VerkehrNahverkehr

Nahverkehrsplanung in Berlin

Dichtes Netz und mehr Qualität

Berliner Wirtschaft • Februar 1998

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

Mit einem attraktiven Angebot im öffentlichen Personennahverkehr will Berlin seine Rolle als Bundeshauptstadt und Dienstleistungs- sowie Wirtschaftszentrum verbessern. Mit dem am 13. Januar 1998 vom Berliner Senat beschlossenen Nahverkehrsplan, der im Auftrag des Senats vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) unter Mitwirkung der in Berlin tätigen Verkehrsunternehmen erarbeitet und mit benachbarten Kreisen abgestimmt worden ist, sollen ein ausreichendes Angebot und Serviceleistungen für die Kunden sichergestellt werden.

Um die steigenden Mobilitätsanforderungen und die damit einhergehende Erhöhung des Verkehrsaufkommens in Berlin bewältigen zu können, soll ein möglichst großer Anteil des Personennahverkehrs durch den ÖPNV übernommen werden. Hierzu verfolgt der Senat nach Angaben von Verkehrssenator Jürgen Klemann eine Optimierung des Nutzungsverhältnisses des ÖPNV. Für den zentralen Bereich gilt ein Modalsplit von 80:20, d. h. 80 % des Verkehrsaufkommens sollen durch den öffentlichen Personennahverkehr bewältigt werden. Im übrigen Innenstadtbereich innerhalb des S-Bahnringes soll eine Aufteilung von 60:40 erreicht und in den Außenbezirken wird ein Verhältnis von 40:60 angestrebt.

Mehr Sicherheit und Komfort

Damit dies funktioniert, hat sich der Senat zum Ziel gesetzt, ein integriertes ÖPNV-Gesamtangebot für alle Verkehrsträger zu schaffen, das Schienennetz auszubauen und die unterschiedlichen Verkehrssysteme sowie die Linien optimal zu verknüpfen. Hierzu gehören auch gute Umsteigemöglichkeiten. Um die Attraktivität zu verbessern, sollen Pünktlichkeit, Fahrkomfort, Fahrgastsicherheit und Sauberkeit verbessert werden. Außerdem entwickelt man Strategien zur Vermeidung bzw. raschen Beseitigung von Sachschäden. Für die Verkehrsunternehmen bedeutet dies, dass sie sich stärker an den Kundenwünschen orientieren, jedoch marktgerecht vorgehen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen.

Dichteres Schienennetz im Westen und Norden

Der Nahverkehrsplan, der für zwei Jahre gilt und den Rahmen für den weiteren Ausbau des ÖPNV bis zum Jahre 2005 steckt, enthält Prognosen für die Verkehrsentwicklung und neben Vorgaben für das Leistungsangebot von U-Bahn, Bus, Straßenbahn, S-Bahn und Regionalverkehr auch alle Neubauprojekte mit den geplanten Terminen der Inbetriebnahme. So wird es in diesem Jahr gleich mehrere Streckeneröffnungen bei der S-Bahn geben, nachdem Ende vergangenen Jahres ein weiteres Stück des S-Bahnringes mit dem Abschnitt Bahnhof Neukölln - Bahnhof Treptow fertiggestellt worden ist. Pünktlich zur Grünen Woche ist am 16. Januar 1998 die  Strecke von Westkreuz nach Pichelsberg eröffnet worden und bietet sowohl Messebesuchern (Bahnhof Messe-Süd/Eichkamp) und den Besuchern von Kultur- und Sportveranstaltungen (Bahnhof Olympiastadion und Pichelsberg) eine attraktive Verkehrsverbindung. S-Bhf. Treptower ParkFoto: S-Bahn Berlin GmbHDer Ring Wächst: Mit dem Abschnitt S-Bhf. Neukölln–Treptower Park ist ein weiteres Teilstück des Berliner S-Bahnringes im Dezember 1997 in Betrieb gegangen, auf dem bis zur Jahrtausendwende wie früher Züge Nonstop um die Berliner Innenstadt fahren sollen. Im September sollen dann die Züge der S-Bahnlinie 25 über Lichterfelde-Ost hinaus bis Lichterfelde-Süd fahren. Zum Jahresende folgen dann gleich zwei wichtige Streckeneröffnungen im Westen und Norden Berlins: Spandau erhält durch Verlängerung der Strecke über Pichelsberg nach Jahren der Abstinenz einen S-Bahnanschluss. Inwieweit die Strecke über Rathaus Spandau hinaus bis Falkensee verlängert wird, ist derzeit offen. Als Alternative steht hier ab Rathaus Spandau eine attraktive Regionalverkehrsverbindung zur Debatte. Auch von Tegel sollen S-Bahnzüge im Dezember wieder nach Hennigsdorf verkehren, wodurch attraktive Wohnstandorte und Industriebetriebe wieder mit der S-Bahn erreichbar sind. Die Strecke war nach dem Mauerbau von 1961 unterbrochen worden und der Teilabschnitt bis Heiligensee nach dem S-Bahnerstreik im Jahre 1980 stillgelegt worden.

