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Aus der Welt der Reklame

Elektrische Nebelbilder auf der Leipziger Messe

Die Gartenlaube • 1883

Das war ein eigentümliches Bild, welches die Herbstabende während der letzten Leipziger Messe uns boten. Vergangenheit und Gegenwart standen da hart aneinander, und zwar die eine der andern nicht besonders freundlich, sondern sogar feindlich gesinnt. Sie waren sehr eigentümlich, diese Vergangenheit und diese Gegenwart, denn beide erschienen auf dem Messeplatz zwar mit originellen, aber nicht besonders bedeutenden Vertretern.

Der Leser folge uns nur in jenen Stadtteil Leipzigs, wo einst der Moritz-Damm zu sehen war, und wo sich heute am Ende der Petersstraße der Königsplatz neben dem Obstmarkte erstreckt. Dort wiederholt sich zu jeder Messe ein buntes Treiben, auf welches der runde Turm der ehrwürdigen Pleißenburg schon so oft seit Jahrhunderten herniedergeschaut hat.

Ein Budenmeer breitet sich hier vor unseren Augen aus, ein Budenmeer, gegen welches allsonntäglich und allabendlich ein Menschenmeer flutet. Es sind keine Händler, die hier vorwiegend ihre Waren feilbieten, und auch keine Kauflustigen, die hierher aus Stadt und Dorf zusammenströmen. Wir haben die bekannten Schaubuden vor uns. Was diese mittelalterlichen Überreste wert sind, das wissen alle nur zu gut, und die jüngere Generation kann sich beeilen, diese ›Fischweiber‹, ›dreibeinigen Ochsen‹ und ›Kasperle-Theater‹ anzusehen, denn sie sind auf dem Aussterbe-Etat und werden bald, sehr bald verschwinden. Schon heute erscheinen sie stark gelichtet auf dem alten Messeplatz, denn Menagerie, Zirkus, die Zauberkünstler Bellachini und Mellini machen ihnen starke Konkurrenz und der Rat der Stadt Leipzig ist ihnen gleichfalls nicht freundlich gestimmt.

In der letzten Messe erwuchs den Budenbesitzern ein neuer Konkurrent, der unbegreiflicher und unerhörter Weise das Publikum gratis unterhielt, so dass die ehrenwerte Zunft der fahrenden Künstler sich genötigt sah, gegen dieses Verfahren eine Petition an den Rat der Stadt zu richten.

Am Ende der Petersstraße, auf dem Dach des Polich’schen Hauses, hat sich nämlich ein unternehmender Mann, M. Rendsburg aus Hamburg, niedergelassen, welcher das elektrische Licht in den Dienst der Reklame stellte und jeden Abend auf einer 36 m² großen Leinwand elektrische Nebelbilder erscheinen ließ, welche Annoncen, Firmenschilder und dergleichen darstellten. Die Idee ist allerdings nicht neu, denn in Paris und in Berlin wurden schon früher mit Hilfe des Drummond’schen Kalklichtes ähnliche Bilder dem Publikum vorgeführt, in der gewaltigen Größe, in der man sie in Leipzig beobachten konnte, sind sie jedoch, wenn wir uns nicht irren, zuerst von M. Rendsburg in Hamburg erzielt worden.

Elektrische Nebelbilder auf der Leipziger MesseElektrische Nebelbilder auf der Leipziger Messe.

Ein Blick auf das nebenstehende Bild genügt, um die einfache Manipulation dieser modernen Reklame zu erraten. In dem hinten auf dem Dache errichteten Gehäuse ist ein Apparat aufgestellt, welcher der bekannten Laterna magica nicht unähnlich ist, aber keine Petroleumlampe, sondern ein elektrisches Bogenlicht von circa 1500 Kerzen enthält. Der Reklame-Macher braucht nur die Glastäfelchen, auf welchen die Annoncen sich befinden, in den Apparat einzustellen und das elektrische Licht im Verein mit den vergrößernden Linsen des Apparates besorgen das übrige. Der also auf der großen Leinwand elektrisch Empfohlene bezahlt die Kosten, und das Publikum soll durch diese Unterhaltung zum Kauf angespornt werden. Der ›Elektriker‹ macht dabei das beste Geschäft, und er wird bis Ende dieses Jahres sein Licht in Leipzig leuchten lassen.

Bekanntlich ist jedoch das Lesen von Annoncen eine an und für sich nicht hervorragend interessante Beschäftigung, und ein guter Reklame-Macher weiß dies wohl. Darum ist auch in unserem Falle die vorsorgliche Einrichtung zum Festhalten der Passanten getroffen worden, dass nach je sechs Firmen entweder ein »reizendes Farbenspiel«, eine »prachtvolle Landschaft« oder ein »auf schwarzem Grunde wunderbar hervortretendes Meisterwerk der Plastik« oder auch eine der »hübschen beweglichen humoristischen Figuren« erscheint.

Man kann über den Wert dieses Unternehmens denken, wie man will. Jedenfalls hemmt auch der größte Feind der Reklame seine Schritte beim Anblick dieser weithin sichtbaren und schönen Lichtspiele; er muss sich schon dieses ihm recht aufdringlich erscheinende Treiben gefallen lassen, denn es ist ein Kind unserer rastlosen, hastig nach Gewinn jagenden Gegenwart.

• Auf epilog.de am 23. September 2016 veröffentlicht

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