VerkehrSchifffahrt

Alte Schiffshebebahnen

Prometheus • 10.6.1896

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Die Binnenschifffahrt muss über gewisse Mittel verfügen, welche es ihr ermöglichen, nicht schiffbare Höhenunterschiede in Flussläufen oder Kanälen mit Schiffen zu überschreiten. Es dienen dazu die bekannten Kammerschleusen, deren Erfindung dem italienischen Ingenieur Visconti 1439. zugeschrieben wird. Dem genialen Leonardo da Vinci ist ihre Einführung auch in Frankreich zu danken, wo man, nach seinem Tode, im Jahr 1538 an der Vilaine die erste Schleuse nach seinem System erbaute. In neuerer Zeit hat man die Schleusenkammern als große schließbare Behälter aus Eisen paarweise nebeneinander auf hydraulische Hebevorrichtungen gesetzt, so dass die eine derselben mit einem von oberhalb kommenden Schiff herabsinkt und durch ihre Mehrbelastung die andere mit einem stromauf fahrenden Schiff hinaufhebt. Mittelst dieser Hebewerke lassen sich viel größere Höhenunterschiede mit einem Male überwinden, als es mit festen Kammerschleusen möglich ist. Das erste derartige Schiffshebewerk nach dem Entwurf des englischen Ingenieurs Clark wurde 1875 bei Anderton in England zur Verbindung des den Trent mit dem Mersey verbindenden Grand-Trunk-Kanals mit dem Weaver­fluss ausgeführt. Nach demselben System, aber in Einzelheiten verbessert, wurden Schiffsaufzüge bis zu 17 m Hubhöhe bei  Louvière in Belgien erbaut. Ähnliche Schiffshebewerke sind bei Fontinettes in Frankreich erbaut worden.

Geneigte Ebene für den SchiffstransportAbb. 1. Geneigte Ebene für den Schiffstransport bei Ning-Po in China.

Die älteste Art jedoch, Schiffe über Höhenunterschiede hinweg­zuführen, ist die mittelst geneigter Ebenen, deren großartigste Anwendung der 1845 – 1860 erbaute Elbing-Oberländische Kanal aufweist. Im Verlauf desselben werden die auf Wagen gesetzten Kähne durch Maschinen auf mehrere bis zu 22 m Höhe ansteigende schiefe Ebenen hinaufgezogen. Ähnliche Vorkehrungen, nur in viel einfacherer Form, sind bei den Chinesen schon lange, aber auch selbst im nördlichen Italien schon seit dem 16. Jahrhundert im Gebrauch. Die Abb. 1 – nach einer von M. A. Tissandier auf seiner Reise in Asien nach der Natur angefertigten Zeichnung – stellt eine solche geneigte Schiffsbahn bei Ning-Po in China dar, auf welcher die flach­bodigen Dschunken mittelst Hand­göpels hinaufgezogen und herabgelassen werden. Eine 3 m breite aus Quadersteinen mit glatter Oberfläche hergestellte Rampe, die eine Neigung von 30° hat, verbindet die in verschiedener Höhe und Richtung fließenden Wasserläufe. Diese allerdings etwas primitive Hebe­weise setzt immerhin eine gewisse Anpassung in der Bauart der Dschunken an dieselbe voraus, insofern die Boote besonders fest gefügt sein müssen, um sich selbst zu tragen, da sie im Wasser keine Unterstützung finden. Außerdem muss der Boden des Bootes bis zu einem gewissen Grad unempfindlich sein gegen die Reibung beim Hinweggleiten über die Rampe.

Geneigte Ebene für den SchiffstransportAbb. 2. Geneigte Ebene für den Schiffstransport aus dem 16. Jahrhundert.

Diesen letzteren Übelstand hat man in Italien – wo es sich außerdem um das Heben auf den Kiel gebauter Boote handelte – bei der Überleitung von Schiffen aus der Brenta in die Lagunen von Venedig (heute fließt die Brenta durch einen Kanal nach Chioggia) durch eine Einrichtung bewirkt, die in den Abb. 2 u. 3 dargestellt ist. Sie ist beschrieben in dem 1607 in Padua erschienenen Buch von Vittorio Zonca Novo teatro de machine et edifici, aus welchem die Abbildungen entnommen sind. Das zu hebende Boot wurde auf einen bis in das Wasser hinabgelassenen schlittenartigen Wagen gezogen, zwischen dessen Mittelschwellen A und C der Kiel Platz fand. Dieser Wagen lief mit vier starken Rollen auf den Laufschwellen B der schiefen Ebene. Geneigte EbeneAbb. 3. Einzelne Teile der geneigten Ebene aus Abb. 2. In die starken Ringe an den Enden der Rahmenschwellen des Wagens wurden die beiden Enden eines Taues einge­schlungen, welches sich beim Hinaufziehen auf die Welle aufwickelte, in deren Zahnrad das Trieb der senkrechten Welle eingriff, die von Pferden, wie ein Göpel, gedreht wurde. Wenn man auch zugibt, dass die maschinelle Einrichtung dieser Anlage der damaligen Zeit im Allgemeinen entsprochen haben mag, so wird man doch zu der Frage gedrängt, weshalb man nicht den Betrieb dieser Doppelbahn so einrichtete, dass das hinabgleitende Schiff das andere hinaufziehen half? Im Vaterland Leonardo da Vincis, des genialen Technikers und Baumeisters, durfte man auf diese Vereinfachung schon kommen. Immerhin ist es eine interessante Idee, die auch den geneigten Schiffs­hebe­bahnen im Verlauf des Elbing-Oberländischen Kanals zu Grunde: liegt, aber hier mit den modernen Mitteln der Technik ausgestattet worden ist. Sie hat in der  Schiffs-Eisenbahn zwischen dem Fure- und Farum-See in Dänemark eine unserer Zeit der Eisenbahnen angepasste Erweiterung gefunden.

• Auf epilog.de am 8. Mai 2025 veröffentlicht

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