VerkehrSchifffahrt

Beiträge zur älteren
Geschichte der Leuchttürme

Von Richard Hennig

Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie • 1915

Voraussichtliche Lesezeit rund 35 Minuten.

Nach der üblichen Darstellung waren dem Altertum einige Jahrhunderte lang die Leuchttürme bereits bekannt. Dann soll mit dem Sinken der römischen Weltmacht die Kenntnis dieser unvergleichlichen Sicherheitsvorrichtung für die Seeschifffahrt so gut wie vollständig verloren gegangen sein, um erst am Anfang des 12. Jahrhunderts wieder zu Ehren zu kommen, als ein neuer lebhafterer Seeverkehr und Seehandel sowohl auf dem Mittelmeer wie auf der Ostsee einsetzte, dank dem Verkehrsbedürfnis der großen italienischen Seestädte und der deutschen Hanse.

So ungefähr stellt sich der geschichtliche Entwicklungsgang des Leuchtturmwesens nach den zuverlässigsten Untersuchungen dar, unter denen die umfassende Arbeit von Veit­meyer an erster Stelle zu nennen ist. Ich möchte auf Grund eigener Studien meinen, dass diese Auffassung in einigen Punkten der Richtigstellung bedarf. Schon Veit­meyer hat mehrere der früheren Irrtümer aufgeklärt; ich glaube, im folgenden den Beweis erbringen zu können, dass die Geschichte des Leuchtfeuerwesens sich sehr viel stetiger abgespielt hat, als man bisher annahm, dass von einem ›Verloren gehen‹ dieser kulturell bedeutsamen Einrichtung am Ausgang des Altertums gar keine Rede sein kann, dass vielmehr Leuchtfeuer an einzelnen besonders wichtigen Punkten der zumeist befahrenen Meere während des ganzen Mittelalters gebrannt haben.

Ein Irrtum, den schon Veit­meyer klargestellt hat, der aber trotzdem auch in sachkundigen Darstellungen noch keineswegs ausgerottet ist, ist die Ansicht, dass das Leuchtfeuerwesen bis in frühgeschichtliche Zeit zurückgehe. Es ist unbegreiflich, wie diese Fabel etwa in der Ausgabe von 1906 des 12. Bandes des Meyerschen Konversations-Lexikons noch wider­klingen kann, wo es ausdrücklich heißt: »Leuchtfeuer werden schon von Homer erwähnt (Odyssee X, 28; Ilias XVIII, 207 und XIX, 375).«

Derartige grobe geschichtliche Irrtümer haben erfahrungsgemäß ein unglaublich zähes Leben, ungeachtet aller Widerlegungen – man denke etwa an Papins angebliche Dampfschifffahrt auf der Weser vom Jahre 1707, die munter in den einschlägigen Schriften weiter spukt, obwohl sie schon 1881 einwandfrei als Legende erkannt worden ist! Demgemäß wird es nicht unzweckmäßig sein, auch an dieser Stelle ganz kurz den Tatbestand nochmals klarzulegen, der zu der Fabel von den Leuchtfeuern in homerischer Zeit Veranlassung gegeben hat. Die als besonders beweiskräftig oft angeführte Stelle der Odyssee lautet in der Voßschen Übersetzung:

»Und in der zehnten Nacht erschien uns das heimische Ufer,
Dass wir schon in der Nähe die Feuerwachen erblickten.«

Wenn diese Worte wirklich im Original-Homer ständen, würde man den Ausdruck ›Feuerwachen‹ allerdings nur auf Wachen an Leuchtfeuern deuten können, obwohl von vornherein nicht recht klar ist, was solche Seefahrtzeichen auf der Hirteninsel Ithaka für eine Bedeutung gehabt haben sollten. Nun lautet aber das ausschlaggebende Wort bei Homer πυρπολέοντας = die ums Feuer Beschäftigten, und es ist somit ohne weiteres klar, dass Voß falsch übersetzt hat, dass es sich um zufällig brennende Feuer, nicht aber dauernde Wacht- und Signalfeuer an bestimmten Stellen handelt.

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• Auf epilog.de am 25. März 2025 veröffentlicht

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