Bau & ArchitekturBrücken

Alte Brücken in Kambodscha

Das Neue Universum • 1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Hinterindien mit seinen mächtigen Strömen und weiten sumpfigen Ebenen ist in der Kultur seiner einheimischen Bevölkerung in den letzten Jahrhunderten dauernd zurückgegangen. Wir finden jetzt ein auf niederer Kulturstufe stehendes Naturvolk ohne wesentliche Bedürfnisse, und die wenigen, die noch geblieben sind, können sehr leicht befriedigt werden. Speise und Trank liefert der unerschöpflich reiche Boden auch ohne wesentliche Anstrengung, noch bescheidener sind die Ansprüche an Wohnung und Kleidung. Namentlich Kambodscha, aber auch andere Teile von Hinterindien sind ein Beweis für die früher hochstehende, jetzt so tief gesunkene Kultur, denn wenn auch nicht vollkommen klargestellt ist, in welcher Periode das Land von einem hochgebildeten und sehr tätigen Volk bewohnt war, so erkennen wir doch diesen früheren Zustand einer hohen Kultur an riesigen Baudenkmälern, an Ruinen von mächtigen Städten und herrlichen Tempeln, die Zeugnis ablegen, dass früher andere Zeiten im Lande herrschten und ein anderes Volk dasselbe bewohnte. Alle Reisende aber, welche die jetzt meist im Urwald begrabenen und verschollenen Bauherrlichkeiten einer vergangenen Zeit zu sehen Gelegenheit hatten, sind voll ihres Ruhmes und können nicht genug ihrem Staunen Ausdruck geben.

In dieser früheren Zeit besaß Kambodscha eine tätige und wachsame Regierung; eine wohlgeregelte Verwaltung war eifrig darauf bedacht, die Verkehrswege in gutem Zustand zu halten, durch welche die befestigten Plätze und die von zahlreichen Wallfahrern besuchten heiligen Tempeln verbunden waren. So finden wir denn auch jetzt noch dies weite Land durchzogen von alten Landstraßen, welche wie künstliche Hügel die sumpfigen Gebiete durchziehen, die in diesem Teile des tropischen Asien so häufig und weit ausgebreitet sind.

Jetzt hat der Urwald oder dichtes Röhricht die früher kultivierten Stellen mit Sturm eingenommen und unter einer undurchdringlichen Masse der verschiedensten tropischen Pflanzen begraben. Die Abzugsgräben für das Wasser sind zugeschwemmt, und nur stellenweise finden sich noch an der Seite der alten Straßen große viereckige, tiefe Behälter mit klarem Wasser angefüllt, welche dazu dienten, in der trockenen Jahreszeit die Menschen und das Zug- und Lastvieh zu tränken; öfter noch aber sind diese Behälter verschwunden und haben Reispflanzungen oder übelriechenden Morästen Platz gemacht.

Wenn auch in diesen alten Straßen und Wasserbehältern eine enorme Masse von Arbeit steckt, die von den früheren Bewohnern ausgeführt werden musste, so ist dies bei den Brücken noch viel mehr der Fall. Es gibt kaum etwas, das mehr den Eindruck hohen Alters machte, als sie. Dazu kommt die sie umgebende Vegetation, die mächtigen Bäume auf dem ruinenartigen Mauerwerk, die Gegensätze in den Farben, das lebhafte Grün der reichen Pflanzenwelt, das schwärzliche Braun der angehäuften Steinmassen, das Gelb des Flusssandes und der silberweise Schaum des Stroms, um ein so malerisches Bild hervorzuzaubern, dass es würdig wäre, von einem großen Künstler aufgenommen zu werden. Kommt dazu noch weiter die magische Beleuchtung durch die untergehende Sonne, welche ihr Gold über die wilde Natur und die Schöpfungen eines untergegangenen Volkes ausgießt, während andere Teile der Gegend schon in tiefe Dämmerung gehüllt sind, so kann man sich keinen Anblick denken, der an magischer Schönheit höher stände.

Brücke in KambodschaAlte Steinbrücke in Kambodscha.

Die Baukünstler jener frühen Zeit hatten noch keine Kenntnis von dem Gewölbebau. Sie mussten, um eine Brücke zu errichten, die Pfeiler sehr nahe aneinander rücken, dabei jede obere Steinlage gegen die untere etwas vorspringen lassen, so dass die Entfernung der Pfeiler nach oben sich verminderte, und dann durch einen horizontalen Schlussstein die Verbindung herstellen.

Doch sind die Bausteine oft sehr große, regelmäßig zugehauene parallelepipedische Quadern aus einem eisenschüssigen, mit vielen Hohlräumen durchzogenen Konglomerat. Die Fahrbahn aber ist aus Kalkquadern gebildet und das Geländer an den Seiten oft durch Bildwerke geschmückt, unter welchen ein vielköpfiger Drache eine besonders wichtige Rolle spielt und zum malerischen Aussehen wesentlich beiträgt.

Unter diesen eigentümlichen Umständen konnte auch zwischen je zwei Pfeilern nur eine enge Öffnung bleiben, welche etwa die Breite der Pfeiler selbst hatte. Dadurch wurde aber der Fluss oberhalb der Brücke gestaut, ganz besonders dann, wenn das Wasser stieg; es kommt aber oft vor, dass in wenigen Stunden ein Anschwellen um mehrere Meter stattfindet. Um nun die Zerstörung ihrer Brücke zu verhindern, nahmen die alten Architekten Zuflucht zu einem Mittel, welches freilich viel Geld und Arbeit kostete. Sie wählten nämlich zum Brückenbau eine Stelle aus, wo das Flussbett und das Tal breiter als an anderen Stellen waren. Dann wurde die Brücke auf eine weite Strecke hin erbaut und das gestaute Hochwasser mochte dann über die Ufer treten und zwischen den Landpfeilern sich einen Weg suchen.

Viele dieser alten Brücken existieren noch. Alle, die man gefunden hat, sind in derselben Weise gebaut und unterscheiden sich untereinander nur durch ihre Länge und die Anzahl der Pfeiler. Einige trugen in der Mitte ein Denkmal, waren wohl auch sonst mit Steinbildern geschmückt. Ohne Zweifel bleibt ein Teil derselben noch zu entdecken; sie sind begraben in den weiten Urwäldern und in den wilden Morästen. Von denjenigen, welche bis jetzt gefunden wurden, sind die wenigsten passierbar; die obere Bahn ist meist zerstört, vielfach auch die Pfeiler geborsten. Teils haben die Wurzeln der darauf sich mehr und mehr ausbreitenden Bäume, teils die Gewässer die Zerstörung bedingt. Das Getöse, welches die angestauten Hochwasser veranlassen, wenn sie das durch die Brückenpfeiler entstehende Hindernis zu überwältigen suchen, ist derart fürchterlich, dass selbst die Elefanten erschrecken und den Gehorsam zu kündigen drohen. Man ist dann genötigt, eine andere Stelle zum Passieren des Flusses aufzusuchen oder zu warten, bis sich das Hochwasser verlaufen hat. Für das jetzige Geschlecht der Eingeborenen sind diese Brücken nicht eine stolze Erinnerung an eine große Zeit, die hinter ihnen liegt, sie sehen in denselben nur einen Ort, wo der Fischfang leicht und ergiebig betrieben werden kann. Große Netze von Bambus und Rotang werden stromabwärts vor der Brücke ausgespannt und füllen sich immer wieder aufs neue mit reicher Beute.

• Auf epilog.de am 21. Oktober 2024 veröffentlicht

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