Handel & Industrie
Der Asphalt
Das Neue Universum • 1881
Unter den Erzeugnissen der Natur, die zwar ihrem ganzen Aussehen und ihren physikalischen Eigenschaften nach dem Mineralreich zuzurechnen sind, aber doch ursprünglich dem Pflanzenreich entstammen und nur Zersetzungsprodukte von Körpern aus demselben sind, haben die verschiedenen sogenannten bituminösen Stoffe in neuerer und neuester Zeit eine immer größere Wichtigkeit erlangt. Schon in den alttestamentlichen Zeiten bekannt und geschätzt, haben sie freilich erst durch die Fortschritte der Wissenschaft, Technik und Industrie in unseren Zeiten eine Verbreitung und Verwendung gefunden, die früher durchaus unmöglich gewesen wäre.
Holz und andere Pflanzenstoffe erleiden nach ihrem Absterben Veränderungen, die sehr verschieden sind, je nachdem Luft zutreten kann oder nicht. Im letzteren Fall vermindert sich bekanntlich die Menge des Wasser- und Sauerstoffs immer mehr, die rückbleibende Masse wird reicher an Kohlenstoff, weil sich dieser in geringerem Maße vermindert. So entsteht, wenn wir dabei von der geringen Stickstoffmenge im Holz absehen und ebenso von dem Gehalt an Asche, aus
Holz mit Kohle 50 %
Wasserstoff 6 %, Sauerstoff 44 %.
Torf mit Kohle 60 %
Wasserstoff 6 %, Sauerstoff 34 %.
Braunkohle mit Kohle 75 %
Wasserstoff 5 %, Sauerstoff 12 %.
Steinkohle mit Kohle 83 %
Wasserstoff 5 %, Sauerstoff 12 %.
Anthrazit mit Kohle 93 %
Wasserstoff 4 %, Sauerstoff 3 %
Graphit mit Kohle 100%
Wasserstoff 0, Sauerstoff 0.
Die weggegangenen Prozente Wasserstoff und Sauerstoff haben sich mit Kohle verbunden und teils gasförmige, teils flüssige, teils feste Bestandteile gebildet und gerade die beiden letzteren werden ganz allgemein als bituminöse Substanzen zusammengefasst. Naphtha, Petroleum, Asphalt, Erdwachs usw. gehören hierher. Sie sind Gemenge von verschiedenen ölartigen Körpern, welche verschiedene chemische Zusammensetzung und verschiedene Siedepunkte haben, meist unangenehm riechen, und mehr oder weniger dunkel gefärbt sind. Herrschen die flüssigen Bestandteile vor, so wird ein solches bituminöses Gemisch andere Eigenschaften haben müssen, als wenn die erst bei höheren Temperaturen schmelzenden Bestandteile vorherrschen. Auch können erstere nach und nach in letztere sich verwandeln, denn wenn die leichtflüchtigen Teile verdunsten, dann werden die erst bei hoher Temperatur schmelzenden und verdampfenden Bestandteile zurückbleiben.
Gerade infolge der mannigfachen Zusammensetzung aus sehr verschiedenen Bestandteilen sind aber auch kaum scharfe Grenzen zwischen den verschiedenen natürlichen Vorkommnissen zu ziehen. Petroleum ist an der einen Stelle dünnflüssig an einer anderen teerartig. Dieser Bergteer wird dann wachsartig konsistent und wird in diesem Zustand Ozokerit genannt; nach Verfestigung und mit glänzend muscheligem Bruch geht er in Asphalt über.
Zunächst soll nur von diesem die Rede sein, doch war vorher zu zeigen, dass Asphalt nicht eine ganz bestimmte Substanz von gleichmäßigen chemischen und physikalischen Eigenschaften ist, sondern nur eine Gruppe von Gliedern aus der sehr langen Kette der bituminösen Substanzen.
