Forschung & TechnikTechnik

Neue Kraftmaschinen

Die Gartenlaube • 1875

So wenig man die Heißluft-, Äther-, Gas- und Wasserdampfmaschinen entbehren möchte, ist man doch niemals ganz mit ihnen zufrieden gewesen, und hat beständig auf den Bau neuer Kraftproduzenten – insbesondere für das Kleingewerbe – gesonnen, die es besser machen sollen, und zwar zunächst in Betreff der Feuerung, die bei den hohen Kohlenpreisen der Gegenwart sehr unangenehm auf Teuerung reimt. Da die Erde an Petroleum unerschöpflich zu sein scheint, so hat man längst darauf gedacht, die Kessel mit diesem Material zu heizen. Aber wie dies machen, ohne die Explosionsgefahr des Kessels auch noch nach dem Herdraum zu verpflanzen? Da haben sich nun die Amerikaner recht gut zu helfen gewusst, indem sie einen Herd aus Wasser einrichteten. Der Petroleumbehälter wird weit ab vom Kesselhause angelegt; ein unterirdisches Rohr bewirkt ganz allmähliches Zuströmen; in Blasen steigt das Petroleum durch das Wasser in die Höhe, um an dessen Oberfläche durch einen Gebläsestrom mit dem größtmöglichen Heizeffekt verbrannt zu werden. In der Hock’schen Petroleum-Maschine, wie eine solche in der Wiener k. k. Staatsdruckerei seit Februar 1874 im Betrieb ist und drei Schnellpressen mit einer Leistungsfähigkeit von zwölfhundert Druckbogen pro Stunde treibt, vermeidet man die große Explosionsgefahr gänzlich, indem man die Kraft, wie in den Gasmaschinen, durch lauter kleine Explosionen erzeugt. In dem Arbeitszylinder wird nämlich ein dünner Petroleumstrahl in regelmäßigen Zwischenpausen verbrannt und dadurch die Kraft gewonnen, welche pro Stunde und Pferdekraft anderthalb Pfund Petroleum verspeist. Die Maschine bietet den Vorteil, keines Anheizens zu bedürfen, kann also jeden Augenblick in oder außer Betrieb gesetzt werden.

Andere Erfinder beschäftigen sich besonders mit dem Ersatz des Wassers durch eine billigeren Dampf liefernde Flüssigkeit, und der Amerikaner Wells glaubt bei einer Füllung der Kessel mit Schwefelkohlenstoff, der schon bei 43° siedet und bei erhöhter Temperatur entsprechende Spannungssteigerungen ergibt, Zweidrittel des bisher ›vergeudeten‹ Brennmaterials sparen zu können. Diese Flüssigkeit, welche immer wieder gewonnen wird, vereinigt aber mit ihren allerdings verlockenden Eigenschaften eine große Neigung, schon aus der Ferne Feuer zu fangen und zu explodieren. Da war es nun vor allen Dingen nötig, jede Möglichkeit, mit dem Feuer in Berührung zu kommen, auszuschließen. Wie oben die Herd-Unterlage, stellte man deshalb hier die Kesselwandungen aus Wasser her. Der aufrechtstehende zylindrische Kessel ist nämlich in drei übereinanderliegende Abteilungen geschieden, von denen nur die mittelste den eigentlichen (Schwefelkohlenstoff-)Dampfkessel bildet, die anderen Wasser enthalten. Der untere Wasserkessel, welcher die Herdhitze unmittelbar empfängt, steht durch weite Wasserröhren, welche die Schwefelkohlenstoffflüssigkeit durchbohren, mit dem oberen Wasserkessel in Verbindung, so dass das heiße Wasser alle Wandungen des eigentlichen Dampfkessels umspült. Diese Wasserröhren werden wiederum von den Feuerzügen durchbohrt, welche die Verbrennungsgase des Herdes zum Schornstein führen und vorher deren Wärme, damit nichts verloren gehe, ihrem Wasserpanzer oder Futteral zur Weiterbeförderung übergeben. Die übrige Einrichtung ist derjenigen der andern Dampfmaschinen entsprechend.

Ganz abweichend ist dagegen der Gedanke der Seiboth’schen Kohlensäure-Maschine, welche die Kraft, die uns aus Champagnerflaschen entgegenknallt, zu verwerten gedenkt. Sie braucht gar kein Feuer, sondern kann im Gegenteil noch eine ziemliche Kälte gratis liefern, was für manche Industriezweige, bei denen es sich um schleunige Abkühlung ihrer Produkte handelt, höchlichst erwünscht sein kann. Die Kohlensäure, welche den Zylinderkolben auf- und abwärts treibt, wird in zwei mit Eisencarbonat und Schwefelsäure gespeisten Kesseln erzeugt, und das Merkwürdige ist, dass sowohl Asche wie Rauch – wenn ein solcher Vergleich gestattet ist – das heißt sowohl der in den Kesseln erzeugte Eisenvitriol wie die Kohlensäure nach ihrer Benutzung noch weiter nutzbar bleiben. Schon auf der Weltausstellung befand sich ein solcher Motor, der außer einer Leistung von vier Pferdekräften eine Kälte von -12° zur Verfügung stellte.

Die neueste und sonderbarste Kraftquelle bietet die Ölmaschine des französischen Ingenieurs F. Tommasi, bei der nicht die Spannkraft von Dämpfen und Gasen, wie bei allen bisherigen Maschinen, sondern die Ausdehnung einer Flüssigkeit (Öl oder Glycerin) durch Wärme die Bewegung erzeugt. Tommasi hat gezeigt, dass Öl, in eine Metallröhre eingeschlossen, durch eine plötzliche Temperatursteigerung von nur sieben Grad die Kraft erzeugte, um einen dicken Bleiverschluss wie weiches Wachs aus der Mündung hervorzupressen. Dass sich diese Kraft für Maschinen, die mehr Gewalt und Nachdruck als große Schnelligkeit beanspruchen, wie z. B. Pressen aller Art, recht passend verwenden lassen werde, scheint einzuleuchten, aber ob man eine Ölsäule durch abwechselndes Erhitzen und Abkühlen (durch heißes und kaltes Wasser, welches abwechselnd in ein den Ölzylinder durchziehendes Röhrensystem eintreten soll) zur schnellen Bewegung eines Stempels geeignet machen wird, das ist noch zu beweisen. Der Erfinder hofft mit seiner Ölmaschine alle Arten von Bewegung hervorzubringen.

• C. St.

• Auf epilog.de am 3. Oktober 2016 veröffentlicht

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