DaseinsvorsorgeEnergieversorgung

Windenergie-Insel mitten in der Nordsee

tvi.ticker • 13. Juni 2016

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

TenneT hat eine Vision für den Bau eines umfassenden europäischen Stromsystems in der Nordsee auf der Grundlage eines Verteil- und Drehkreuz-Systems entwickelt. Die von TenneT entwickelte Vision unterstützt das Erreichen der CO₂-Reduzierungsziele. Im Mittelpunkt dieser Version steht die Errichtung einer Insel mitten in der Nordsee.

Nordsee-Infrastruktur: Die Vision

Wind- und Sonnenenergie wird in großem Umfang benötigt, da das Erreichen der Ziele Europas zur Senkung des CO₂-Ausstoßes wesentlich von der Produktion erneuerbarer Energien abhängt. Darüber hinaus ergänzen sich Wind- und Sonnenenergie: Vom Frühjahr bis zum Herbst scheint die Sonne häufiger und in den Wintermonaten steht mehr Wind zur Verfügung. Windenergie-InselFoto: TenneT Ein nachhaltiges, stabiles und zukunftssicheres Energiesystem benötigt daher gleichermaßen Sonne und Wind in hohem Maße. Die von TenneT entwickelte Vision schafft einen Ausgangspunkt für einen gemeinsamen europäischen Ansatz bis 2050 und konzentriert sich insbesondere auf die Nordsee als Quelle und Verteilerdrehkreuz für die Energiewende in Europa. Ein geeigneter Standort für diese Insel muss eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Er muss von hohen, dauerhaften Windstärken gekennzeichnet sein, zentral liegen und sich in relativ seichtem Wasser befinden. Die Doggerbank erfüllt all diese Kriterien als Standort für ein zentrales Drehkreuz.

Weit draußen auf See, aber dennoch günstiger

Die zuerst für Offshore-Windparks zu nutzenden relativ küstennahen Gebiete werden langfristig keine ausreichenden Kapazitäten zur Deckung des Bedarfs an Offshore-Windenergie bieten. Aus diesem Grund müssen mögliche Standorte in größerer Entfernung zur Küste in Betracht gezogen werden. Der Nachteil besteht in den wesentlich höheren Kosten. Die Bau- und Instandhaltungskosten der sehr küstenfernen Windparks sind höher und die Windparks müssten über im Verhältnis teurere, einzelne Gleichstromleitungen verbunden werden. Wechselstromtechnologie kann für den Anschluss von Offshore-Windparks auf hoher See nicht verwendet werden, weil der Stromverlust während der Übertragung an das Onshore-Netz inakzeptabel hoch ist. Durch den Bau einer in relativ geringem Abstand von Windparks umgebenen Insel würde die auf hoher See erzeugte Windenergie die gleichen Kostenvorteile bieten wie die küstennah erzeugte Windenergie. Für die geringeren Abstände zwischen den Offshore-Windparks und der Insel können weitaus günstigere Wechselstromverbindungen genutzt werden. Die Insel bietet darüber hinaus weitere erhebliche Kostenvorteile, da Personal und Material hier dauerhaft untergebracht werden können.

Der Wind-Konnektor

Die erzeugte Windenergie muss so effizient wie möglich zum Verbraucher transportiert werden. Der von den Windparks erzeugte Wechselstrom wird von den Konverterstationen auf der Insel für die Übertragung auf das Festland zu einem der Nordsee-Anrainerstaaten in Gleichstrom umgewandelt. InterkonnektorFoto: TenneTGleichstromverbindung als Interkonnektor, mit der Möglichkeit zum bidirektionalen Stromtransport. Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass Konverterstationen nicht auf Offshore-Plattformen errichtet werden müssten. Dies bietet zusätzliche erhebliche Kostenvorteile.

Die derzeitige Auslastung einer Verbindung zwischen einem Offshore-Windpark und dem Festland beträgt rund 40 – 50 %. Dies liegt daran, dass hier nicht jederzeit oder nicht immer mit der gleichen Stärke Wind weht und die Windkraftanlagen gelegentlich gewartet oder repariert werden müssen. Die Kapazitätsnutzung kann und muss durch Nutzung der Gleichstromverbindung als Interkonnektor, mit der Möglichkeit zum bidirektionalen Stromtransport, erheblich erhöht werden. Die Übertragungskapazität der Gleichstromverbindung wird dann nicht nur für die Übertragung der Windenergie, sondern auch für den Stromhandel zwischen den angeschlossenen Ländern genutzt, so dass ein ›Wind-Konnektor‹ geschaffen wird. Die Insel dient hierbei als Verteil- und Drehkreuz in einem Nordseenetz aus Offshore-Windparks und internationalen Verbindungen. Hierdurch wird die aktuelle effektive Nutzung der Verbindung zwischen dem Windpark und dem Festland von rund 40 – 50 % gegen 100 % erhöht.

Vorteile einer Insel mitten in der Nordsee

Neben der Kombination der Windparks und Interkonnektoren sowie der erreichbaren Größenvorteile aufgrund der möglichen Verbindung mehrerer Windparks mit einer Gesamtkapazität von rund 30 GW durch eine Insel mit einer Fläche von etwa 6 km², bietet ein Standort wie die Doggerbank noch weitere Vorteile. Die Doggerbank ist relativ seicht und bietet die nötige Fläche für eine umfangreiche Windenergieerzeugung. Je seichter das Wasser, desto geringer sind die Baukosten der Windparks und der Insel. Die verfügbare Menge an hohen Windstärken in dieser Region der Nordsee ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Diese Umstände gewährleisten einen hohen Windenergieertrag. Kurz gesagt: Eine Insel mitten in der Nordsee bietet alle notwendigen Voraussetzungen für eine besonders ertragreiche Offshore-Windenergieproduktion.

Die beteiligten Parteien müssen bei der Erschließung der Doggerbank als Standort für große Offshore-Windparks und eine künstliche Insel die Meeresflora und -fauna berücksichtigen. TenneT arbeitet eng mit einer Reihe von Umweltschutzorganisationen zusammen. Eine erste ›kurze Analyse‹ der Auswirkung auf die Flora und Fauna der Doggerbank zeigt gleichermaßen Möglichkeiten, aber auch potenzielle Risiken für die Tierwelt und die Biodiversität.

Schrittweise Erschließung

Der Bau einer Insel ist gemäß der von TenneT entwickelten Vision nicht der Ausgangspunkt dieser Erschließung. Bevor diese Phase erreicht wird, müssen zunächst andere Möglichkeiten genutzt werden. Diese Möglichkeiten umfassen zunächst die Onshore-Windenergie und im nächsten Schritt die küstennahe Windenergie. Diese Entwicklung ist erforderlich, um eine strukturelle Reduzierung der Kosten der Offshore-Windenergie zu erzielen.

Quelle: TenneT TSO

• Auf epilog.de am 20. Juni 2016 veröffentlicht

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