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Die Aufzüge des Eiffelturms

Der Stein der Weisen • 1890

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Sollte der 300 Meter-Turm der Pariser Ausstellung die Kosten einigermaßen decken, so war es eine Lebensfrage, die Besteigung desselben möglichst zu erleichtern. Allerdings führen zwei je 1 m breite Treppen nach dem ersten Geschoss und vier 60 cm breite Treppen nach dem zweiten Stock, und man hat ausgerechnet, dass stündlich je 2000 Personen auf diesem Weg den Turm wenigstens bis zur Höhe von 140 m ersteigen können. Doch ist die Erkletterung einer solchen Höhe mittelst Treppen überhaupt kein Vergnügen und nicht jedermanns Sache. Aufzug nach dem System RouxAufzug nach dem System Roux. Davon können wohl die Besteiger des Stephans­turms in Wien oder des Straßburger Münsters ein Lied singen. Endlich ist die Treppe vom zweiten Stock nach der Spitze so schmal, dass man überhaupt an ihre Benutzung durch das Publikum nicht denken durfte. Unter diesen Umständen, und weil die Unternehmer bei 2000 Personen in der Stunde ihre Rechnung doch nicht gefunden hätten, musste der kostspielige und schwierige Bau von mächtigen Aufzügen ins Auge gefasst werden, und zwar von drei verschiedenen Aufzugsanlagen, den drei Stockwerken des Turmes entsprechend. Die Dreiteilung war schon deshalb erforderlich, weil sich viele Besucher mit der Ersteigung des ersten und zweiten Stockwerkes begnügen, und weil die Aufzüge zum ersten Stock, im Gegensatz zu den übrigen, nicht senkrecht in die Höhe fahren. Sie gleichen vielmehr, wie aus unseren Abbildungen ersichtlich, sehr steilen Drahtseilbahnen.

Nach dem ersten Geschoss führt in jedem der vier Pfeiler ein Aufzug, und zwar sind zwei nach dem System von Roux, Combaluzier und Lepape, und zwei nach dem in Amerika weit verbreiteten System von Otis gebaut. Derselbe Unternehmer lieferte auch die beiden Aufzüge nach dem zweiten Stock, wogegen Eiffel den Bau des 160 m hohen Aufzugs nach der Spitze der auf diesem Gebiete bewährten Firma Edoux anvertraute. - R E K L A M E - Handel & Industrie zwischen Industrieller Revolution und Belle Époque

Den Aufzügen gemeinsam ist die Fortbewegung durch Wasserdruck und es sind zu dem Zweck in der Höhe von 115 m mehrere Wasserbecken angeordnet, bis zu welchen das Wasser durch Dampfpumpen von 300 PS hinauf­geschafft wird. Der Mechanismus selbst ist jedoch verschieden.

Roux, Combaluzier und Lepape ersetzten den gewöhnlichen steifen Kolben durch einen gegliederten, d. h. durch einen aus vielen einzelnen Teilen bestehenden, wodurch sich die Auftriebsvorrichtung den Krümmungen der Pfeiler anschmiegen kann. Die endlose Gliederkette läuft über eine Art Zahnrad, welches seinen Antrieb durch Wasser erhält. Der berg­abfahrende Aufzug bildet natürlich ein Gegengewicht zu dem bergauf­fahren­den, so dass die Maschinen nur den etwaigen geringen Gewichtsunterschied zu überwinden haben. Otis bedient sich dagegen eines Flaschenzuges mit sechs Scheiben von je 1,5 m Durchmesser und sechs Stahl­kobel, von denen jedes die Aufzugs­kammer zu tragen vermöchte. Aufzug nach dem System RouxAufzug nach dem System Roux (Detail). Es ist also unbedingte Sicherheit vorhanden. Außerdem ist jede Kammer mit einer Fangvorrichtung versehen, welche selbsttätig eingreift, sobald ein Kabel bricht oder sich nur zu sehr ausdehnt.

Die Aufzüge zum ersten Geschoss fassen je 100 Fahrgäste und legen in der Sekunde einen Meter zurück; der Aufzug nach dem zweiten Geschoss fährt dagegen doppelt so rasch, ist jedoch nur für 50 Personen berechnet.

Viel eigentümlicher ist der Aufzug von Edoux. Er erinnert in mancher Hinsicht an die Fahrkünste der Harzer Bergleute und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil, welcher den obersten Teil des Turms befährt, ruht auf dem Kolben einer hydraulischen Presse und steht durch Kabel mit dem zweiten Teile des Aufzugs in Verbindung, welcher die Fahrgäste vom zweiten Geschoss nach einer 220 m hohen Plattform schafft. Hier steigen die Fahrgäste aus und betreten den Aufzug nach der Spitze, dessen Passagiere ihrerseits die Plätze in dem zweiten Aufzugs­teil einnehmen. Es findet also, wie bei der Eisenbahn, ein Wagenwechsel statt.

Der Aufzug von Edoux vermag stündlich 750 Personen hinauf und hinunter zu befördern. Die Fahrt nimmt 2½ Minuten in Anspruch. Die ganze Fahrt nach der Spitze aber dauert 7 Minuten.

Die Leistungsfähigkeit der Aufzüge nach dem ersten und zweiten Stock beträgt stündlich 2350 Personen.

Bisher haben die Aufzüge zur vollsten Zufriedenheit gearbeitet.

• G. van Muyden

• Auf epilog.de am 5. Juni 2025 veröffentlicht

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