Forschung & Technik – Erfindungen & Patente
Der amerikanische Schreibstift
Das Neue Universum • 1880

Wer viel zu schreiben hat, weiß hinreichend, welchen Ärger gelegentlich Feder und Tinte bereiten. Bald haftet die Tinte nicht genügend an der Feder und man ist gezwungen, nach einigen Sekunden dieselbe neuerdings einzutauchen; bald ist die Tinte zu dick oder es hängen sich Härchen an die Spitze der Feder oder die letztere hat ihre Elastizität eingebüßt, sie ist rostig geworden und muss meist durch eine andere ersetzt werden. Die Goldfeder ist von den hier gerügten Mängeln der Stahlfeder vielfach frei, aber auch bei ihr kann man das häufige Eintauchen in das Tintenfass natürlich nicht umgehen.
Die Amerikaner, von der Ansicht ausgehend, dass Zeit Geld ist, und dass eine Feder die nicht ins Tintenfass getaucht zu werden braucht, folglich im Kampf ums Dasein ihrer tauchbedürftigen Konkurrentin überlegen sein muss, haben Schreibstifte eingeführt, die viele Vorteile besitzen.
Die Abbildungen zeigen zwei Schreibfedern, oder besser Schreibstifte, neuer Konstruktion, die sich in vieler Beziehung vor anderen derartigen Erfindungen auszeichnen, und zwar den ›Mackinnon-Schreibstift‹ in Abb. 1 u. 2 und den Schreibstift der ›Stylografic Pen. Co.‹ in Abb. 3.
Abb. 2. Der Mackinnon-Schreibstift, zusammengelegt und im Durchschnitt. Die zylindrischen Halter sind hohl und münden in eine feine konische Spitze aus, die durch eine stumpfe Nadel an einer kleinen Feder geschlossen ist.
Die Röhre wird mit gewöhnlicher Schreib- oder Kopiertinte gefüllt, die durch Kapillaranziehung bis in die äußerste Spitze der Feder gezogen, aber durch die Nadel vom Ausfließen abgehalten wird. Drückt man die Spitze der Feder auf das Papier, so geht die Nadel zurück und die Tinte fließt langsam und beständig aus. Sobald der Druck aufhört, schließt die Nadel die Ausflussöffnung wieder und die Tinte ist von der Außenluft abgeschlossen, so dass sie nicht eintrocknen oder sonst verderben kann. Die Bewegung der Nadel hält die Spitze rein, selbst wenn einmal eine Verunreinigung oder teilweise Verstopfung der Öffnung durch ein festes Teilchen in der Tinte stattfinden sollte. Um die Spitze der Feder zu schonen, wenn dieselbe in der Tasche getragen wird, wird auf dieselbe ein Hut aufgesetzt, der beim Gebrauche der Feder an die andere Seite angesteckt wird.

Als Material für diese Federn sind solche Stoffe gewählt worden, die weder von der Tinte noch von der Atmosphäre in irgendeiner Weise angegriffen oder gar zerstört werden können. Das Hauptmaterial ist daher Hartgummi, der auf billige Weise hübsch ziseliert und mit Goldverzierungen versehen werden kann. Der konische Ansatz besteht aus Gold; er endigt in einer Spitze von Iridium, einem Metall, das sich durch die Reibung auf dem Papiere fast gar nicht abnutzt. Für die inneren Teile sind noch Silber und Platin benutzt. Die Vorzüge, die solche Schreibstifte vor den früheren Gänsekiel-, Stahl- und Goldfedern besitzen, sind augenscheinlich. Sie sind nicht allein von großer Bequemlichkeit und Nützlichkeit für Leute, die viel zu schreiben haben, sondern sie sind ein fast unumgängliches Bedürfnis für solche, die auf Reisen etc. Notizen machen wollen, die sich nicht so leicht verwischen lassen wie die Bleistift-Schrift. In Folge dessen finden wir diese Reservoir-Schreibstifte hauptsächlich von Advokaten, Reportern, Reisenden und anderen Berufsklassen benutzt.