Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Die Verfertigung von Schiffszwieback

Pfennig Magazin • 14.7.1841

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Der Schiffszwieback vertritt bekanntlich für den Seemann die Stelle des Brotes und ist oft das einzige Gebäck, das er Wochen, ja Monate lang genießen kann. Gewöhnliches Brot kann aus vielen Gründen zu langen Seereisen nicht gebraucht werden. Der wichtigste darunter ist, dass es, vor der Reise gebacken, wegen des darin enthaltenen Gärungsstoffes (der Hefe) in kurzer Zeit schimmelt und ungenießbar wird, die Bereitung desselben am Bord des Schiffes aber würde gleichfalls ganz untunlich sein. Schiffszwieback enthält keine Hefe und ist gut ausgebacken, erleidet daher während einer langen Seereise nur geringe Veränderung. An Bord der englischen Kriegsschiffe erhält jeder Mann der Besatzung täglich etwa ein Pfund (sechs Stück) Schiffszwieback, woraus man abnehmen kann, wie bedeutend der Vorrat von Schiffszwieback sein muss, den ein großes Schiff mit zahlreicher Mannschaft für mehrere Monate braucht. In England bedient man sich gegenwärtig zur Verfertigung von Schiffszwieback der Backmaschinen, da man im letzten Krieg die Handbäckerei zu langsam und kostspielig gefunden hatte, und unstreitig ist gerade diese Gattung von Bäckerei zur Anwendung von Maschinen vor allen geeignet.

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Die früher übliche Handbäckerei ging zu Gosport in England auf folgende Weise vor sich: Das königliche Backhaus enthielt neun Öfen und bei jedem waren fünf Arbeiter angestellt. Die nötige Mischung von Mehl und Wasser wurde in einen großen Trog getan und der erste Arbeiter brachte dieselbe mit bloßen Armen in die Form eines Teiges, was eine sehr mühsame Operation war. Dann wurde der Teig aus dem Trog genommen und auf eine hölzerne Plattform, genannt die Breche, gelegt. Auf dieser Plattform bewegte sich eine Walze von 25 – 30 cm Durchmesser und 2,2 m Länge. Das eine Ende derselben war lose in der Wand befestigt und der auf dem an dem Ende reitende oder sitzende Arbeiter, genannt der Brecher, bewegte die Walze auf dem Teige hin und her. Sobald der Teig durch diese seltsame Methode in eine dünne Schicht verwandelt war, wurde er auf den Formtisch gebracht und mittels eines großen Messers in Streifen geschnitten. Jeder derselben wurde sodann in Stücke von der Größe eines Zwiebacks geschnitten, denen mit der Hand eine kreisrunde Form erteilt wurde. Sowie ein Zwieback geformt war, wurde er einem zweiten Arbeiter zugereicht, der des Königs Stempel, die Nummer des Ofens usw. darauf drückte. Der Zwieback wurde nun durch ein geeignetes Instrument mit Löchern versehen und zum Schluss einer Operation unterworfen, die eine ganz besondere Geschicklichkeit erheischte. Vor der offenen Tür des Ofens stand nämlich ein Mann, in der Hand den Griff einer langen Schaufel (das Backbrett) haltend, deren anderes Ende im Ofen lag. Ein anderer Arbeiter nahm die Zwiebacke, sobald sie geformt und gezeichnet waren, und schob oder warf sie in den Ofen mit solcher unfehlbarer Genauigkeit, dass sie immer auf die Schaufel fielen. Der die Schaufel haltende Arbeiter ordnete dann die Zwiebacke auf der ganzen Fläche des Ofens. Alle diese Arbeiten wurden mit größter Pünktlichkeit vollzogen. In einer Minute wurden immer 70 Zwiebacke in den Ofen geschoben und geordnet; die Verzögerung einer Sekunde bei einem einzigen Arbeiter hätte den ganzen Gang der Arbeit gestört. Da der Ofen während der Zeit der Füllung offen gehalten wurde, so währe ohne eine besondere Veranstaltung der zuerst hineingeschobene Zwieback zu stark gebacken worden, deshalb wurden die zuerst in den Ofen zu schiebenden Zwiebacke beim Formen etwas größer als die folgenden gemacht und die Größe in kleinen Abstufungen vermindert.