Voran kommen auch die Bauarbeiten am S-Bahn Nordring. So soll im Mai 1999 der Abschnitt Jungfernheide-Westhafen ans Netz gehen, wodurch eine attraktive Umsteigemöglichkeit zu den U-Bahn-Strecken im Norden Berlins geschaffen wird. Endgültig geschlossen wird der Ring jedoch erst im Jahr 2000, wenn die Teilabschnitte Westhafen–Gesundbrunnen und Gesundbrunnen–Schönhauser Allee fertiggestellt sein sollen. Erst nach der Jahrtausendwende könnte dagegen die Strecke Lichterfelde-Süd-Teltow/Stadt ans Netz gehen. Für das Jahr 2005 ist die Strecke Wartenberg–Sellheimbrücke terminiert, ebenso wie der Bau eines S-Bahnhofes Buch-Süd und eines S-Bahnhofes Kolonnenstraße.

Behutsamer U-Bahnausbau

Sehr behutsam geht der Ausbau des U-Bahn-Netzes voran. So soll noch in diesem Jahr der U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park im debis-Viertel eröffnet werden. Im August 1999 werden dann Züge über Vinetastraße hinaus bis zum S-Bahnhof Pankow fahren. Die Citylinie U 5, für die Teilabschnitte bereits gebaut werden, wird frühestens im Jahre 2004 ans Netz gehen.

Bedeutung der Straßenbahn in den östlichen Bezirken nimmt zu

Auch das Straßenbahnnetz wird erweitert. Nach der Verlängerung der ersten Linie im Westteil im vergangenen Jahr über Luise-Schröder-Platz hinaus bis zum Klinikum Virchow fährt die Straßenbahn jetzt auch über die Weidendammer Brücke hinaus bis zur Dorotheenstraße. Zum Jahresende soll die Tram dann auch im Abschnitt Mollstraße–Alexanderplatz–Hackescher Markt verkehren. Für 1999 sind Straßenbahnstrecken geplant von Buchholz-Kirche bis Buchholz-West, S-Bahnhof Adlershof bis zur Wissenschaftsstadt und auf der Müggelheimer Straße. In Betrieb gehen sollen dann zur Jahrtausendwende Strecken von Prenzlauer Tor bis Alexanderplatz, Eberswalderstraße bis Nordbahnhof und voraussichtlich von Revalerstraße bis U-Bahnhof Warschauer Straße. Wenn der Lehrter Bahnhof [seit 2002: Hauptbahnhof] wie geplant im Jahre 2002 in Betrieb geht, soll auch von der Invalidenstraße/Chausseestraße eine Straßenbahn an ihn herangeführt werden. Der Potsdamer Platz, wo ein wichtiger Regionalbahnhof entsteht, wird mit der Straßenbahn von der Spandauer Straße aus erreichbar sein.

