Handel & Industrie

Paketbeförderung durch den elektrischen Strom

Die Gartenlaube • 1863

Paketbeförderung durch den elektrischen Strom ist nicht mehr bloß ein frommer Wunsch. Wenn der galvanische Strom bisher nur den unwägbaren Gedanken mit Augenblicksschnelle in dem Telegrafendraht weiter leitete, so soll er jetzt wie der Dampf an die Deichsel gelegt werden, um unsere Lasten zu befördern.

Der italienische Physiker Bonelli, derselbe, der dem Leserkreise der Gartenlaube schon durch die Erfindung des  elektrischen Webstuhles bekanntgeworden ist, hat auf eine scharfsinnige Weise das Problem gelöst.

Er hat in einen kleinen mit Briefen belasteten eisernen Wagen, der mit metallenen Rädern auf einem Schienenwege lief, eine elektrische Batterie gelegt, und diese wirkte als eine vortreffliche Zugkraft, welche die Geschwindigkeit von Station zu Station steigerte.

Es ist bekannt, dass, wenn durch einen spiralförmig um einen Eisenkern gewundenen Kupferdraht ein elektrischer Strom geht, der Eisenkern zu einem Magnet wird. Aber nicht nur der Eisenkern selbst, sondern auch der um ihn gewundene Kupferdraht wirkt anziehend. Die leere Spirale wird durch den elektrischen Strom gewissermaßen selbst ein Magnet. Ihre Anziehungskraft steigert sich in die Mitte ihrer Windungen. Sie hält den Eisenstab mit einer gewissen Gewalt fest, und wenn derselbe leicht beweglich verschoben wird, so wird er von ihr mit steigender Geschwindigkeit wieder vom Anfange der Windungen bis in die Mitte gezogen.

Bonelli hat nun in seinem Apparate die geistreiche Einrichtung getroffen, dass er die Anziehungskraft der Spirale auf das Eisen – auf seinen kleinen auf Schienen laufenden eisernen Transportwagen – nur so lange wirken lässt, bis derselbe die Mitte und somit die größte Geschwindigkeit erreicht hat. Er lässt nämlich den mit der elektrischen Batterie belasteten Wagen aus Schienen laufen, welche mitten durch die Spirale hindurchführen und die bis zur Mitte der Drahtwindungen von Metall, von da aber von einem nichtleitenden Körper, Holz, hergestellt oder mit einem solchen wenigsten überzogen sind.

Der elektrische Strom geht aus der Batterie durch die metallenen Räder des Wagens in die Schienen und wird von diesen in die Spirale geleitet, deren Anfang und Ende mit den metallenen Schienenstücken in Verbindung stehen. Sobald also die Räder auf die metallenen Schienenstücke kommen, zieht die Kupferspirale wie ein Magnet den eisernen Wagen an, er bewegt sich, und da, je näher er der Mitte kommt, die anstehende Kraft der Spirale mehr und mehr wächst, so steigert sich auch seine Geschwindigkeit, die endlich in der Mitte der tunnelförmigen Drahtwindungen am größten wird. Hier aber treten die Räder plötzlich auf die Holzschienen. Der Strom wird im Moment unterbrochen, die Spirale verliert jede Einwirkung und lässt den Wagen mit der verlangten Geschwindigkeit weiter schießen.

Damit allein wäre nun freilich nicht viel gewonnen, denn die treibende Kraft muss endlich durch die Reibung aufgezehrt werden.

Um daher einem Stillstand vorzubeugen, befindet sich in gewissem Abstande eine zweite ganz ebensolche Spirale, in deren Bereich die Schienenleitung wieder von Metall hergestellt ist. Sobald der Wagen sie erreicht, fängt der Strom an in dem Kupferdrahte zu kreisen, und die Räder erhalten durch die Anziehung einen neuen Impuls.

In gleicher Weise setzt sich das Spiel auf der ganzen Länge der Bahn fort. Jede Spirale ist eine Station, wo frische Pferde vorgelegt werden. Die Beschleunigung wird sich um so mehr steigern, je näher die Spiralen aneinander gerückt werden. Außerdem hat man es aber noch in seiner Hand, durch Verstärkung der Batterie Zugkraft und Schnelligkeit zu erhöhen. Von dem Strom wird nichts nutzlos vergeudet, er spannt sich nur ein, um auch wirklich zu arbeiten. Er läuft nie leer. Selbst die rasendste Geschwindigkeit wird er noch vergrößern; denn er ist in seinem Lauf durch die Spiralen noch viel rascher. Die Reibung der Räder kann so gering wie möglich gemacht werden, was bei Lokomotiven nicht erlaubt ist.

Wenn sich daher auch eine telegrafische Geschwindigkeit nicht erreichen lässt, so wird doch durch die Bonelli’sche Erfindung dem Verkehr ein neues Hilfsmittel dargeboten, das für die Beförderung kleiner Lasten, Briefe, Depeschen ein Muster von der weitgreifendsten Bedeutung zu werden verspricht.

• Auf epilog.de am 29. September 2016 veröffentlicht

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