Der Asphalt, auch Erdpech genannt, ist bei gewöhnlicher Temperatur fest, sehr brüchig, hat einen breitmuscheligen, sehr schönen schwarzen Bruch, gepulvert aber zeigt seine Farbe einen Stich ins Braune. Das spezifische Gewicht ist von dem des Wassers wenig verschieden; manche Stücke schwimmen auf Wasser, andere sinken darin unter. Bei etwas erhöhter Temperatur wird der Asphalt weich, und bei 100° ist er geschmolzen und schwimmt dann auf Wasser. Säuren und Alkalien zeigen nur geringe oder keine Einwirkung auf denselben. In Weingeist ist er wenig, mehr in Terpentinöl und Äther löslich, doch bleibt dabei ein ungelöster Bestandteil zurück, der erst bei einer höheren Temperatur als 100° schmelzbar ist. Bei der trockenen Destillation des Asphalts entweichen flüchtige Öle von verschiedenen Siedepunkten und zurück bleibt ein Rest glänzender und poröser Koks.
Nur in seltenen Fällen tritt der Asphalt in der Natur massenhaft für sich auf. Am berühmtesten ist das Vorkommen auf Trinidad, der südlichsten und größten Insel der Kleinen Antillen.
Nahe der Küste ist ein See von rund 4 km Umfang; seine Oberfläche ist schwarz von großen Schollen Asphalts, zwischen welchen die Silberfäden des Wassers glänzen. Am Rand des Sees sind die Schollen auf der Oberfläche fest, aber schon in geringer Tiefe, mehr noch in weiterer Entfernung nach der Mitte des Sees hin wird der Asphalt weich; bei kühlem Wetter in der Regenzeit kann ein Neugieriger recht wohl eine Strecke weit von Scholle zu Scholle schreitend oder springend gegen die Mitte hin vorrücken, in der heißen Zeit aber könnte er empfinden, wie es einer Mücke ist, wenn sie auf Zuckersirup fliegt. Mutmaßliche Formation des Asphalts. Der Seegrund besteht am Rand aus Ton, nach der Mitte zu aber aus flüssigem Asphalt; er muss sich darein aus vielen Quellen ergießen. Das Wasser dazwischen ist rein und wohlschmeckend; es ist Regenwasser, das sich während der heißen Zeit fast ganz verliert, so dass zu Anfang Januar der größte Teil des Sees fast ganz trocken ist. Von Ende Januar an bis Mitte Juni ist der Asphalt durch die Hitze ganz geschmolzen und bildet eine brodelnde schwarze Masse. Man gewinnt ihn daher in der Regenzeit, weil es leichter ist, die festen Schollen herauszuschaffen und zu verfrachten.
Das Tote Meer in Palästina soll große Mengen von Asphalt liefern; schon im frühen Altertum war es deshalb berühmt. Doch haben nur wenige neuere Reisende wirklich Asphalt daselbst gefunden; in den seltenen Fällen, wo Schollen davon ans Ufer geworfen werden, ist der Asphalt ein gesuchter Handelsgegenstand für die umherschwärmenden Beduinen. Auch hier befinden sich auf dem Seegrund offenbar Quellen, denen Asphalt entströmt.
Häufiger, aber nicht in so großer Menge tritt der Asphalt im Jurakalk und anderen geologischen Formationen auf, füllt Spalten und Risse im Gestein oder verkittet Sand und gröberes Geröll zu festen Massen, aber auch hier muss ein Aufsteigen des flüssigen Asphaltes aus tiefer gelegenen Schichten durch Spalten und Risse angenommen werden. Teils durch den Druck des auflastenden Gebirges, teils durch die gespannten gasförmigen Kohlenwasserstoffe, die sich gleichzeitig mit dem Asphalt bildeten, wird dieser gezwungen in den Spalten sich emporzuheben; er wird in Seitenspalten gepresst und durchdringt Sandlager etc. Sehr wesentlich wird sich das Asphaltvorkommen in einer späteren Periode verändert zeigen, wo durch Auswaschung ein Tal gebildet wurde, denn dann lassen sich vielfach die früheren Verbindungen der asphaltführenden Schichten mit der Kluft, in welcher ein Aufsteigen desselben stattfand, nicht mehr nachweisen.
Derartige Vorkommnisse finden sich auch in Deutschland, wenn auch nicht häufig und in großer Menge; so mit Sand gemischt in Hannover, bei Dülmen, Bechelbronn, im Elsass und anderen Orten. Bei weitem die größte Menge des in der Technik verwendeten Asphalts wird aber aus dem Ausland eingeführt.