Besonders wichtig für das Nahverkehrsnetz in Berlin und Brandenburg wird die Inbetriebnahme der Stadtbahntrasse zwischen Zoologischer Garten und Hauptbahnhof im Mai dieses Jahres sein. Hier werden dann zahlreiche Linien mitten durch die Stadt geführt. Der Fernbahnhof Spandau, dessen neues Gebäude in diesem Jahr eröffnet werden soll, erfährt mit der Inbetriebnahme der Regionallinie von Rathenow über Staaken eine weitere Aufwertung. Insgesamt ist im Regionalverkehr vorgesehen, dass die Strecken der Fernbahn benutzt werden, die im Rahmen des ›Pilzkonzeptes‹ wieder aufgebaut oder neu errichtet werden. Eine Ausnahme bildet dabei jedoch vorerst die Nordbahn, für die eine Alternative über die Stettiner Bahn und dem nördlichen Berliner Außenring vorhanden ist. Beim Bau des Nord-Süd-Tunnels wird auch eine Vorleistung zur Einbindung der Potsdamer Stammbahn erbracht. Für eine spätere Anbindung des Lehrter Bahnhofs an das S-Bahnnetz in Nord-Süd-Richtung wird auch eine Trasse für die S-Bahnlinie S 21 freigehalten.

Attraktiver soll aber auch das Busnetz der BVG werden. So ist geplant, Buslinien künftig auch in alle neuen Wohnungs-, Dienstleistungs- und Gewerbegebiete zu führen. Darüber hinaus will die BVG alle Haltestellen bis zum Jahre 2000 mit Witterungsschutz ausrüsten.

Mit den in diesem Jahr fertiggestellten Baumaßnahmen wird das S-Bahn-Netz zu Beginn des nächsten Jahres eine Länge von 255 km erreichen. Bei der U-Bahn werden es 143 km sein und bei der Straßenbahn 182 km. 152 km Schienen werden zudem zu diesem Zeitpunkt innerhalb Berlins für den Regionalverkehr genutzt. Dann wird es in Berlin 169 U-Bahnhöfe und 130 S-Bahnhöfe geben. Hinzu kommen dann auch 16 Zustiegs- bzw. Umsteigemöglichkeiten auf den Regionalverkehr.

Offene Wünsche

Obwohl das Schnellbahnnetz in den nächsten Jahren kräftig erweitert wird, bleiben weiterhin Wünsche offen. Der sogenannte Bedarfsplan, nach dem Trassen freigehalten werden müssen, sieht den Bau einer U 3 über die Leipziger Straße weiterhin vor. Dann erhält auch die immer wieder einmal ins Gespräch gebrachte Ku’damm-U-Bahn von Uhlandstraße bis Adenauerplatz eine Chance. Realistischer sind dagegen die Überlegungen der Verlängerung der U-Bahn-Linie 7 über Rudow hinaus bis zum Flughafen Berlin-Schönefeld. Im Bedarfsplan sind auch u. a. U-Bahn-Linien in die nordöstlichen Bezirke eingezeichnet. Ob sie jemals realisiert werden, hängt von der dortigen Bevölkerungs- und Bedarfsentwicklung ab. Die Festlegung solcher ›Zukunftslinien‹ ist daher zunächst nur für jene von Bedeutung, die auf den geplanten Trassen Gebäude errichten wollen.

Pendlerstrom nimmt zu

Wie wichtig ein leistungsfähiges ÖPNV-Netz ist, zeigt die Entwicklung der Pendler. Nach Angaben Klemanns kommen rund 130 000 Brandenburger nach Berlin, während rund 64 000 ins Umland fahren. Allein in den letzten sechs Monaten wuchs der Pendlerstrom um 43 000 Menschen im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings ist die Verflechtung zwischen Berlin und dem Umland im Vergleich zu anderen Ballungsräumen noch unterentwickelt. Vergleicht man Berlin beispielsweise mit Hamburg, so müssten nach einer Studie der Inra Deutschland GmbH 265 000 Berufstätige nach Berlin einpendeln. Auch Klemann rechnet mit einem weiteren Anstieg des Pendlerstroms vor allem nach Berlin. Klemann fordert deshalb weitere Park-and-Ride-Plätze, damit vor allem jene aus ungünstig ans ÖPNV-Netz angebundenen Orten mit ihrem Pkw nur bis zur nächsten Schnellbahnstation fahren.

• Thomas Ebelt

• Auf epilog.de am 6. Februar 1998 veröffentlicht

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