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Der große Geysir auf Island

Pfennig Magazin • 23.11.1833

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Island, das nahe an den Grenzen der bewohnbaren Teile der Erde, in der Nähe des nördlichen Eismeeres, zwischen Norwegen und Grönland liegt, bietet dem Naturforscher Erscheinungen dar, welche um so bemerkenswerter sind, da sie in auffallendem Kontrast mit dem ganzen Land und seiner Temperatur stehen. Es sind mehrere Vulkane, welche fortwährend kochen und rauchen, und deren Feuersäulen in weiter Ferne hin die Schneeflächen beleuchten. Der größte unter ihnen ist der Hekla, welcher bei seinem Ausbruch im Jahr 1783 einen großen Teil der Insel auf eine furchtbare Weise verwüstete. Die aufsteigende Feuersäule erreichte eine solche Höhe, dass sie 34 Meilen weit gesehen werden konnte.

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Es sind die Schlammquellen an der nordöstlichen Küste des Landes, welche unter furchtbarem Donner ihre schwarze, schlammige Masse 3 bis 5 Meter hochwerfen. Die Reisenden können nicht Worte finden, um das Grausende dieses Schauspiels zu beschreiben.

Eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Insel Island ist ferner der Geysir, ein Zusammenfluss heißer Wasserquellen, welche von Zeit zu Zeit ihr Wasser wie einen Springbrunnen mit dumpfem Gebrüll in die Luft steigen lassen. Sie befinden sich im südwestlichen Teil der Insel, etwa 15 Meilen weit von dem Hekla entfernt, und nehmen einen Raum von ungefähr ¾ Meilen ein, zum Teil an dem Fuß einer wenig hohen Bergkette, übrigens an den Seiten derselben bis zu ihren Gipfeln. Man zählt solcher Quellen mehr als 100, obgleich nur 3 oder 4 mit dem Namen Geysir bezeichnet werden. Ihre Ausbrüche sind häufig, aber dauern nicht lange. Die Zwischenräume halten viel länger an, so dass die Zuschauer in voller Sicherheit sich nähern und mit Muße die Kanäle untersuchen können, aus welchen das unterirdische Wasser springt. Wenn der Augenblick eines Ausbruchs nahe ist, so zeigt dies ein Getöse an, welches einige Minuten dem Springen vorangeht.

Dies ist der Zeitpunkt, in welchem sich die Zuschauer zurückziehen müssen, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, mit kochendem Wasser übergossen zu werden, oder wohl gar in einen sich neu öffnenden Schlund hinabzustürzen·

Ein Reisender, welcher den Geysir beobachtete, teilt darüber Folgendes mit:

Noch mehrere Meilen von dem Geysir entfernt, konnten wir an den Dampfwolken, die sich durch die Luft wälzten, den Ort erkennen, wo eine der unvergleichlichsten Szenen in der Natur sich entfaltet, wo der Groß-Geysir, durch den gespaltenen Boden dringend, sich siedend zwischen schroffen Felsen erhebt und Dampfwolken bis zu den Wolken sendet. Eben als wir um den letzten Hügel herumkamen, wurden wir von einem Ausbruch begrüßt, welcher mehrere Minuten anhielt, und während dessen das Wasser zu einer ansehnlichen Höhe in die Luft geschleudert zu werden schien. Obgleich wir von einer großen Menge siedender Quellen umgeben waren, so blieben wir doch keinen Augenblick ungewiss, welcher Quelle wir uns zuerst nähern sollten. Unfern von der nördlichen Seite des Strahls erhob sich ein großer kreisförmiger Wall, aus dessen Mitte ein ansehnlicher Rauch aufstieg. Dies war der Groß-Geysir. Wir bestiegen diesen Wall, und bald hatten wir den geräumigen Kessel zu unsern Füßen, der mehr als bis zur Hälfte mit dem schönsten, kristallhellen, heißen Wasser angefüllt war, welches so eben in einem leichten Sieden sich befand. Die Tiefe in der Mitte wurde 22 m befunden. Der Kessel senkt sich in die Tiefe trichterförmig hinab, und hat einen Durchmesser von etwa 15 m. Nachdem wir einige Zeit da gestanden hatten, in stille Bewunderung des prächtigen Schauspiels versunken, welches diese unvergleichliche Quelle selbst im Zustande der Untätigkeit dem Auge darbietet, kehrten wir nach dem Ort zurück, wo wir unsere Pferde zurückgelassen hatten.

