Forschung & Technik – Erfindungen & Patente
Automatische Fotografie
Prometheus • 17.5.1893

Zwischen einer Maschine und einem denkenden Wesen hat die moderne Technik noch einen Begriff unterzubringen gewusst, den Begriff des Automaten. Während die einfachste Form einer Maschine weiter nichts bezweckt, als die Richtung einer Kraft zu modifizieren, und komplizierte Maschinen gewisse Gruppen von Kraftwirkungen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenfassen, hat der sogenannte Automat als wesentlichstes Merkmal das, dass er bestimmt ist, ein denkendes Wesen durch die Wirkung eines mechanischen Werkes zu ersetzen. Das einfachste Beispiel eines Automaten sind unsere modernen Verkaufsautomaten. Der Verkaufsautomat handelt nicht viel anders als ein Verkäufer in einem Magazin, in welchem nur Waren von gleichem Wert feilgeboten werden. Er nimmt das Geldstück in Empfang und liefert dafür dem Käufer eine bestimmte, vorausbedungene Ware. Ebenso wie man ganz schematisch sagen könnte, dass in der Seele des Verkäufers durch den Empfang des betreffenden Geldstücks eine Tätigkeit ausgelöst wird, die auf die Übergabe der geforderten Ware hinausläuft, so betätigt auch im Verkaufsautomaten das Geldstück durch seine Schwere einen Mechanismus, dessen Funktion ebenfalls auf die Auslieferung der Ware hinausläuft.
Diese einfachste Form des Automaten, an welche wir uns längst gewöhnt haben, ist in neuerer Zeit vielfach durch weit kompliziertere automatische Einrichtungen übertroffen worden, deren Wirkungsweise auf den ersten Blick außerordentlich überraschend ist. Solche Automaten finden z. B. in der Technik vielfach Anwendung in der Form sogenannter Registrierapparate und Kontrolluhren.
Die höchste Ausbildung dürfte aber der Automat in dem sogenannten ›mechanischen Fotografen‹, kurzweg fotografischer Automat genannt, gefunden haben. Der fotografische Automat hat sich bis jetzt in Deutschland trotz verschiedener Versuche keinen rechten Eingang verschaffen können. Das deutsche Publikum ist mit seinen Leistungen nicht zufrieden gewesen. Ähnlich ist es in England gegangen. Dort hat sich zur Ausbeutung des automatischen Fotografen eine Gesellschaft gebildet, welche bald mit Hinterlassung eines erheblichen Defizits aufgelöst werden musste. In jüngster Zeit jedoch scheint der fotografische Automat, wie viele andere Erfindungen, von Amerika aus die Welt erobern zu sollen. In der Tat ist der von Welsh erfundene Apparat derartig sinnreich konstruiert, dass er wohl sein Glück machen wird.
Abb. 1 zeigt das Äußere eines Automaten von Welsh. Er besteht aus einem geräumigen Kasten, welcher zwischen vier Säulen durch ein Gegengewicht gehoben und gesenkt werden kann. Dies ist nötig, damit das Objektiv in die richtige Höhe gegenüber der aufzunehmenden Figur durch einen Assistenten gebracht werden kann. Mit der Einstellung der Höhe des Apparates durch den Assistenten ist dessen Tätigkeit beendet, und der Apparat arbeitet automatisch weiter. Links sieht man das Modell vor einem passenden Hintergrund auf einem an der Erde befestigten Stuhl sitzend.

Das Innere des Automaten wird durch Abb. 2 versinnlicht. Nachdem das Modell das Geldstück durch den in Abb. 1 oben rechts am Apparat sichtbaren Schlitz eingeworfen hat, fällt letzteres durch einen Schacht auf einen Hebel, der seinerseits ein Federwerk auslöst. Dies Federwerk bildet die eigentliche Triebkraft des Automaten. Zunächst öffnet sich durch dasselbe der Unterteil eines Plattenmagazins A, und eine präparierte Platte fällt durch den Schacht B in die eigentliche Kamera hinab, welche in der Figur im Durchschnitt mitsamt ihrem Objektiv erkenntlich ist. In dem Moment, wo die Platte herabgefallen ist, wird sie durch einen Hebel C in die Fokalebene des Objektives gedrückt. Gleich darauf ertönt ein Glockensignal, welches das Modell auf die nunmehr erfolgende Exposition aufmerksam macht. Die Exposition erfolgt durch den Momentverschluss bei D. Wenn sie beendet ist, öffnet sich unterhalb der Kamera ein Schlitz, durch welchen die Platte in das schmale, auf hochkant stehende Entwicklungsgefäß E hinabrutscht. Zugleich öffnet sich an dem Reservoir G der Hahn H und entleert in den Trichter J ein gewisses Quantum Entwicklungslösung, welche das Gefäß E füllt. Nachdem die Platte eine genügende Zeit in der Entwicklungslösung geblieben ist, welche erfahrungsgemäß ausreicht, um das Bild hervorzurufen,wird durch den Hebel F das Gefäß E derartig umgekippt, dass die Platte in das spaltförmige Gefäß K fällt, während der Entwickler in den rechten Teil des mit H Y bezeichneten Gefäßes abfließt. Der linke Teil dieses Gefäßes enthält Fixiernatronlösung. Nachdem die Platte in diesem Bad ebenfalls eine genügend lange Zeit geweilt hat, dreht sich das schlitzförmige Gefäß um den Punkt K herum, und ein Hebel L stößt in diesem Moment die fertige Platte durch den Schlitz M auf das Empfangsbrett des Apparates hinaus. Das Bild braucht jetzt nur noch kurze Zeit abgespült zu werden und ist dann fertig. Gegen Erlegung eines zweiten Geldstückes liefert der Apparat einen Rahmen dazu.
Man sieht, dass hier ein großer Aufwand von Scharfsinn auf die Lösung einer Aufgabe verwendet worden ist, deren Resultate doch immerhin als ziemlich mangelhafte anzusehen sein dürften. Es ist kaum einzusehen, was ein derartiger Automat weiter für einen Zweck haben soll, als für eine gewisse Zeit das Publikum zu unterhalten, denn seine Leistungen werden bei verhältnismäßig großen Unterhaltungskosten doch kaum im Stande sein, selbst die mangelhaften Bilder, welche herumziehende Schnellfotografen zu fabrizieren pflegen, zu ersetzen. Immerhin aber dürften sich besonders in dem sensationsbedürftigen Amerika im Anfang nicht Wenige finden, welche dem wunderbaren Apparat ihre Anerkennung in Gestalt von klingender Münze zu Teil werden lassen.