ästhetische Durchbildung des Details zu verleihen. Auch die vorliegende Fassade bietet hiervon ein Beispiel. Sie ist sehr korrekt, die Mauerflächen in gelblichen Ziegeln, die Architekturformen in weißem Kalkstein ausgeführt. Erdgeschoss und Mezzaningeschoss sind zusammengefasst und werden durch ein Gesims mit einer auf die Bestimmung des Gebäudes bezüglichen Inschrift abgeschlossen. Einen reicheren Schmuck hat nur das Hauptportal erhalten, welches von ornamentierten Pilastern eingefasst wird und über welchem das Wappen von Köln und die Figur des heiligen Petrus als des Patrons der mittelalterlichen Universität Köln angebracht sind. Im Obergeschoss sind hohe Pilaster angeordnet, die das Hauptgesims mit langen Konsolen tragen. Zwischen den Pilastern öffnen sich die Fenster zum großen Saal, welche durch kräftige Steinpfosten geteilt sind. Zwei Figurennischen enthalten die Statuen des Albertus Magnus, als des Repräsentanten der in mittelalterlicher Zeit in Köln gepflegten wissenschaftlichen Bestrebungen und des Aristoteles, als des von den Scholastikern, deren Bücher einen großen Teil der Bibliothek ausmachen, besonders bevorzugten Philosophen, beide von der Hand des Dombildhauers Mohr. Das hohe Dach des Gebäudes ist in Schiefer gedeckt und hat eine besondere Ausstattung durch Dacherker und Luken sowie durch farbige Muster erhalten. Alles Detail der Fassade ist trotz seiner Einfachheit mit großer Eleganz und Feinheit durchgebildet.