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Die Durchstechung der
Landenge von Korinth

Zentralblatt der Bauverwaltung • 14.10.1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Die schmale Landenge, welche den Peloponnes mit dem nördlichen Griechenland verbindet, ist im Norden von Korinth nur wenig über 6 km breit, während die größte Höhe über dem Meeresspiegel an jener Stelle nur 78 m beträgt. Schon im frühen Altertum dachte man an eine Durchstechung dieser Landenge, um den Seeweg zwischen dem Hafen von Athen und den zahlreichen, am westlichen Mittelmeer gelegenen Tochterstädten abzukürzen. Erst unter der Herrschaft des römischen Kaisers Nero wurde mit der Ausführung des Plans begonnen. Zwei kurze Einschnitte an beiden Küsten und eine Reihe von Schächten, die in der Verbindungslinie jener Einschnitte liegen, zeugen dafür, dass die Inangriffnahme des Baues an richtiger Stelle erfolgt war. Die Schwierigkeiten mussten jedoch wohl für jene Zeit unüberwindlich scheinen, so dass die Arbeiten nicht über die ersten Anfänge hinaus gelangten.

Die Ersparnis an Weglänge, welche durch die Anlage eines Kanals zwischen dem Meerbusen von Korinth und dem Golf von Ägina erzielt wird, beträgt für die Seeverbindung vom Piräus nach Brindisi fast 33 %, nach den Häfen der nördlichen Adria 18 bis 20 %, nach Genua und Marseille 11 bis 12 % des gegenwärtigen Seewegs um das Kap Matapan. Wenn auch Athen für den Handel längst nicht mehr die frühere Bedeutung hat, so würden die Vorteile der Abkürzung des Seewegs doch sämtlichen am Ägäischen Meer gelegenen Häfen, sowie Konstantinopel und den Handelsplätzen am Schwarzen Meere zugutekommen. Nachdem sich durch nähere Untersuchungen herausgestellt hat, dass die Arbeiten der Durchstechung eine verhältnismäßig geringe Summe erfordern werden, ist mit dem Bau des Kanals am 10. April 1882 begonnen worden.

Die Vorarbeiten haben ergeben, dass unter den drei überhaupt infrage kommenden Linien die geradlinige Verbindung, die mit dem alten Kanal Neros zusammenfällt, am günstigsten sich erweist. Am nächsten kommt ihr die im Holzschnitt punktiert angedeutete Linie Nr. 2, bei deren Ausführung an Ausschachtungsarbeiten eine geringe Ersparnis erzielt werden könnte. Dieser kleine Vorteil wird jedoch bei weitem aufgewogen durch Schwierigkeiten bei der Ausführung und Instandhaltung des Kanals, falls derselbe nach der Linie Nr. 2 an der tiefsten Stelle der beiden Talsenken, die vom Rücken der niedrigen Bergkette sich nach den Küsten hinabziehen, hergestellt werden sollte. Es würde alsdann kaum möglich sein die Böschungen des Kanaleinschnitts gegen die von den Talhängen zufließenden Regenmengen zu schützen. Außerdem bieten gerade jene Täler eine günstige Gelegenheit zur Ablagerung von Einschnittserde. Endlich ist der dort anstehende Sandstein äußerst fest während man voraussichtlich in der für die Ausführung gewählten Linie unter einer 5 – 6 m starken Schicht Kalkfels auf große Tiefen Lehmboden und darunter weichen Sandstein antreffen wird.

Der Kanal soll demnach aus einem geradlinigen Einschnitt von 6,34 km Länge bestehen, dessen Sohlenbreite 22 m und dessen größte Tiefe 86,79 m beträgt. Die Wassertiefe ist auf 8 m beim niedrigsten Wasserstand angenommen. Die Pegelschwankungen sind an beiden Küsten sehr gering, im Meerbusen von Korinth höchstens 0,80 m, im Golf von Ägina sogar nur bis zu 0,20 m. Im Felsboden beabsichtigt man 1/10-fache Böschungen auszuführen, im Oberboden je nach der Standfähigkeit desselben 1 – 2fache Böschungsneigungen. Die Gesamtmasse der Ausschachtung würde fast 10 000 000 m³, meist Felsboden, betragen. An den beiden Endpunkten sollen Hafeneinfahrten von 100 m Breite angelegt werden mit Molen aus künstlichen Blöcken, für welche die bei der Herstellung des Einschnitts geförderten Steine das Material liefern. Die beiden über die Landenge führenden Straßen von Korinth nach Lutraki und nach Athen würden mit Brücken von etwa 35 m Spannweite 60 bis 67 m hoch über der Kanalsohle anzulegen sein.

