Handel & IndustrieDruck & Papier

Ein Besuch der Offizin von
Brockhaus in Leipzig

Mitgeteilt von Albert Rottner

Die Gartenlaube • 1858

Voraussichtliche Lesezeit rund 24 Minuten.

So weit die Wissenschaften zurückreichen, so lange hat man auch den Buchhandel gekannt; konnte er auch ursprünglich nicht in der ausgeprägten Gestalt der Gegenwart auftreten, so weiß man doch, dass sein Ausgang zunächst bei den alten Griechen zu suchen ist. Das buchhändlerische Geschäft musste aber so lange bedeutungslos bleiben, als ihm nicht die Mittel zu Gebote standen, die Wissenschaft zum Gemeingut zu machen. Da trat gleich einer glanzvollen Sonne aus dem erwachten Morgenrot die große Geburt unseres Jahrtausends, ›Gutenbergs Buchdruckerkunst‹, hervor und sie ist es, welche dem Buchhandel erst seine hohe Bedeutung gegeben hat.

Von Deutschland aus eröffnete die Kunst zuerst mit ihren Erzeugnissen den Handel, weshalb es auch als die Wiege des eigentlichen buchhändlerischen Verkehrs zu betrachten ist. Außer den zahlreichen Klöstern, Stiftern und den hohen Schulen, waren es vorzugsweise die im Aufblühen begriffenen Messen, wo die damaligen Buchdrucker den Hauptabsatz für ihre Presserzeugnisse fanden. Vorzüglich bildete Frankfurt a. M. seit dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts den Mittelpunkt des deutschen Bücherverkehrs. Als aber Luther, der große Kämpfer für Denk- und Glaubensfreiheit, erschien, der sich in Schrift und Rede gegen die zahlreichen Missbrauche der Kirche erhob, und seine kräftige Stütze in der Buchdruckerpresse fand, begann in Folge der Reformation die Kulturwanderung des deutschen Geistes nach Norden, und der vielbesuchte Messplatz Leipzig wurde für den Buchhandel des Nordens, was Frankfurt für den Süden war. In Frankfurt wurde der Buchhandel durch die Einführung einer kaiserlichen Bücherkommission immer mehr beschränkt und belästigt, und es konnte daher in der Tat nicht Wunder nehmen, dass das durch eine eigene, so wie durch die nahe Wittenberger Universität und von der sächsischen Regierung in Bezug auf Bücherwesen vor Frankfurt hoch­begünstigte Leipzig nach und nach den literarischen Verkehr immer mehr an sich zog.

Im Herzen Deutschlands gelegen, bietet Leipzig für den Osten und Norden Europas den wichtigsten Vereini­gungs­punkt handeltreibender Nationen; für den deutschen Buchhandel aber ist es die Pulsader des Verkehrs aller Länder geworden, welche Literatur verbrauchen oder produzieren.

Und so finden wir gegenwärtig hier nicht weniger als 168 Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen, zum Teil Verleger, als Produzenten, zum Teil Sortiments­händler, als Vermittler der Verleger und des Publikums oder Kommissionshandlungen, als Vermittler des eigentlichen geschäftlichen Verkehrs der Buchhandlungen aller Länder unter sich. In naturgemäßer Folge dieser spekulativen und industriellen Ausbildung mussten auch alle diejenigen Geschäftszweige einer höheren Blüte und Vollkommenheit zugeführt werden, welche im Dienste des Buchhandels stehen, die Buchdruckerkunst und die Schrift­gießer­kunst, sowie alle die grafischen und technischen Künste, welche zur Herstellung literarischer und künstlerischer Objekte Anwendung finden, oder zu deren Ausführung mitwirken. So zählt Leipzig gegenwärtig 38 Buchdruckereien und 10 Schriftgießereien.

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• Auf epilog.de am 21. März 2025 veröffentlicht

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