Bau & ArchitekturBrücken

Riesenüberbrückung des größten nordamerikanischen Stroms

Die Gartenlaube • 1874

Voraussichtliche Lesezeit rund 10 Minuten.

Es war an einem klaren Novembertage, als der Bahnzug nach einer zweitägigen Fahrt durch die Staaten New York, Pennsylvanien, Ohio, Indiana und Illinois sich dem Mississippi näherte. Noch beschäftigte sich meine Fantasie in der eintönigen Umgebung mit den Eindrücken der vergangenen Nacht. Auf meinem Bett im Schlafwagen liegend, hatte ich den Vorhang, welcher das Fenster verhüllte, zurückgeschoben und lange hinausgeblickt auf die vom Monde beschienene Landschaft. Ausgedehnte Wälder begleiteten den Zug zu beiden Seiten; dann wechselten Pfützen und Sümpfe, in denen eingestürzte Bäume vermoderten, mit Wiesenland, und dazwischen erschien von Zeit zu Zeit ein einsames Farmhaus. Einen merkwürdigen Anblick bot ein hoher, abgestorbener Baum, an welchem, ohne Zweifel von dem Besitzer des Landes angelegt, die Flammen hoch emporzüngelten, eine Riesenkerze eigener Art.

In vollendeter Klarheit ging der Tag auf über den weiten Ebenen von Illinois, und in ungetrübter Reinheit spannte sich der blaue Himmel eines indianischen Sommers über die gleichförmige Landschaft. Endlich, gegen drei Uhr nachmittags, erreichte der Zug den Bahnhof am Ufer des Mississippi. »Ein sauberer Bahnhof das!«, sagt wohl der verwöhnte Europäer. Denn da ist nichts als ein langes Holzgebäude, vom Wetter und vom Kohlendampfe geschwärzt; darüber erheben sich Gruppen von alten, hohen Bäumen, nicht durch Kunst und zur Zierde dahin gepflanzt, sondern noch ein Rest des echten Urwaldes. Ein tiefer, schwärzlicher Staub bedeckt nicht nur den Boden, sondern mehr oder weniger alles, was unseren Augen begegnet. Doch – nur wenige Schritte, und wir stehen im Freien. Das Ufer senkt sich rasch dem Strome zu, der in majestätischer Breite, aber schmutzig gelb seine Gewässer vorbeiwälzt, und jenseits dehnen sich, so weit die Blicke reichen, die Häuserreihen der großen Mississippi-Stadt am Ufer aus. Auch dort hebt sich das Ufer und mit ihm die Häusermassen höher und höher, und über alle hoch empor ragt die Kuppel des stattlichen Courthouse, welches den Mittelpunkt der Stadt bildet.

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• Auf epilog.de am 4. Oktober 2016 veröffentlicht

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