Die Bauausführung ist der französischen ›Gesellschaft für Brückenbau und Eisenkonstruktionen‹ (früher Joret & Co.) im Verein mit der französischen ›Unternehmervereinigung‹ übertragen, die Bauzeit vertragsmäßig auf 5 Jahre festgesetzt worden. Die Bausumme mit Einrechnung der Bauzinsen ist auf 30 Mill. Franken bemessen.

Kanal von KorinthLängenprofil

Man beabsichtigt die Einschnittsarbeiten in folgender Weise vorzunehmen: Zunächst sollen von beiden Seiten aus die im Schwemmlande liegenden Teile der Kanallinie mit Baggern und Priestmanschen Excavatoren ausgeschachtet werden, etwa 2 500 000 m³, wofür 1 Jahr Bauzeit vorgesehen ist. Gleichzeitig will man mit der Lösung der Felsmassen in den obersten Schichten des Einschnitts beginnen, etwa 2 000 000 m³, deren Beseitigung 2 Jahre erfordern wird. Der Fels soll hierbei mit Dynamit gelockert werden. Die Steintrümmer würden mit Baggern aufzuräumen und auf provisorischen Eisenbahnen nach den beiden, unweit des Einschnitts gelegenen Talsenken zu bringen sein. Der Kern des Einschnittes, etwa 5 500 000 m³, soll mit Hilfe von Taverdonschen Bohrmaschinen und 2 Riesenbaggern von beiden Seiten aus in Angriff genommen und binnen 3 Jahren völlig beseitigt werden. Die Bohrmaschinen müssen vertikale Bohrlöcher von großer Tiefe in Entfernungen von je 2,2 bis 4,4 m herstellen, die mit Dynamit zu laden sind, um den Felskern des Einschnittes streifenweise abzusprengen. Jeder Riesenbagger soll täglich 3000 m³ Felstrümmer aufräumen und in seetüchtige Prahme laden, welche sie in das Meer schaffen und in Tiefen von mindestens 20 m versenken müssen.

Die Unternehmergesellschaften rechnen darauf, mit 20 km Gleislänge, 250 Erdtransportwagen und 10 Lokomotiven täglich 3500 m³ Felstrümmer aufräumen zu können. Für die Baggerung will man 30 Prahme mit je 125 m³ Tragfähigkeit und 6 Dampfschleppboote bereithalten. Die Priestmanschen Excavatoren, die bereits seit einigen Monaten in Tätigkeit sind, fordern täglich je 500 bis 600 m³ Boden zum Preise von 15 Pf. für 1 m³. Man hofft die Ausschachtungsarbeiten für einen Durchschnittspreis von 1,60 M (für 1 m³) ausführen zu können, vorausgesetzt, dass die Riesenbagger seitens der Maschinenbauanstalten mit der programmmäßigen Leistungsfähigkeit angeliefert werden. Nach dem Programm soll jede dieser Baggermaschinen 2 Eimerleitern mit Eimern von 0,75 m³ Rauminhalt erhalten, deren Kette mit 0,30 bis 0,35 m in der Sekunde Geschwindigkeit bewegt werden soll, und zwar durch je 2 Dampfmaschinen mit 300 PS.

Bis zum 15. August 1882 sind etwa 250 000 m³ Boden im Schwemmland auf beiden Seiten des Kanaleinschnitts gelöst worden, da zunächst nur wenige Bagger in Betrieb gesetzt werden konnten. Inzwischen hat man mehrere neue Maschinen in Tätigkeit gesetzt und hofft monatlich 250 000 m³ Boden lösen und in das Meer schleppen zu können.

Wiewohl die Hauptarbeit den Maschinen zufällt, wird dennoch eine bedeutende Anzahl von Arbeitern erforderlich sein. Die Landschaft ist durchaus gesund, da in den heißen Sommertagen stets vom Meere her erfrischende Winde wehen. Einige Schwierigkeit könnte vielleicht die Beschaffung von Trinkwasser bereiten, mindestens für die auf den Berghöhen beschäftigten Arbeiter. Die Quellen sind dort spärlich vorhanden und für den starken Bedarf nicht ausgiebig genug, weil ihr Niederschlagsgebiet klein ist und die jährliche Regenhöhe nur 31 cm beträgt. Voraussichtlich wird man Zuflucht zu den beiden unter Nero angelegten großen Zisternen nehmen müssen, die sich mit geringer Arbeit wieder in brauchbaren Zustand setzen lassen.

Die vorstehenden Mitteilungen sind einem Aufsatz des Genie civil entnommen, dem wir die Verantwortung für ihre Richtigkeit überlassen müssen.

• Auf epilog.de am 31. Oktober 2017 veröffentlicht

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