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Schienengüter-Verkehrskonzept Berlin

Bahn setzt auf Kooperation

Berliner Wirtschaft • August 1996

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Der Ausbau des Eisenbahnknotens Berlin eröffnet nicht nur dem Personenverkehr, sondern auch dem Güterverkehr auf der Schiene neue Perspektiven. Der Ausbau der Strecken von und nach Berlin und der Wiederaufbau unterbrochener Strecken ermöglicht, kürzere Transportzeiten als bisher anzubieten. Der Autor dieses Artikels, Rolf Wedell, Regionalbereichsleiter Produktion und Technik für den Wagenladungsverkehr der Deutsche Bahn AG, gibt einen Überblick über zukünftige Möglichkeiten für den Güterverkehr im Raum Berlin.

Die Deutsche Bahn AG betreibt gegenwärtig im Stadtgebiet von Berlin noch eine große Anzahl von Bahnhöfen für den Schienengüterverkehr. Der Schwerpunkt der Bahnaktivitäten liegt ohne Zweifel heute und in den nächsten Jahren in der Ver- und Entsorgung von Großbaustellen im Herzen der Stadt. Dazu zählt vor allem die Bedienung des Logistikzentrums Süd am Potsdamer Platz und des im Aufbau befindlichen Logistikzentrums Nord im Spreebogen. Eine Vielzahl von Transporten wird aber auch bei den Bauvorhaben zur Entwicklung der Schieneninfrastruktur, vor allem für das Projekt Nördlicher Berliner Innenring, für die Schnellbahnstrecke von Staaken bis Berlin Hauptbahnhof sowie für die Baumaßnahmen an der Anhalter und der Dresdner Bahn notwendig. Die Eisenbahn befördert darüber hinaus nicht nur Massengüter wie Kohle und Mineralölprodukte nach Berlin, sondern übernimmt auch den Transport von Müll zu den Deponien in Brandenburg. Die Berliner Logistikzüge für Ford, Jacobs Suchard und Karstadt zeigen, dass die Bahn Industrie und Handel der Stadt heute schon attraktive Transportangebote machen kann.

Bei ihren Plänen für ein Berliner Güterverkehrskonzept kann die Bahn auf das eng geknüpfte Schienennetz der Stadt aufbauen, das neben den Güterbahnhöfen eine große Zahl von bestehenden Gleisanschlüssen, Industrie- und Privatbahnen aufweist. Die Güterbahn wird also auch künftig im ganzen Stadtgebiet vertreten sein. Dafür sind 20 Logistikstandorte mit unterschiedlicher Funktion vorgesehen. Die Bahn geht bei ihrer Planung für Berlin davon aus, dass integrierte Transportsysteme und Kooperation zwischen den Verkehrsträgern im zukünftigen Verkehrsmarkt bestimmende Elemente sein werden. In vielen Fällen werden nur gemeinsam die anstehenden Transportprobleme optimal gelöst werden können.

Logistikzentrum SüdDeutsche Bahn AGDer 2000. Zug mit Erdaushub startete bereits Ende Juni im Baustellenlogistikzentrum Süd. Die Deutsche Bahn AG hat seit 1994 bis zu diesem Zeitpunkt 2,1 Mill. t von den Großbaustellen im Zentrum Berlins abgefahren.

Die Entwicklung der Stadt Berlin zu einer Großstadtmetropole wird in Zukunft den Verkehr massiv beeinflussen. Dabei kommt dem Wirtschaftsverkehr eine wachsende Bedeutung zu. Die Innenstadt und die Stadtteilzentren müssen für Wirtschaftsgüter erreichbar bleiben, um die Versorgung der Bevölkerung und von Handel, Dienstleistungsfirmen, der Gastronomie sowie von Handwerksbetrieben und dem verarbeitenden Gewerbe zu sichern. Über die Straße dürften auf Dauer nicht alle Transportprobleme zu befriedigen sein. Die Bahn unterstützt deshalb das Konzept zur Entwicklung von Güterverkehrssubzentren (GVS), das auch vom Senat und der IHK gefördert wird. Diese GVS sollen die Schnittstellenfunktion zwischen Schiene und Straße übernehmen und als örtliche Verteilzentren in der Stadt dienen. Umfangreiche Untersuchungen haben ergeben, dass sich als GVS-Standorte u. a. der Ostgüterbahnhof, die Bahnhöfe Köpenick, Wilmersdorf, Neukölln/Treptow, Moabit sowie der Anhalter Güterbahnhof anbieten. Pilotprojekt ist das GVS Neukölln/Treptow. Dieser Standort ist wegen seiner Lage am Stadtring und der Nähe eines großen Industriegebietes, das durch die beim GVS-Projekt ebenfalls engagierte Industriebahn Neukölln geschlossen wird, besonders geeignet. Es ist vorgesehen, dass sich interessierte Transportunternehmen auf dem Gelände des Güterbahnhofs ansiedeln können, wo ein Containerkran für den Umschlag schon heute zur Verfügung steht.

GVZ bundesweit vernetzt

Eine besondere Rolle kommt künftig den im Aufbau befindlichen Güterverkehrszentren (GVZ) Großbeeren und Wustermark zu. Die Bahn plant, diese Zentren in ein bundesweites Netz von GVZ einzubinden, wodurch die Voraussetzungen für die Bündelung von Güterverkehrsströmen von und nach Berlin auf der Schiene geschaffen werden. Am Standort Großbeeren ist der Baubeginn für das Terminal des kombinierten Verkehrs für September dieses Jahres vorgesehen. Mit der Inbetriebnahme ist spätestens Anfang 1998 zu rechnen.

Damit weite Lastwagentransporte von den GVZ in die Stadt vermieden und die Straßen entlastet werden, beabsichtigt die Bahn, direkte City-Shuttle auf der Schiene zwischen den GVZ und den GVS in der Innenstadt anzubieten. Der Einsatz innovativer Verkehrstechnik, wie des Modulzuges, ist hier gefragt.

Neben den genannten Standorten der GVZ und der GVS werden auch in Zukunft auf weiteren 15 über das Stadtgebiet verteilten Bahnhöfen Schienengüterverkehrsleistungen angeboten, und zwar vor allem im logistischen Einzelwagen- und Ganzzugverkehr. Außerdem sollen nach den Plänen der Bahn auch die heutigen Bahnhöfe des kombinierten Verkehrs, nämlich der Hamburger und Lehrter Güterbahnhof und der Güterbahnhof Frankfurter Allee bestehen bleiben.

Für den Einzelwagenverkehr werden zukünftig als Rangierbahnhof der südwestlich Berlins gelegene Bahnhof Seddin und als Verteilerbahnhöfe die Knotenbahnhöfe Tempelhof und Berlin-Nordost im Stadtgebiet sowie Wustermark im Land Brandenburg im Produktionssystem der DB AG für den Güterverkehr eingebunden bleiben. Dagegen ist vorgesehen, den heutigen Knotenbahnhof Pankow mittelfristig als Knotenbahnhof mit Verteilfunktion aus dem Produktionssystem herauszulösen und dann aber als Empfangs- und Versandbahnhof für im Stadtgebiet ansässige Firmen zu nutzen.

Mit ihrem Konzept, das sowohl neue logistische Transportlösungen, wie auch traditionelle Angebote in neuer Form umfasst, will die Deutsche Bahn AG im Güterverkehr von und nach Berlin den steigenden Anforderungen entsprechen und sich der Wirtschaft als effektiver und umweltverträglicher Verkehrsträger präsentieren.

• Rudolf Wedell

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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