Handel & Industrie – Fabrikation
Leipzigs Industrien
Ätherische Öle und Essenzen
Die Gartenlaube • 1873
Durch seine günstige Lage, durch den Unternehmungsgeist seiner Bewohner und deren altbewährte strenge Solidität ist Leipzig seit Jahrhunderten der Sitz eines blühenden Handels gewesen. Hat auch die Konzentrierung des geschäftlichen Lebens in den weltberühmten Messen gegenwärtig unter den völlig veränderten Verhältnissen nicht mehr die Bedeutung wie zu der Zeit, wo noch nicht Tausende von Geschäftsreisenden die Konsumenten besuchten, wo Eisenbahnen noch nicht den direkten Verkehr von Produzenten und Käufern so leicht machten, wie heutzutage, so hat doch der Handel unserer Stadt dadurch keine Einbuße erlitten, er ist von den Söhnen der Väter in gleichem Sinne gepflegt und hat, in immer größeren Bahnen sich entwickelnd, von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewonnen.
Wir wollen es versuchen, einige der interessantesten Industriezweige in ihren Werkstätten zu belauschen und zu schildern, und beginnen heute mit der Fabrikation der ätherischen Öle und Essenzen.
Unter dem gemeinsamen Namen der ätherischen Öle fasst man eine große Gruppe von verschiedenen Körpern zusammen, welche im Pflanzenreich ungemein verbreitet vorkommen. Reich daran sind namentlich manche Blüten, Früchte, Samen, Hölzer. Ihnen verdanken diese ihren eigentümlichen Geruch, ihren Geschmack, zum Teil ihre Heilwirkung. So verschiedenartig der uns von den einzelnen Blumen und Früchten entgegenströmende Duft ist, eben so viele verschiedene ätherische Öle werden von den Pflanzen produziert. Und wie der Geruch der einen Pflanze durchdringend sein kann, während man den der anderen kaum wahrnimmt, so liefert die eine Pflanze das ätherische Öl in großer Menge, während die andere kaum Spuren davon enthält. Sehen wir, wie die eine Pflanze ihren Wohlgeruch nur bei der Entfaltung ihrer Blüte verbreitet, im Verwelken aber nichts mehr davon wahrnehmen lässt, während die andere selbst im getrockneten Zustande noch nach langer Zeit ihren Geruch unverändert erhält, so sind auch die den Geruch bedingenden ätherischen Öle zum Teil fast unveränderlich, zum Teil so leicht zersetzbar, dass ihre Abscheidung und Gewinnung außerordentlich schwierig oder ganz unmöglich ist. Den zarten Wohlgeruch der Rose können wir auf Flaschen ziehen, während den der stärker riechenden Hyazinthe noch niemand in reiner Form gesehen hat.
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