VerkehrSchifffahrt

Winans neuer Dampfer

Die Gartenlaube • 1858

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
Winans’ Dampfschiff in See.Winans’ Dampfschiff in See.

Die Nordamerikaner gelten jetzt für die besten Schiffbauer; namentlich in der Herstellung von Segelschiffen haben sie eine unbestrittene Meisterschaft erlangt; ihre schnellsegelnden Kutter wetteifern beinahe mit den Dampfschiffen und noch immer ist man bemüht, die Schnelligkeit der Fahrt zu steigen. Immer und überall handelt ja dies merkwürdige Volk nach dem alten Spruch: »Zeit ist Geld!« Je mehr sie Zeit ersparen und gewinnen, um so mehr glauben sie, und mit Recht, Geld und Geldeswert zu gewinnen. Daher ihre Hast und ihre Eile in allem, daher auch ihr Streben, die Zeit so weit als möglich abzukürzen, welche ihre Schiffe zur Fahrt auf den Flüssen und über die Meere brauchen.

Hintere Ansicht von Winans’ Dampfschiff.Hintere Ansicht von Winans’ Dampfschiff.

Aus diesem Streben ist neuerdings der Plan zu einem Dampfschiff hervorgegangen, das die Herren Winans jetzt in Baltimore bauen und beinahe vollendet haben. Ist dieser Plan ein richtiger, erreichen jene unternehmenden Schiffbauer ihren Zweck, so lässt sich erwarten, dass eine vollständige Änderung im Schiffbau überhaupt eintritt. Ihr Dampfer unterscheidet sich vollständig von allem und jedem bisher bekannten Fahrzeug; denn er hat keinen Kiel, keine Masten, kein Takelwerk, kein Deck, keinen stumpfen Bug, keinen runden oder vierseitigen Stern. Er gleicht so ziemlich dem Körper eines riesigen Fisches, etwa eines Walfisches, und noch mehr einer gigantischen Zigarre. Rund um die Mitte dieses zigarrenhaften Dampfers läuft ein Ring mit Schaufeln, die in richtigem Winkel angesetzt sind, um so auf das Wasser zu treffen, dass sie das Fahrzeug vorwärtstreiben müssen. Dieser mächtige Ring wird sehr rasch und mit großer Gewalt um das Schiff herumgetrieben durch vier Dampfmaschinen, die in der Mitte stehen. Das Deck oder vielmehr der Raum, welchen man so nennen kann, ist nur ein kleines Segment des oberen rundlichen Teiles, mit einer Galerie rund herum und Bänken, auf denen die Passagiere Platz nehmen können. An beiden Enden des Fahrzeuges unten befinden sich große spatenförmige Steuerruder. Wir setzen nur hinzu, dass dieser neue Dampfer 180 Fuß lang ist und dass die Erbauer die feste Überzeugung haben, mit demselben binnen vier Tagen von Amerika nach Europa zu fahren.

Eigentümlicher Bau von Winans’ Dampfschiff.Eigentümlicher Bau von Winans’ Dampfschiff.

In ihrem Programme, das sie in Bezug auf ihren neuen Dampfer erlassen haben, heißt es unter anderem:

»Wir bauen denselben, um größere Sicherheit und Schnelligkeit, sowie dadurch wohlfeileren Transport zu ermöglichen. Da er ganz von Eisen gebaut ist, so steht nie eine Gefahr durch Feuer zu befürchten und wegen der voneinander getrennten wasserdichten Gemächer kann auch nicht wohl ein Sinken infolge von einem Zusammenstoß etc. erfolgen, denn es kann eins der Gemächer, ja es können mehrere sich mit Wasser füllen, ohne die Sicherheit des Ganzen ernstlich zu gefährden. Die Gestalt des Schiffes ferner macht dasselbe stärker, als die übrigen, und gewährt dem Wind und den Wogen weit weniger Fläche, so dass die Gefahr durch schwere Wogen und durch Sturm ebenfalls verringert wird. Von je weniger Schwere das Schiff selbst ist, um so mehr Fracht kann es führen und um so weniger nimmt die Last des Schiffes allein von der bewegenden Kraft in Anspruch. Mit 200 Tonnen Kohlen an Bord wird dieser Dampfer 200 Passagiere, die Briefbeutel und wertvolle Fracht, wie Geld etc. befördern können und wir glauben, dass er die Fahrt nach England binnen vier Tagen zurücklegt.

In Folge dieser raschen Fahrt können die Fahr- und Frachtpreise sehr bedeutend herabgesetzt werden und, da eine Verminderung der Kostspieligkeit der Seereisen und des Seetransports, bei Erhöhung der Sicherheit, ein Gewinn für die Nationen ist, so dürfen wir wohl auf besondere Beachtung unseres Unternehmens rechnen.«

• Auf epilog.de am 26. Oktober 2016 veröffentlicht

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