Seit 1833 werden bei der Verfertigung von Schiffszwieback Maschinen angewandt und der Gang der dabei vorkommenden Prozesse ist im Wesentlichen folgender: In einen hohlen Zylinder von 1,20 m bis 1,50 m Länge und etwa einem Meter Durchmesser wird erst das genau abgemessene Wasser (durch eine Öffnung eines Hahns) und dann das Mehl (durch Öffnung eines Schiebers) getan. In dem Zylinder dreht sich mit großer Geschwindigkeit (in der Minute 15 – 20 Umdrehungen) eine mit langen Messern besetzte horizontale eiserne Welle um. Dadurch werden in der kurzen Zeit von 2 ½ – 3 Minuten 230 kg Teig geliefert, und zwar unendlich besser als durch Handarbeit. Der Teig wird nun aus dem Zylinder genommen und unter die beiden Brechwalzen, von denen jede 700 kg schwer ist, gebracht, welche die Operation des Knetens verrichten. Dieselben werden durch Maschinen auf der Oberfläche des Teigs hin und her geschoben und in fünf Minuten ist der Teig vollkommen geknetet. Die Teigschicht, welcher etwa 5 cm dick ist, wird dann in Stücke von 50 cm Länge und Breite geschnitten, die unter ein zweites Paar Walzen geschoben werden, welche jedes Stück so ausstrecken, dass es zwei Meter Länge auf einem Meter Breite und die für Zwieback angemessene Dicke erhält. Nun wird der Teig in einzelne Zwiebacke zerschnitten. Zu diesem Zweck bringt man ihn unter eine Ausschlagmaschine, die der beim Münzen üblichen einigermaßen ähnlich ist, so weit die Verschiedenheit des Materials dies zulässt. Eine Reihe scharfer Messer ist so angebracht, dass sie durch eine einzige Bewegung aus einem Teigstück von einem Meter Länge und Breite etwa 60 sechsseitige Zwiebacke schneiden. Die sechsseitige Gestalt ist darum gewählt, weil dabei kein Teilchen der Masse verloren geht, indem die Seiten je drei benachbarter Sechsecke genau aneinander passen, während kreisrunde Stücke, die aus einer ebenen Fläche geschnitten werden, immer leere Räume zwischen sich lassen. Jeder Zwieback wird durch dieselbe Bewegung, die ihn aus dem Teigstücke ausschneidet, zugleich mit dem königlichen Stempel, der Ofennummer usw. bezeichnet und mit Löchern versehen. Durch das Ausschlagen werden jedoch die Zwiebacke noch nicht völlig getrennt, so dass eine ganze Schicht derselben auf einmal auf eine geeignete Schaufel gebracht werden kann. Zum Backen selbst sind 10 – 12 Minuten hinreichend. Die Zwiebacke werden dann aus dem Ofen genommen und mit der Hand vollends getrennt.

Das Getreide zu den Zwiebacken wird auf den Märkten gekauft und in den königlichen Mühlen gereinigt und gemahlen; der Qualität nach ist es eine Mischung aus feinem Mehl und Mittelmehl, indem die Kleie und das Kleienmehl entfernt sind. Die Backöfen sind von Schmiedeeisen und nehmen eine Fläche von 16 m² ein. In jeden Ofen werden auf einmal etwa 52 kg Zwieback geschoben, die durch das Backen auf 47 kg reduziert werden. In jedem Ofen können jeden Tag 12 – 16 solcher sogenannten Suiten gebacken werden, selbst bei der Anwendung von Handarbeit, aber wahrscheinlich könnte der Maschinenzwieback im Fall des Bedürfnisses noch mit weit größerer Geschwindigkeit gebacken werden.

Hinsichtlich der relativen Vorzüge der Handarbeit und Maschinenarbeit ist Folgendes zu bemerken: Sind Mehl und Wasser, als die einzigen Ingredienzien der Zwiebacke, nicht vollkommen gut gemischt, so werden die trockenen Teile verbrannt, die mehr mit Feuchtigkeit durchdrungenen aber nehmen eine eigene Art von Härte an. Diese Fehler kamen bei der Handbäckerei hier und da vor, werden aber durch das vollständige Mischen und Kneten der Maschinen beseitigt. Bereits ist angegeben, dass 230 kg Teig in zwei bis drei Minuten gemischt und in vier bis fünf Minuten geknetet werden; dies ist ohne allen Vergleich schneller als Menschenhände es leisten können. Die Zwiebacke werden nicht einzeln, sondern 60 auf einmal ausgeschnitten und gezeichnet, und nicht einzeln, sondern schubweise in den Ofen geschoben, und da der Ofen weit schneller gefüllt wird, als bei der Handbäckerei, so werden sie auch weit gleichmäßiger gebacken. Die neun Öfen in Gosport brauchten früher 45 Arbeiter, um stündlich 700 kg Zwieback zu liefern; jetzt liefern 16 Arbeiter, Männer und Knaben, in derselben Ofenzahl stündlich 12 000 Zwiebacke oder 930 kg. Was endlich das Verhältnis der Kosten anlangt, so kommen 100 kg Zwieback nach der alten Methode etwa 38 Pence, nach der neuen nur 11 Pence zu stehen. Die königlichen Backhäuser in Deptford, Gosport und Plymouth können jährlich 8000 Tonnen Zwieback liefern und ersparen dabei jährlich gegen die Kosten der Handarbeit 12 000 Pfd. St.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte.Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 148 Seiten | ISBN: 978-3-7562-0128-0

• Auf epilog.de am 19. Juni 2017 veröffentlicht

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