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Die amerikanische Zylinder-Presse

Die Gartenlaube • 1861

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Unter dem elektrischen Drahtnetzwerk, das sich immer dichter über den Londoner Häuser-und Schornsteinmassen verstrickt, bemerkt man leicht hier und da einen Mittelpunkt zusammenlaufender Fäden, die sich an hohen turmartigen Säulen vereinigen und von da ins Innere herabzucken. Ganz besonders fällt ein so geschmückter Palast in der Zeitungsgegend der City auf. Es ist die tägliche Geburts- und Werkstätte einer der drei Penny-Zeitungen: Standard, Daily Telegraf und Morning Star, deren jede täglich in 48 Folio­spalten á 150 Zeilen, á 40 – 50 Buchstaben und daher – mit Rücksicht auf die vielen engge­druckten Teile – in ungefähr 8000 Zeilen und beinahe einer halben Million Buchstaben erscheint und jeden Morgen frisch überall hundert Meilen rund um London für einen Penny tausendfach ausge­schrien und Millionen von Menschen in Omnibus, Eisenbahnen und Dampfschiffen vor die Nase gestoßen wird. Die drei Penny-Zeitungen erscheinen täglich in mehr als 200 000 Exemplaren, wovon auf eine einzige mehr als die Hälfte kommen.

Über 100 000 Exemplare, jedes mit etwa einer halben Million Buchstaben, alle Morgen frisch, das will geschrieben, gesetzt und besonders gedruckt sein!

Beachten wir hier bloß das letzte Wunder – den Druck. Wer nur die oberflächlichste Kenntnis von dem Mechanismus des Druckens, auch in seiner voll­kommensten Art mit Dampf, besitzt, wird sich sagen, dass eine Zeitung, die immer von Abend bis etwa morgens um 2 Uhr geschrieben und gesetzt wird, nicht mit den bei uns bekannten voll­kommensten Mitteln schon früh um 7 Uhr in 100 000 Exemplaren über die Welt hinfliegen kann.

Dies ist nur möglich mit einem dampfgetriebenen Mechanismus, der mehr leistet, als alle in Deutschland bis jetzt tätigen Dampfpressen, mit der Hoeschen ›Zehn-Zylinder Typen-Revol­vierungs-Maschine‹, wie sie offiziell genannt wird. Meines Wissens ist noch kein solches Wunder in Deutschland tätig. Man könnte sie hier auch schwerlich verwerten und genügend füttern. Polizei und Steuern und eine alt­väterische, faule Art, Zeitungen zum Verkauf zu bieten und zu lesen, also Behörden und Publikum und Zeitungseigentümer zugleich sorgen nach Kräften dafür, dass keine Zeitung wohlfeil, frisch und in 100 000 Exemplaren erscheine.

Die Hoesche Maschine wird aber auch bei uns nötig werden, wenn die Schwingen unseres geistigen und materiellen Lebens von den Bleigewichten polizeilicher Furcht und von unserer eigenen Schwerfälligkeit befreit sind. Bis jetzt hat es bloß ein Organ in Deutschland bis über 100 000 Exemplare gebracht, keine Zeitung, sondern das Blatt, das der Leser nicht erst zu suchen braucht, wenn er Die Gartenlaube liest.

Sie hat auch zuerst auf die Hoesche Presse aufmerksam gemacht. Wir versuchen hier, mit Hilfe einer Abbildung, eine bestimmtere Vorstellung von diesem genialen und praktischen Wunderwerk des amerikanischen Oberst Richard Hoe beizubringen, ohne uns dabei auf technische Einzelheiten einzulassen, die ohne technische Vorkenntnisse und entsprechende mathematische und mechanische Einzelheiten doch schwerlich verständlich werden würden.