Geysir auf Island

Bald aber wurden wir durch ein dumpfes Krachen und eine leise Erschütterung des Bodens benachrichtigt, dass ein Ausbruch auf dem Punkt sei einzutreten. Doch wurden bloß einige schwache Wasserstrahlen in die Höhe getrieben, und das Wasser im Kessel stieg nicht über die Oberfläche der Ausgänge. So währte es mehrere Stunden fort, während welcher wir 5 bis 6 Mal das Krachen vernahmen, das die ganze Umgegend erschütterte; doch erfolgte kein beträchtlicher Auswurf. Das Wasser kochte bloß mit großer Heftigkeit. Endlich wurden die Knalle lauter und zahlreicher und glichen genau dem Abfeuern einer entfernten Batterie. Ich eilte nach dem erwähnten Wall, der heftig unter meinen Füßen erzitterte, und hatte kaum so viel Zeit, in den Kessel hinabzublicken, als die Quelle hervorsprudelte, und mich augenblicklich nötigte, mich rückwärts in eine ehrfurchtsvolle Entfernung zurückzuziehen. Das Wasser strömte mit großer Schnelligkeit aus dem Trichter hervor, und wurde in unregelmäßigen Säulen in die Luft geschleudert, von unermesslichen Dampfwolken umgeben, welche großen Teils die Säulen dem Blick verbargen. Die vier oder fünf ersten Strahlen waren unbedeutend, da sie nur eine Höhe von 5 bis 7 m erreichten; auf diese folgte eine von ungefähr 16 m; dann 2 oder 3 beträchtlich geringere, worauf die letzte kam, welche alle vorhergegangenen an Glanz übertraf, und sich zu einer Höhe von wenigstens 22 m erhob. Die großen Steine, welche wir vorher in den Trichter geworfen hatten, wurden zu einer ansehnlichen Höhe geschleudert. Bei dem Herabfallen der Säule wurde das Wasser bis über den höchsten Teil des Walles, hinter welchem ich selbst stand, hinweggetrieben. Der Körper der Säule, welcher wenigstens 3 m im Durchmesser hatte, erhob sich senkrecht, teilte sich aber in eine Menge prächtiger Nebenzweige, und mehrere kleinere Strahlen trennten sich davon und stürzten in schiefen Richtungen herab, zur nicht geringen Gefahr des Zuschauers, von dem herabfallenden Strahl verbrüht zu werden. Der ganze Auftritt war unbeschreiblich wundervoll.

Am andern Morgen weckte mich mein Reisegefährte, um Zeuge des Ausbruchs der Quelle zu sein, welche man den neuen Geysir nennt, und welche 30 m südlich vom Groß-Geysir liegt. Es ist nicht möglich, einen Begriff von dem Glanz und der Größe des Schauspiels zu geben, welches sich meinen Augen in dem Augenblicke darbot, wo ich den Vorhang meines Zeltes zurückzog. Aus einem Trichter, welcher 3 m im Durchmesser hatte, und etwa 75 m vor mir lag, wurde mit unbeschreiblicher Gewalt eine Wassersäule, von erstaunlichen Dampfwolken und einem furchtbar brüllenden Geräusche begleitet, zu einer Höhe von 15 bis 25 m in die Luft geschleudert, und drohte den Horizont zu verdunkeln, obgleich dieser von der Morgensonne erleuchtet war. Während der ersten halben Viertelstunde blieb ich auf meinen Knien in stiller und feierlicher Anbetung versunken. Endlich begab ich mich nach der Quelle hin, wo wir alle zusammentrafen, und uns wechselseitig und mit Entzücken unsere Gefühle des Erstaunens und der Bewunderung mitteilten. Die Wasserstrahlen hatten sich jetzt gesenkt; aber Schaum und Dampf waren an ihre Stelle getreten, welche mit einem betäubenden Gebrüll hervorstürzten und sich zu einer Höhe erhoben, welche derjenigen wenig nachgab, zu der das Wasser selbst gelangt war. Als wir die größten Steine, die wir finden konnten, in den Trichter warfen, wurden sie augenblicklich zu einer erstaunlichen Höhe geschleudert, und einige, die senkrecht geworfen waren, und also wieder in den Kessel fielen, wurden 4 bis 5 Minuten lang mehrmals auf und nieder geschleudert.

Der große Geysir wirft regelmäßig alle 6 Stunden aus, aber die Höhe der aufsteigenden Wassersäule ist sehr verschieden. Zuweilen steigt sie 50 bis 100 m. Der kleine Geysir wird auch wegen seines brüllenden Geräusches der brüllende Geysir genannt.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte.Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 148 Seiten | ISBN: 978-3-7562-0128-0

• Auf epilog.de am 12. November 2017 veröffentlicht

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