Schon im Altertum wurde Asphalt angewendet als Baumaterial anstatt Mörtel zur Verbindung von Steinen. Auch in beträchtlicher Menge benutzt wurde er beim Einbalsamieren der Leichen in Ägypten, doch ist diese Verwendung für unsere Betrachtungen von untergeordneter Bedeutung; dasselbe gilt auch von seiner auch jetzt noch ausgedehnten Verwendung zu Lacken.
Doch möchten wir mit einigen Worten noch eingehen auf seine Benutzung als Material zur Straßenbedeckung, die bei uns noch viel weniger Verwendung gefunden hat, als anderwärts. Auf eine feste Steinunterlage wird ein heißer Brei aus Asphalt und Flusskies in kleineren Partien ausgegossen, mit nassen Hölzern ausgebreitet und mit Streichbrettern geglättet. Auflegen des geschmolzenen Asphalts bei der Herstellung eines Trottoirs. Unterdes ist in einem rotierenden Kessel, der eine große Ähnlichkeit mit einem Kaffeebrenner hat, eine neue Partie Asphalt geschmolzen und mit trockenem Kies gemischt worden, wird nun neben dem vorher geglätteten Stück Trottoir ausgebreitet und verbindet sich mit diesem vollständig. Auch Fahrstraßen können auf diese Weise hergestellt werden – die Boulevards in Paris sind damit versehen – und haben sich dieselben sehr bewährt. Es entsteht kein lästiger Staub, der Straßenschmutz bei Regenwetter ist sehr gering, die Zugtiere werden bei der geringen Reibung viel weniger angestrengt und an ›Schiff und Geschirr‹, wie sich der Fuhrmann ausdrückt, d. h. an den Fuhrwerken und dem Lederwerk der Zugtiere wird bedeutend gespart. Ein Pariser Ingenieur berechnet die jährliche Ersparnis der Fuhrwerksbesitzer in Paris durch Einführung der Asphaltpflasterung auf die enorme Summe von neun Millionen Francs. (!?)
Licht bringt Schatten hervor. Auch die Asphaltpflasterung hat ihre Schattenseiten. Die Pferde stürzen auf derselben leichter als auf Steinpflaster, auch sind häufige Reparaturen erforderlich, namentlich, wenn an den Gas- oder Wasserleitungen etwas zu ändern ist. Aber auch durch Lastfuhrwerke kann das Asphaltpflaster sehr leiden, wenn die Unterlage nicht vollkommen fest und widerstandsfähig, sowie wenn das Material selbst fehlerhaft ist. Eine zu dünne Schicht von Asphalt ist der größte Fehler. Wird aber die Masse in dickere Blöcke gegossen, so werden diese selbst den stärksten mechanischen Einwirkungen widerstehen. Ja es ist sogar mit ausgezeichnetem Erfolg mehrfach versucht worden, große Maschinen, die einen festen Unterbau haben müssen, auf einem Block von Asphalt und Kies oder Sand zu montieren. Weder die Erschütterungen der Maschine, noch die oft bis zu 30° steigende Temperatur hat irgendwelchen nachweisbaren Schaden im Gefolge gehabt. Die Zähigkeit und Elastizität dieser Masse ist außerordentlich groß.
Doch ist hier nur von dem natürlich vorkommenden Asphalt die Rede. Bei der Destillation des Steinkohlenteers, um die wertvollen Teeröle zu gewinnen, bleibt eine schwarze brüchige Masse zurück, es ist der sogenannte künstliche Asphalt, der aber nicht zu den angeführten Zwecken verwendbar ist. Wird er nun mit dem natürlichen Asphalt vermischt oder für sich allein zur Pflasterung verwendet, so wird diese gar keinen Halt haben und infolge ihrer Sprödigkeit rasch zerbröckeln. Derartige Versuche haben die Asphaltpflasterung vielfach in Verruf gebracht, aber mit Unrecht. Bei Verwendung des richtigen Materials wird man auch einen dauernd guten Erfolg erzielen.