Amerikanische Zylinder-Presse

Das Haupt- und Mittelstück der Maschine ist ein horizontaler, großer Zylinder, 1,4 m Durchmesser, der sich, mit den gesetzten Buchstaben auf einem Teil seiner Oberfläche, dreht und damit andere Zylinder, die sich an ihn schließen, in drehende Bewegung setzt. Die abzudruckenden Buchstaben oder Typen nehmen bloß ein Viertel der Zylinder-Oberfläche ein, der andere Raum dient mit als Druckerschwärze verbreitendes Mittel. Um diesen Haupt-Zylinder herum liegen parallel zehn kleinere, die Druck-Zylinder, die, während sich ersterer je einmal umdreht, jeder einen weißen Bogen Papier drehend gegen die Typen drucken und so mit jeder Umdrehung des großen Zylinders zehn bedruckte Bogen liefern. Zu beiden Seiten dieses Walzwerks sehen wir in den verschiedenen Etagen der Maschine Jungen, welche jeden der zehn Druck-Zylinder immer mit neuen Bogen versehen. Das ist eine sehr einfache Operation. Die Bogen liegen platt übereinander vor ihnen, so dass sie immer nur den obersten durch einen Druck und Strich mit einem platten Stück Elfenbein zu lockern und an dem einen Rand ein wenig zu lüften brauchen, um sie den metallenen Fingern der Maschine zugänglich zu machen, die dann von selbst den Bogen glatt und sicher in den Mechanismus reißen. Dieser bedruckt die Bogen und liefert sie sicherer, leichter und schneller, als irgendein intelligenter Organismus erlernen könnte, bedruckt platt übereinander mit Hilfe von großen Klappen und Flügeln, wie sie auf der rechten Seite besonders sichtbar werden, auf verschiedenen Stellen ab.

Die Quelle der Druckerschwärze befindet sich unter dem Haupt-Zylinder, von wo sie durch Verteilungs- und Aus­gleichungs-Zylinder nach jeder Druck-Operation frisch auf die Typen gedrückt wird. Die sichere, leichte Art und Weise, wie dies durch bloße Umdrehungen der verschiedenen Zylinder geschieht, kann hier um so weniger veranschaulicht werden, als wir im Bild gerade vor der Maschine stehen und keinen Anblick von einer Seite gewinnen.

Wir bemerken nur noch, dass die Leichtigkeit und Sicherheit, womit die Maschine 20 - 30 000 Bogen in der Stunde druckt, auch das dünnste und schwächste, daher wohlfeilste Stroh-Druckpapier verwendbar macht, wie denn auch alle drei Penny-Zeitungen auf solchem Papier erscheinen, wenn sie sich inzwischen nicht schon der befreiten Einfuhr ausländischen Papiers (Deutschland besteuert höchst unnobel noch die Lumpen­ausfuhr) bemächtigt haben und deutsches Papier brauchen.

Ein großer Vorteil der Maschine ist noch, dass trotz der gerundeten Stellung der Typen-Formen gewöhnliche Typen verwendet werden, nicht, wie für andere Zylinder-Pressen, express dazu gegossene. Die Querlinien, womit die Typen befestigt werden, müssen natürlich dem Zylinder entsprechend etwas gerundet sein, während die längs angebrachten ganz gerade sind. Die einfachen mechanischen Vorrichtungen zur Befestigung der gradlinigen Typen in der rundlich gebogenen Form, so dass sie sogar fester stecken, als in einer ganz ebenen, beruhen auf Schraubenwerten, die sich ohne Zeichnung nicht leicht erklären lassen. Hier kam es uns bloß darauf an, ein Bild von der Maschine zu geben, welche im Stande ist, in jeder Stunde 30 000 Bogen zu bedrucken, welche Leistung, bloßen Menschenhänden anvertraut, kaum für den hundertfachen Preis möglich wäre.

Sie wird von einer 24-PS-Maschine getrieben, die jeden Augenblick von der Einwirkung auf die Presse so getrennt werden kann, dass letztere in demselben Augenblicke absolut stillsteht, um durch einen einzigen Griff wieder sofort in Arbeit versetzt zu werden.

Die Presse wiegt über 900 Zentner, ist 10½ m lang, 3½ m breit und 2½ m hoch. Sie kostet an Ort und Stelle in der Hoeschen Anstalt etwa 8000 Pfund Sterling und einen guten Teil Transport in 40 – 50 verschiedenen Kisten und Kästen. Sie arbeiten zu sehen, ist ein Genuss, den sonst keine dampf­mechanische Tätigkeit gewähren kann, da sich hier Großartigkeit und spielendste Feinheit mit wunderbar erscheinenden Wirkungen vereinigen.

• Auf epilog.de am 7. Mai 2025 veröffentlicht

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