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Artesische Brunnen und Feuerbrunnen

Pfennig Magazin • 4.5.1833

Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet.

Jedermann weiß, dass man, wenn man an gewissen Stellen eine tiefe Öffnung in die Erde macht, wo Niemand je eine Spur von einer Quelle bemerkt hat, endlich zu einer Erdschicht gelangt, wo Wasser im Überfluss vorhanden ist. Bisweilen dringt dies Wasser mit solcher Heftigkeit hervor, dass es sich als Springbrunnen mehrere Fuß über den Boden erhebt. Die Natur gewährt also von selbst ein glänzendes Schauspiel, welches manchem verschwenderischen Herrscher Millionen gekostet hat. Seit einigen Jahren vermehren sich in Frankreich und im südlichen Deutschland die artesischen Brunnen, die ihren Namen von der Provinz Artois in Frankreich haben, wo sie seit langen Zeiten gewöhnlich sind. Die Nützlichkeit der artesischen Brunnen besteht nicht allein darin, dass sie reichlich Wasser geben, sondern da dieses aus großer Tiefe kommt, so ist es immer mittlerer Temperatur, und wohl jedenfalls brauchbarer, als aus den gewöhnlichen Brunnen.

In China gibt es zwar keine artesischen, wohl aber Feuerbrunnen. Im Bezirk von Tsingtao (1600 km nordöstlich von Kanton) findet man in einem Raum von ungefähr 50 km in der Länge, und 20 – 25 km in der Breite mehrere Salzbrunnen. Jeder etwas wohlhabende Privatmann sucht sich einen Teilhaber und gräbt sich einen oder mehrere Brunnen, wozu gegen 2000 Taler erforderlich sind. Sie graben diese Brunnen nicht, wie wir, sondern erreichen ihren Zweck mit der Zeit und durch Geduld; sie bringen wenigstens drei Jahre dabei zu. Diese Brunnen haben gewöhnlich eine Tiefe von 500 – 600 m, und sind nur 12 – 15 cm breit. Will man Wasser aus einem solchen Brunnen haben, so steckt man eine Bambusröhre hinein, die rund 25 m lang ist, und an deren Ende sich ein Ventil befindet; wenn sie unten auf dem Boden angelangt ist, so hält sich ein starker Mann an einem Seil fest, und stößt auf die Röhre; bei jedem Stoß öffnet sich das Ventil, und das Wasser steigt in die Höhe. Bei der Verdunstung liefert das Wasser ein Fünftel und drüber, ja bisweilen ein Viertel Salz, das einen sehr beißenden Geschmack hat, und viel Salpeter enthält. Die Luft, welche aus diesem Brunnen kommt, ist leicht entzündbar. Hält man eine Fackel an die Öffnung des Brunnens, wenn die Röhre beinahe mit Wasser angefüllt ist, so entzündet sich eine große Feuergarbe, 6 – 10 m hoch. Bisweilen tun es die Arbeiter entweder aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit.

Es gibt Brunnen dieser Art, aus denen man kein Salz bekommt, sondern bloß Feuer, und diese nennt man Feuerbrunnen. Man verschließt die Öffnung des Brunnens mit einem Bambusröhrchen und leitet die entzündbare Luft wohin man will; man zündet sie mit einem Licht an, und sie brennt fortwährend. Die Flamme sieht bläulich aus, steigt 7 – 10 cm hoch, und hat 2 – 3 cm im Durchmesser. Das Gas ist mit Erdpech geschwängert, riecht übel, und gibt einen schwarzen, dicken Rauch; sein Feuer brennt heftiger, als das gewöhnliche Feuer. Die großen Feuerbrunnen befinden sich zu Tsee-lieou-tsing, einem Flecken im Gebirge, an einem kleinen Fluss.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte. Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 124 Seiten | ISBN: 978-3-7543-5702-6

• Auf epilog.de am 31. Juli 2017 veröffentlicht

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