DaseinsvorsorgeEnergieversorgung

Elektrische Beleuchtung der Städte

Zentralblatt der Bauverwaltung • 22.10.1881

In England macht die Einführung der elektrischen Beleuchtung raschere Fortschritte als in irgend einem anderen Land. Nicht nur sind fast alle Personen-und Güterbahnhöfe, öffentliche Versammlungssäle und Ausstellungsräume Londons mit elektrischem Licht erhellt, sondern auch ein großer Teil der verkehrsreichsten Straßen der City wird seit längerer Zeit probeweise elektrisch beleuchtet. Die an hohen eisernen Masten aus zierlichem Gitterwerk aufgehängten Siemens’schen Lampen, welche die Zufahrt ans Cheapside und Poultry zur London-Bridge mit mildem Licht erhellt, haben sich durch ihren gleichmäßigen, dem Auge wohltuenden Glanz die allgemeine Zufriedenheit erworben. Die Southwark-Bridge und ihre Zufahrtsstraßen sind mit Brush-Lampen, die Blackfriars-Bridge und die anliegenden Straßenzüge mit Jablochkoff-Kerzen beleuchtet.

Auch in anderen englischen Städten bricht sich die Verwendung des elektrischen Lichtes für Straßenbeleuchtung mehr und mehr Bahn. In Liverpool soll in diesen Tagen eine größere Anlage, die sich auf einige Hauptstraßen erstreckt, dem Betriebe übergeben werden. In Chesterfield scheint ein Streit der städtischen Behörden mit der Gasgesellschaft Veranlassung zur Einführung der elektrischen Beleuchtung bieten zu wollen. Die Gasgesellschaft verweigerte die Herabsetzung ihrer Übermäßigen Preise. Die Stadtbehörde setzte sieh hierauf mit der Firma Hammond & Co. in London in Verbindung, um für die Hauptstraßen der Stadt 40 Brush-Lampen von je 2000 Kerzenstärke anstelle von 170 Gasflammen zu beschaffen, für welche Betriebskraft aus der städtischen Hochdruck-Wasserleitung entnommen werden soll. Für die Nebenstraßen beabsichtigt man Ölbeleuchtung (Orion-Patent-Gasöl) in Anwendung zu bringen. Die jährlichen Kosten dieses gemischten Beleuchtungssystems veranschlagt man auf 13 000 Mark, während an die Gasgesellschaft 19 000 Mark bezahlt werden mussten.

Die kleine Stadt Godalming hat aus ähnlicher Veranlassung die Gasbeleuchtung bereits vollständig abgeschafft. Zu deren Ersatz wurden vorläufig 3 Siemens-Lampen in den Hauptstraßen angebracht, für welche die erforderliche Kraft durch ein vom Flüsschen Wey getriebenes Wasserrad geliefert wird. Da durch Aufstellung einer Turbine genügende Kraft zur Erleuchtung sämtlicher Straßen mit elektrischem Lichte auf billige Weise gewonnen werden kann, so hat die Firma Calder & Barrett in London die Anlage und den Betrieb vom 2. Oktober 1881 ab für einen Jahrespreis übernommen, welcher um 20 % niedriger ist als der Preis der Gasbeleuchtung. Godalming dürfte wohl die erste Stadt sein, deren Straßen ausschließlich mit elektrischem Lichte beleuchtet werden.

• Auf epilog.de am 31. Oktober 2016 veröffentlicht

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